- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 9/2002
- Dopingskandal bei Olympia...
Arzneimittel und Therapie
Dopingskandal bei Olympia: Auch die Pharmazie spielte mit
Bei einer unangemeldeten Trainingskontrolle am vergangenen Donnerstag wurde Johann Mühlegg nach dpa-Berichten positiv getestet, und jetzt wurde ihm seine am Samstag gewonnene Goldmedaille über 50 km aberkannt. Bei der Analyse einer Probe von Mühlegg fanden die Kontrolleure das Blutdopingmittel Darbepoetin alfa. Das Mittel hatte erstmals im Zusammenhang mit der Spanien-Rundfahrt für Radprofis im vergangenen Jahr für Aufmerksamkeit gesorgt. Darbepoetin alfa steht jedoch nicht explizit auf der Verbotsliste des Olympia-Komitees IOC.
Blutdoping mit Erythropoetin
Blutdoping wurde erstmals 1988 auf die IOC-Liste der verbotenen Methoden gesetzt. Mit dieser Methode wird versucht, die Gesamtzahl an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) zu erhöhen, um eine größere Menge an Sauerstoff transportieren zu können. Damit soll die Ausdauerleistung verbessert werden.
Mit dem gentechnisch produzierten Erythropoetin können die gleichen Effekte erreicht werden wie mit dem Blutdoping, so dass die aufwändige und gefährliche Methode der Bluttransfusion vermieden werden kann. Seit einigen Jahren gilt Erythropoetin (Epo) als Wundermittel im Spitzensport. Athleten nehmen gentechnisch produziertes Epo ein und erhoffen durch die Zunahme der Erythrozytenzahl im Blut einen verbesserten Sauerstofftransport und damit verbunden eine erhöhte Leistungsfähigkeit.
Tests von Blut und Urin
Bei den Olympischen Winterspielen, die in Salt Lake City vom 8. bis 24. Februar stattfanden, wurde wie schon in Sydney 2000 der kombinierte Blut- und Urintest zum Nachweis eines Erythropoetin(Epo)-Missbrauchs eingesetzt. Am 7. November 2001 hatte in Lausanne ein Komitee aus wissenschaftlichen Experten, das von der Medizinischen Kommission des IOC eingesetzt worden war, die Empfehlung ausgesprochen, dass die gleichzeitige Anwendung des Blut- und Urintests den bestmöglichen Nachweis garantiert. Beide Tests müssen abnormale Werte aufzeigen.
Bei den Olympischen Winterspielen müssen sich sämtliche 800 bis 900 Sportler in den Ausdauer-Disziplinen vor ihren Wettkämpfen einem Bluttest unterziehen. Bei Auffälligkeiten wird ein Urintest und ein weiterer Bluttest vorgenommen. Von einem positiven Epo-Befund wird nur dann gesprochen, wenn in beiden Analysen die jeweils erlaubten Richtwerte deutlich überschritten werden.
Beim Bluttest werden indirekte Blutparameter wie Hämatokrit (Hkt), Retikulozyten-Hämatokrit (RetiHkt), % Makro (Prozent makrozytärer Erythrozyten), löslicher (soluble) Transferrinrezeptor (sTfR) und Serum-Epo bestimmt. Diese Werte erhöhen sich nach einer Epo-Applikation. Beim Urintest erfolgt eine direkte Differenzierung zwischen dem Epo, das der Körper selber produziert (auch als hEPO, humanes Epo bezeichnet), und dem gentechnisch hergestellen Epo (auch als rEPO, rekombinantes Epo bezeichnet), das zu Dopingzwecken eingesetzt werden kann.
Stimulation der Erythropoese
Erythropoetin ist ein Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von ca. 30 000, wobei die Proteinkette aus insgesamt 165 Aminosäuren besteht. An vier Stellen ist das Protein an komplex aufgebaute Kohlenhydrate gebunden. Der Kohlenhydratanteil beträgt ca. 40% des Gesamtmoleküls.
Erythropoetin wird vorwiegend in den Nieren gebildet und stimuliert in den Knochenmark-Stammzellen die Ausreifung der Erythrozyten, die Erythropoese. Medizinisch wird Erythropoetin bei Patienten angewendet, die selber nicht mehr genügend Erythropoetin produzieren und somit zu wenig rote Blutkörperchen aufweisen, zum Beispiel bei renaler Anämie oder bei Dialysepatienten.
Seit 1988 wird Erythropoetin gentechnisch hergestellt, wobei gentechnisch veränderte Säugetierzellen (Ovarienzellen chinesischer Hamster) verwendet werden. Das so produzierte Erythropoetin hat dieselbe Aminosäurensequenz wie das menschliche Erythropoetin, unterscheidet sich aber geringfügig in den Kohlenhydratanteilen. Auf dem Markt erhältlich sind die gentechnisch hergestellten Erythropoetine Epoetin alfa (Erypo) und Epoetin beta (NeoRecormon).
Für Patienten mit Nierenschäden
Das Erythropoetin-Analogon Darbepoetin alfa (novel erythrocyte stimulating protein, NESP, Aranesp) wird seit Juni 2001 in Deutschland von der Firma Amgen vermarktet. Nach einer Meldung in der italienischen Gazetta dello Sport soll es schon bei der Vuelta 2001 im Radsport als Dopingmittel eingesetzt worden sein.
Wie Erythropoetin regt auch Darbepoetin alfa die Vermehrung roter Blutkörperchen im Blut an und wurde eigentlich für Patienten mit Nierenschäden entwickelt: Darbepoetin alfa wird zur Behandlung der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz eingesetzt. Wie das körpereigene Glykoprotein regt auch Darbepoetin alfa die Proliferation und Differenzierung von Erythrozyten-Vorstufen an.Darbepoetin alfa unterscheidet sich vom rekombinanten humanen Erythropoetin lediglich durch zwei zusätzliche Kohlenhydratketten: Es enthält fünf (statt drei) dieser Seitenketten.
Durch den erhöhten Kohlenhydratanteil verlängert sich die terminale Halbwertszeit auf 21 Stunden nach intravenöser und 49 Stunden nach subkutaner Gabe. Damit hat die neue Substanz eine zwei- bis dreifach längere Wirkdauer als rekombinantes Erythropoetin, und die Applikationsfrequenz kann deutlich reduziert werden.
Für die Anwendung als Dopingmittel bedeutet dies mehr Unsicherheit, da die Einnahme der Substanz über einen längeren Zeitraum nachgewiesen werden kann. Außerdem ist es durch die zusätzliche Einfügung weiterer Aminosäuren und einer zusätzlichen Zuckerkette in das Molekül leicht vom körpereigenen Erythropoetin zu unterscheiden.
Die häufigsten Nebenwirkungen der rekombinanten Erythropoetine und von Darbepoetin alfa sind Blutdruckanstieg und Thrombosen. Bei der missbräuchlichen Anwendung bei Gesunden zum Doping kann die Anzahl der roten Blutkörperchen, der Hämatokrit, übermäßig ansteigen und zu lebensbedrohlichen Komplikationen des kardiovaskulären Systems führen: Die Gefahr von Bluthochdruck und tödlichen Thrombosen steigt.
Kastentext: Peptidhormone und mimetische Verbindungen als Dopingmittel
Peptidhormone wurden erstmals 1989 auf die Dopingliste gesetzt. Choriongonadotropin (CG), adrenocortiocotropes Hormon (ACTH), Erythropoetin (Epo) und Wachstumshormon (HGH) sind die wichtigsten Wirkstoffe dieser Gruppe. Besonders schlecht nachweisbar sind Epo und HGH. Die medizinische Kommission des IOC verbietet außerdem als Analoge alle entsprechenden Releasing-Faktoren (Hypothalamus-Hormone) der oben genannten Substanzen und Analoga.
Erstmals seit Januar 1999 verbietet das IOC auch die Anwendung von IGF-1 und Insulin, wobei Insulin allerdings für Diabetespatienten erlaubt ist. Das IOC hat weiterhin unter dem Zusatz "mimetische Verbindungen" Antiöstrogene wie Clomifen, Cyclofenil und Tamoxifen für Männer verboten. Seit dem 1. September 2001 sind ebenfalls unter dem Zusatz "mimetische Verbindungen" Aromatasehemmer, die die enzymatische Umwandlung von Testosteron zu Estradiol hemmen, verboten.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.