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Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin: Viele Fortschritte &ndash

BERLIN (sw). Infektionskrankheiten werden in der Öffentlichkeit immer dann beachtet, wenn es spektakulär wird (Milzbrandanschläge, Ebola-Fälle etc.). AIDS ist meist weit weg, rückt aber wieder näher, und resistente Bakterien, gegen die keine Antibiotika mehr helfen, gibt es auch bei uns. Mit diesen und anderen Problemen befasste sich der 7. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin, der vom 27. Februar bis 1. März in Berlin stattfand.

Lungenentzündungen und andere nosokomiale Infektionen

Die Zahl der nosokomialen Infektionen steigt – durch neue medizinische Techniken, verstärkten Gebrauch von Kunststoffmaterialien, häufige invasive Verfahren in der operativen und konservativen Medizin, vor allem aber auch die Zunahme von schwer kranken und alten Patienten. Die Häufigkeit nosokomialer Infektionen liegt in deutschen Kliniken bei 3 bis 4%, auf Intensivstationen bei 15%, dort sind es vor allem tiefe Atemwegsinfektionen. Diese entstehen, weil bei den oft schwer kranken Patienten die Intubation die Abwehrlage weiter beeinträchtigt.

Beträchtliche Fortschritte gibt es in der Diagnostik der Lungenentzündungen durch molekularbiologische Methoden. Damit gelingt es, Pneumokokken-Bestandteile im Urin mittels DNA nachzuweisen (auch Legionellen können auf diese Weise nachgewiesen werden), sodass man genau weiß, welcher Erreger bekämpft werden muss. Die häufigsten nosokomialen Infektionen außerhalb der Intensivstationen sind Harnwegsinfektionen, insbesondere im Zusammenhang mit Harnblasenkathedern.

Es gibt nun Überlegungen zur Prävention der tiefen Atemwegsinfektionen durch Verwendung von Atemmasken statt Intubation, ein Verfahren, das sehr personalintensiv ist und auch nicht bei jedem Patienten erfolgreich eingesetzt werden kann. Kontrovers diskutiert wird die Frage der begrenzten prophylaktischen Antibiotikagabe (Resistenzprobleme).

Insgesamt wird die moderne Medizin auch weiterhin mit den im Krankenhaus erworbenen Infektionen leben müssen, ausgenutzt werden sollen aber alle Möglichkeiten, die Zahl zu reduzieren und frühzeitig zu behandeln, wozu auch solche einfachen Hygieneregeln wie das Händewaschen gehören.

Zunehmende Resistenzen bei Antibiotika

Die unkontrollierte und unbegrenzte antibiotische Behandlung hat weltweit zu einer zunehmenden Resistenz vieler Erreger geführt. Deutschland steht im internationalen Vergleich noch recht günstig da (obwohl es auch hier schon Keime gibt, gegen die nichts mehr hilft, meist aber bei Patienten mit schweren Grunderkrankungen). Mit einer strengen Antibiotika-Disziplin insbesondere in Kliniken, d. h. ständige Überwachung durch einen Mikrobiologen, lassen sich die Resistenzen vermindern und überdies erhebliche Mittel einsparen.

Obwohl die Zugänglichkeit zu Antibiotika restriktiver gehandhabt wird als in manchen anderen Ländern, ist die missbräuchliche Anwendung auch in Deutschland noch viel zu hoch (z. B. Gabe bei Virusinfektionen etc.). Ein Problem stellt die nicht immer ausreichende Ausbildung (und das entsprechende Interesse) der Ärzte dar, das noch durch den massiven Druck von Seiten der pharmazeutischen Industrie verstärkt wird. Die Entwicklung eines neuen Antibiotikums kostet ca. 750 Mio. Euro (nur noch fünf forschende Pharmaunternehmen befassen sich überhaupt damit). Ein neues Produkt muss dann in relativ kurzer Zeit diese Kosten wieder reinholen und Gewinn erwirtschaften. Welcher Arzt wird sich dauerhaft einem neuen, als wirksam gepriesenen Produkt widersetzen?

Internationale Vergleiche zeigen, dass Zugänglichkeit und Resistenzen korrelieren – die DDR hatte kaum Resistenzprobleme, nach der Wiedervereinigung trat eine Angleichung zu den übrigen Bundesländern ein; in Italien sind Antibiotika viel verbreiteter zugänglich – es gibt wesentlich höhere Resistenzanteile; in Japan dürfen Ärzte Arzneimittel verkaufen – sie tun es kräftig, und das Problem mit der Resistenz ist dort, wie überhaupt in Asien, katastrophal.

Sexuell übertragbare Krankheiten, AIDS, Hepatitis

Sexuell übertragbare Krankheiten nehmen zu. Wenn die Verdopplung der gemeldeten Syphilis-Erkrankungen in Deutschland im vergangenen Jahr möglicherweise auch teilweise auf eine vermehrte Meldung durch das neue Infektionsschutzgesetz zurückgeführt werden kann, ist sicher auch eine absolute Zunahme der Erkrankungen zu verzeichnen. Häufig werden sie in Südostasien erworben, wo ein Schwerpunkt dieser Erkrankungen liegt, aber sie rücken näher. Große Probleme gibt es auch hier mit der Antibiotika-Resistenz dieser Bakterien, vor allem der Pneumokokken. Experten fürchten, dass wir in die präantibiotische Zeit zurückfallen könnten. Auch hier sind wir bisher in Deutschland noch relativ gut dran. Anfällige Patienten sollten aber nicht nach Südostasien reisen.

Näher rücken auch wieder HIV, AIDS und Hepatitis. Im Jahr 2001 gab es in Russland 50 000 neu gemeldete HIV-Fälle (in einem Jahr!). Mangel an Prävention und Mangel an geeigneten Therapieverfahren sind meist miteinander verbunden. In Deutschland befasst man sich heute bezüglich HIV vor allem mit den Modalitäten der Therapie (optimaler zeitlicher Einsatz der antiretroviralen Therapie, mögliche Therapieprogramme etc.). Für die Virus-Hepatitis, vor allem (B und) C, gibt es neue, sehr erfreuliche Therapiefortschritte, die Viren können (im Gegensatz zu HIV) beseitigt werden. Dies wird vor allem auch ko-infizierten HIV-Patienten helfen, die bisher häufig an Hepatitis C starben.

Tropenmedizin, Reisemedizin

Die Tropenmedizin beschäftigt sich heute nicht mehr nur mit den klassischen tropischen Infektionen wie Malaria, Bilharziose, Dengue-Fieber etc., sondern auch mit AIDS, Tuberkulose oder Hepatitis B, die in den Entwicklungsländern eine sehr hohe Verbreitung haben. Deutschland beteiligt sich an Programmen zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria. Die deutsche Industrie, die einmal führend in der Tropenmedizin war, ist allerdings völlig ausgestiegen, derartige Medikamente werden nicht mehr hergestellt (zum Nachteil der Dritten Welt).

Eine wachsende Rolle spielt die Reisemedizin – reisemedizinische Beratung und Betreuung, Ausbildung der niedergelassenen Ärzte (weiterer Bedarf noch vorhanden). Wegen der Gefahr der Einschleppung von Infektionskrankheiten nach Europa wurde ein europäisches Netzwerk zur Erfassung und Erforschung derartiger Krankheiten gegründet, das TropNetEurop, mit 47 Mitgliedern (führende infektionsbiologische und tropenmedizinische Institutionen Europas). Diese überblicken ca. 63 000 Patienten pro Jahr, die sich mit importierten Infektionen vorstellen. Die Tropenmedizin befasst sich aber auch mit solchen Krankheiten wie Masern, die bei uns – dank der Impfungen – weitgehend zurückgedrängt werden konnten.

Infektionen im Magen-Darm-Trakt werden häufig unterschätzt

Sie werden häufig unterschätzt, sind sie doch nicht nur eine der häufigsten Todesursachen bei Säuglingen und Kleinkindern in der Dritten Welt, sondern auch in unseren Breiten durchaus relevant. So haben – neben Salmonellen, Campylobacter und Yersinien – in letzter Zeit zunehmend Erkrankungen durch Norwalk-ähnliche Viren zu Ausbrüchen vor allem in Altersheimen und Krankenhäusern geführt. Kleine Kinder, alte Menschen, Patienten, die Medikamente zur Unterdrückung der Immunabwehr erhalten, Krebspatienten, HIV-Infizierte – alle mit Störungen der Immunabwehr sind besonders gefährdet, da der Magen-Darm-Trakt eine wichtige Rolle im Immunsystem spielt.

Neben den akuten Auswirkungen können Magen-Darm-Infektionen auch längerfristige Komplikationen nach sich ziehen hämolytisch-urämisches Syndrom, reaktive Arthritis, die kaum von echtem Rheuma zu unterscheiden ist, schwere neurologische Erkrankungen mit Nervenschädigungen (Guillain-Barré-Syndrom), Magengeschwüre und -karzinome.

Bioterrorismus

Bei terroristischen Anschlägen kann der Einsatz biologischer Agenzien nicht restlos ausgeschlossen werden. Es wird vom sog. "dirty dozen = dreckiges Dutzend" gesprochen – Bakterien, Viren, Toxine, die in Frage kommen. Als aus seuchenhygienischer Sicht am gefährlichsten wird die Freisetzung von Pockenviren angesehen, denn die Pocken sind weltweit seit 25 Jahren ausgerottet, es wird nicht mehr geimpft, die Pockenviren sind leicht übertragbar, es gibt keine wirksame Behandlungsmöglichkeit, die Erkrankung verläuft zu einem Drittel tödlich.

Das Risiko der Pockenfreisetzung wird als sehr gering eingestuft, trotzdem bereitet sich die Bundesrepublik auf eine Impfung der gesamten Bevölkerung vor, die in einem entsprechenden Fall innerhalb von fünf Tagen nötig wäre. "Deshalb hat die Vorbereitung auf einen solchen Fall trotz seiner geringen Wahrscheinlichkeit einen hohen Stellenwert. Optimismus ist kein Ersatz für Planung", sagt der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Kurth.

Widersprochen wird ihm von Sucharit Bhakdi von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, der nicht an einen Großangriff auf Deutschland glaubt. Außerdem können wir uns nicht gegen alle Risiken schützen, die Terroristen werden etwas anderes tun, worauf keiner vorbereitet ist. Er meint, dass die Infektionskrankheiten in Deutschland falsch eingeschätzt werden – die geringen vorhandenen finanziellen Ressourcen werden falsch eingesetzt (BSE, Anthrax, Pocken), "banale" Infektionskrankheiten werden zu wenig beachtet. Wissenschaftler finden bei Politikern kaum Gehör, sie sind materiell abhängig und gezwungen, sich Modetrends anzuschließen.

In der Öffentlichkeit berichtet wird weniger über seriöse Ergebnisse als über Sensationen. Bürokratische Vorschriften und der Wunsch, alles unter Kontrolle zu haben, behindern nach Ansicht Bhakdis die Forschungsarbeit.

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