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- DAZ 15/2003
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Die Seite 3
Während der Landesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) Bayern provokativ einen weiteren Vertrag mit einer niederländischen Versandapotheke, der Europa Apotheek Venlo, geschlossen hat, um seine Versicherten auch von dort beliefern zu lassen (siehe Kommentar und Meldung in unserer Montagsausgabe Nr. 15 vom 7. April), setzt der niedersächsische BKK-Landesverband auf Kooperation mit den Apotheken. In diesem Bundesland ist am 1. April 2003 offiziell ein in Deutschland bisher einzigartiges Modell angelaufen: die BKK-Hausapotheke (siehe ebenfalls unsere Apotheker Zeitung Nr. 15, S. 8).
BKK-Patienten können sich bei einer Apotheke ihrer Wahl einschreiben und sie als ihre Hausapotheke wählen. Von dieser Apotheke werden sie dann intensiv betreut; das reicht bis hin ans Krankenbett. Außerdem erstellt die Apotheke ein Arzneimitteldossier, eine Art Arzneimittelkonto, in dem alle in der Selbstmedikation und auf Rezept erworbenen Arzneimittel erfasst werden, und wertet es nach bestimmten Gesichtspunkten aus. Die Apotheke erhält eine Vergütung von 5 Euro pro Quartal für das Führen des Dossiers. Die BKKs in Niedersachsen werben bei ihren Versicherten für dieses Modell, u. a. mit einem eigenen Logo, mit dem die teilnehmenden Apotheken – es sind bereits 280 – bereits von außen sichtbar darauf hinweisen können, dass sie dabei sind.
Auf der diesjährigen Interpharm in Hamburg, über deren Vorträge, Seminare und Foren wir in dieser Ausgabe ausführlich berichten, stand auch ein Seminar auf dem Programm, das den Teilnehmern Disease-Management-Programme (DMPs) nahe brachte. Wie Sie bereits aus vielen Veröffentlichungen dazu wissen, stellen nicht nur Gesundheitspolitiker die DMPs als moderne Versorgungsform heraus. Apotheken sind allerdings nicht zwangsläufig in solche DMPs involviert, einige Berufspolitiker bemühen sich jedoch darum, die Einbindung von Apotheken als sinnvoll und wichtig darzustellen.
Befürworter sehen in der Beteiligung der Apotheken an DMPs außerordentlich große Zukunftschancen für Apotheken. Und, wie auf dem Interpharm-Seminar klar wurde: die Mitwirkung von Apotheken in DMPs entspricht im pharmazeutischen Bereich weitgehend der pharmazeutischen Betreuung. Ziel ist demnach die systematische Erfassung und Optimierung der Arzneimittelanwendung zur Sicherung des Anwendungserfolges und zur Verbesserung der Lebensqualität. Bisher haben sich viele Apotheken – das müssen wir offen zugeben – noch schwer getan mit einer konkreten Umsetzung der pharmazeutischen Betreuung. Es liefen und laufen zwar seit über zehn Jahren zwar immer wieder Modellversuche in Sachen pharmazeutischer Betreuung, einzelne aktive Apotheken und Qualitätszirkel von Apotheken berichten stolz von ersten Umsetzungen und ihren Erfolgen – auf breiter Front jedoch kann der Kunde X, der in die Apotheke Y geht, noch nicht damit rechnen, dass dort pharmazeutische Betreuung kompetent praktiziert wird (von kleiner Basisbetreuung mal abgesehen). Zum Teil war und ist das natürlich auch auf fehlende oder noch nicht ausgereifte Software zurückzuführen, die für das Führen eines Arzneimitteldossiers unabdingbar ist. Das Hausapotheken-Modell kann hier jedoch eine Schubwirkung entfalten und auch als ein konkreter Einstieg in die DMPs angesehen werden. Zumal vor allem dann, wenn auch noch ein (bescheidenes) Honorar für die apothekerliche Tätigkeit im Rahmen der Betreuung bezahlt wird.
Ich bin davon überzeugt, dass solche im weitesten Sinne betreuenden Tätigkeiten des Apothekers unsere Zukunft sind. Die Zeit der Arzneimittelherstellung ist lange vorbei, das hat die Industrie übernommen. Die Zeit, in der die Gesellschaft eine umfassende Arzneimittellagerung, eine ausgefeilte Distribution und begleitende Abgabehinweise zur Anwendung der Arzneimittel honorierte, geht gerade zu Ende. Diese Aufgaben gehören heute zu den "basics" einer Apotheke. Die Gesellschaft weist uns einen neuen Platz im Gesundheitswesen zu – und der liegt für uns eindeutig in Richtung umfassender pharmazeutischer Betreuung. Der Apotheker ist derjenige, der nicht nur dafür verantwortlich ist, dass der Patient sein Arzneimittel ordnungsgemäß erhält, sondern der sich – einfach ausgedrückt – auch darum "kümmert", dass er es richtig einnimmt, mit allen Folgen. Das zeigt in Richtung Therapiebegleitung und Therapieüberwachung, wenn es sein muss bis ans Krankenbett.
Zu dieser "neuen" Richtung unseres Berufs, bei der die Klinische Pharmazie und Kenntnisse in der Pharmakotherapie eine zentrale Rolle spielen, gehört es auch, sein Wissen ständig auf dem Laufenden zu halten und zu aktualisieren. Wer auf der Interpharm dabei war, hat das Beste dafür getan.
Peter Ditzel
Die Hausapotheke ist da
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