Berichte

Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung: Wo steht die Phytoforschung bei tropi

Auch transgene Moskitos sind noch nicht das Mittel der Wahl zur Malariabekämpfung, hieß es kürzlich. Man muss also weiter nach plasmodiziden Wirkstoffen suchen! Die Universität Antwerpen, deren Arbeitsgruppe um A. Vlietinck und L. Pieters für ihre phytochemische Forschung über tropische Infektionskrankheiten bekannt ist, und die Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) hatten unter dem Thema "Von der Heilpflanze zur Phytomedizin" zu einem fachübergreifenden Erfahrungsaustausch bei antimikrobiellen und antiparasitären Infektionskrankheiten eingeladen. Zum 27. LOF-Symposium (Landelijk Overleg Farmacognosie, d. h. länderübergreifende Pharmakognosie) am 28. Februar in Antwerpen trafen sich Forscher aus mehreren Kontinenten.

Infektionskrankheiten bedeuten für die meisten Entwicklungsländer nach wie vor eine große und unlösbare Bürde. Dort tragen sie immer noch am meisten zur Sterblichkeit bei.

TDR-Programm

Neben den "klassischen" Formen wie bakterielle Enteritis, Typhus oder Cholera und dem Sonderfall AIDS setzt die WHO mit ihrem TDR-Programm (Tropical Diseases Research) Forschungsschwerpunkte

  • bei neu auftauchenden und noch unkontrollierbaren Infektionskrankheiten, z. B. Tryponosomiasis (Schlafkrankheit), Leishmaniose und Dengue-Fieber. Von ihnen kennt man erst streckenweise die Pathogenese und die Wirt-Pathogen-Interaktionen und noch weniger wirksame Medikationen;
  • bei Krankheiten, die zwar medikamentös behandelt werden können, sich aber durch Resistenzbildung der Kontrolle entziehen. Allen voran gehören dazu Malaria – in Afrika südlich der Sahara nach wie vor Todesursache Nummer eins und auch durch das Roll-back-Malaria-Programm nicht zu besiegen –, Schistosomiasis (Bilharziose) und die sich wieder verstärkt ausbreitende Tuberkulose;
  • bei Krankheiten, die zusammen mit ihren Erregern ausgerottet werden könnten. Derzeit sind Lepra, Chagas-Krankheit und Filariosen einschließlich Onchozerkose (Knotenfilariose) nur durch teure Antibiotika-Kombinationstherapien heilbar; sie gelten als "Orphan diseases", das heißt, dass die Industrie aus kommerziellen Gründen kaum Forschungsinteresse zeigt. Mit hygienischen Verbesserungen und neuartigen Antiparasitika will man sie dennoch besiegen.

Resistenzen bedingen schwerere Krankheitsverläufe

Nach wie vor sind die Infektionen der zweiten Gruppe eine der größten Herausforderungen an die forschende Pharmazie. Die Entdeckung und Entwicklung neuer wirksamer Medikamente kann kaum mit der steigenden Resistenz zu vorhandenen Arzneistoffen Schritt halten.

Malaria hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur wieder enorm ausgebreitet, die Krankheit nimmt generell an Schwere und Mortalität zu (jährlich 2,7 Mio. Menschen, die Mehrzahl davon Kinder). Dringend werden vor allem sichere Medikamente für Schwangere und Kinder benötigt. Noch immer nicht erfüllt hat sich die seit Jahren genährte Hoffnung auf einen wirksamen Malaria-Impfstoff.

Traditionelle Heilpflanzen nach wie vor wichtige Forschungsbasis

Immer schon haben sich die Menschen solch gefährdeter Regionen auch ihrer eigenen Ressourcen bedient. Jede Gegend, jeder Stamm besitzt ein Arsenal von Heilpflanzen, die in Familien und von erfahrenen Heilern bei Malaria, Tuberkulose und anderen Krankheiten mehr oder weniger erfolgreich eingesetzt werden. Und schon immer gab die traditionelle Medizin wichtige Hinweise auf potenzielle Arzneistoffe. Untersuchungen von Naturstoffen, z. B. auf Aktivität gegen Malaria-Erreger, haben nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Arzneistoffsuche; Chinin und Artemisinin sind die erfolgreichsten Beispiele.

Neue Leitstrukturen aus Pflanzen

Bei der Suche nach neuen Wirksubstanzen und wirksamen Medikamenten wird nach zwei Strategien vorgegangen:

  • Gezieltes Screening von traditionell verwendeten Heilpflanzenextrakten und ihre Bewertung durch die Abwägung von Wirksamkeit und Toxizität. Diese Forschung wird sinnvollerweise in den betroffenen Ländern direkt durchgeführt, die Beiträge aus Afrika waren vielfältig. Dort lassen sich auch ohne zu großen finanziellen Aufwand die nötigen klinischen Studien durchführen, die nicht immer groß angelegt sein müssen: 50 bis 100 Probanden können ausreichen. Viel wichtiger ist die klare Kontrolle gegen eine bekannte Wirksubstanz.
  • Man sucht aktive Leitstrukturen, die dann durch Derivatisierung in der Wirksamkeit und Bioverfügbarkeit optimiert und in der Toxizität minimiert werden. Aktuelles Beispiel ist Cryptolepin, ein Indolchinolinalkaloid aus den Wurzeln des westafrikanischen Strauches Cryptolepis sanguinolenta (Periplocaceae oder Asclepiadaceae), die dort traditionell gegen Malaria verwendet werden. Cryptolepin erwies sich in vitro als hochaktiv gegen Plasmodien, aber auch als hochzytotoxisch aufgrund seiner Topoisomerase-hemmenden und DNA-interkalierenden Aktivitäten.

    C. Wright und sein Team in Bradford, England, konnten den Mechanismus der Antimalariawirkung aufklären – ähnlich wie Chinin hemmt Cryptolepin die β-Haematinbildung – und gezielt Molekülabwandlungen vornehmen, bei denen die zytotoxischen Mechanismen systematisch reduziert und gleichzeitig die antiplasmodische Aktivität verstärkt werden konnten. Einige solcher Cryptolepin-Analoga zeigen IC50-Werte < 0,1 µM gegen chloroquinresistente P. falciparum-Stämme, wo die übliche Chloroquin-IC50 bisher bei 0,44 µM lag. Große Erwartungen liegen auf dieser neuen Leitstruktur.

Hoffnungsträger Artemisinin

Artemisinin und seine Abkömmlinge gehören derzeit zu den am schnellsten wirkenden Antimalariamitteln mit vergleichsweise geringer Toxizität und Nebenwirkung, sowohl bei unkomplizierten als auch bei schweren Krankheitsverläufen wie der sehr gefährlichen Zerebral-Malaria. Die Wirkung mit Fiebersenkung tritt bereits nach einer Stunde ein. Nach bald zehn Jahren seit Einführung von Artemisinin-Derivaten sind noch keine Resistenzen bekannt, auch nicht in Gebieten mit Chloroquin- und Multiresistenzen. Ein Kombinationspräparat mit Lumefantrin gehört zu den "essential drugs" der WHO.

Als Wirkungsmechanismus wird diskutiert, dass Artemisinin unter dem Einfluss von Häm-Eisen in Sauerstoffradikale zerfällt, die dann durch Bildung von Addukten die Zellwand der Plasmodien zerstören. In einer komplizierten spektrophotometrischen Kombinationstechnik (UV/Vis + HPLC/DAD/MS), von Bilia und Vincieri in Florenz entwickelt, kann das Verschwinden der Porphyrin-Banden des Häm-Eisens genau verfolgt und so die plasmodizide Aktivität von Extrakten und Substanzen getestet werden. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass die semisynthetischen Abwandlungsprodukte Dihydroartemisinin, Artemether oder Artesunat einen schnelleren Wirkungsverlauf zeigen als ihre Ausgangssubstanz Artemisinin.

Überraschenderweise reagiert aber der Gesamtextrakt von Artemisia annua am schnellsten. Man schreibt dies dem Synergismus mit den reichlich vorhandenen Flavonoiden (u. a. Casticin) zu. Dementsprechend reagieren auch künstliche Mizell-Einschlussprodukte von Artemisinin mit oxidationsförderndem Ascorbyloctanoat schneller und stärker als reines Artemisinin. Davon verspricht man sich neuartige Präparate-Entwicklungen.

HIV/AIDS: Weiterhin Forschungsziel Nr. 1

Zehn Jahre lang, von 1986 bis 1996 beteiligte sich das US National Cancer Institute (NCI) an einem Screening-Programm für Anti-HIV-wirksame Pflanzen-Extrakte, berichtete der Koordinator des Developmental Therapeutics Program (DPT) am NCI, D. Kinghorn, Chicago. (Wegen finanzieller Kompetenzstreitereien war diese Forschung dann vom NCI wegverlegt worden.)

Zwar hat man heute mit den bekannten RT- und Protease-Inhibitoren wirksame Medikamente zur Hand, aber sie sind teuer und kompliziert einzunehmen, und die nötige Compliance ist gerade in den Entwicklungsländern, wo sie am meisten gebraucht werden, oft nicht gewährleistet. Darum ist die Suche nach neuen potenten Agenzien nach wie vor hochaktuell.

Es gab auch etliche "Treffer" in allen Substanzklassen (Alkaloide, Cumarine, Chinone, Sesqui-, Di-, und Triterpene, aber auch simple Flavonoide und Proanthocyanidine), die meistens über eine RT-Hemmung wirksam sind. Die Weiterentwicklung scheitert aber oft an der hohen Toxizität dieser Verbindungen, die in einigen vielversprechenden Fällen erst im Stadium klinischer Untersuchungen festgestellt werden konnte.

Präzedenzfall "Falealupo Covenant"

Zwei Namen darf man sich merken:

  • Das Cumarin Calanolid A aus der malaysischen Pflanze Calophyllum lanigerum (Clusiaceae syn. Hypericaceae), als Kombinationspräparat mit einem nicht-nukleosidalen RT-Inhibitor bereits in der klinischen Phase mit freiwilligen Probanden.
  • Und den Phorbolester Prostatin aus Homolanthus nutans, einer im Regenwald von Samoa wachsenden Euphorbiacee. Prostatin hat deswegen einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, weil es als Paradebeispiel und Präzedenzfall eines gelungenen "Benefit sharing" gilt: Mit den Einwohnern des Dorfes Falealupa auf Samoa wurde ein Vertrag geschlossen, dass bei erfolgreicher Entwicklung des Präparates 20% der zukünftigen Gewinne an sie zurückfließen sollen.

Kontrollierter Anbau

Bei der Entwicklung von Phytopräparaten aus traditionellen Heilpflanzen in Entwicklungsländern wird die geregelte Versorgung mit dem Pflanzenmaterial noch immer zu wenig beachtet. Nicht früh genug kann mit dem kontrollierten Anbau einer potenziellen Heilpflanze begonnen werden, um spätere Versorgungsengpässe oder ihre Ausrottung zu vermeiden. Für die Gesundheitsversorgung der Entwicklungsländer erscheint dies nach wie vor das probateste Vorgehen, wünschenswert am besten im ergänzenden Miteinander mit "westlicher" Medizin.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.