DAZ aktuell

Thüringer Apothekertag: Bewährte Strukturen erhalten, nicht zerstören!

MEININGEN (ri). Schon mit dem Motto "Das Arzneimittel, eine Ware mit besonderem Charakter!" signalisierten die Landesapothekerkammer Thüringen zusammen mit dem Thüringer Apothekerverband eine besorgte und zugleich warnende Haltung in Richtung Politik. So erklärte der Präsident der Landesapothekerkammer, Dr. Egon Mannetstätter anlässlich des 7. Thüringer Apothekertages am 5. und 6. April in Meiningen, dass mit den Thüringer Apothekerinnen und Apothekern "die Einführung des Versandhandels und die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes beim Betreiben von Apotheken nicht zu machen sei."

Der Kammer-Präsident erinnerte daran, dass sich die Arzneimittelversorgung gleichermaßen am Gemeinwohl und an heilberuflichen Grundsätzen orientieren müsse. Mannetstätter forderte die politisch Verantwortlichen dazu auf, bei den geplanten Reformvorhaben den besonders beratungs- und schutzbedürftigen Charakter des Arzneimittels, aber auch die heilberufliche Kompetenz des Apothekerberufes stärker zu berücksichtigen.

Neues Honorar-Modell

Die Thüringer Apotheker und Apothekerinnen unterstützen den Vorschlag, die apothekerlichen Erlöse künftig nicht mehr allein vom Arzneimittelpreis abhängig zu machen. Stattdessen sollte sich die Apothekerhonorierung künftig aus einer preisabhängigen und einer preisunabhängigen Komponente (Beratung) zusammensetzen. Bei etlichen Apothekern kursieren allerdings Befürchtungen, wonach diese Beratungsleistungen als starre Größe nicht den notwendigen Dynamisierungsprozessen (z. B. steigende Lebenshaltungskosten) angepasst werden. Weiterhin unterstützen die Thüringer Apotheker das bundesweit geplante Hausapothekermodell, durch das eine fachkundige Versorgung und Beratung bis an das häusliche Krankenbett gewährleistet werden soll.

Eröffnet wurde der Thüringer Apothekertag durch Dr. Helmut Wittig, Vorsitzender des Apothekerverbandes. Nach der Begrüßung der Gäste zitierte Wittig im Hinblick auf den besonderen Stellenwert des Arzneimittels zwei sehr gut zur Diskussion passende Aussagen des Bundespräsidenten Johannes Rau, der darauf hingewiesen hatte, dass die Menschen zwar immer besser über den Preis einer Sache Bescheid wüssten, gleichzeitig aber immer weniger den Wert dieser Sache einordnen könnten. Mit einem weiteren Zitat des Bundespräsidenten, der zu bedenken gab, dass Wettbewerb stattfinden solle, aber nicht immer zu unser aller Nutzen sei, betonte Wittig, dass Arzneimittel keiner sonstigen Ware vergleichbar seien, sondern es sich dabei um eine "besondere Ware" handle. Diese Tatsache werde den Menschen häufig erst dann bewusst, wenn sie von einer akuten Gefahr, wie beispielsweise der Ausbreitung der Tuberkulose oder der Lungenkrankheit SARS, bedroht seien.

Dem Totschlagargument, dass die Arzneimittelkosten immer weiter ansteigen würden, begegnete der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes mit dem Hinweis, dass insbesondere auch bei dem ansteigenden Lebensalter der Menschen die Arzneimitteltherapie die preisgünstigste Therapie sei.

Apotheken-Verkauf per Postwurfsendung

Mit den Worten "die Geier kreisen schon" beschrieb Wittig die Folgen des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG). Es sei klar, dass die Apotheken hierbei die Hauptlast zu tragen hätten, und mit diesem Gesetz auch Folgeschäden für die Gesellschaft in Form von Arbeitsplatzverlusten und Steuerausfällen entstünden. "Dank" dieses Gesetzes sei selbst der Verkauf von Apotheken mit Schwierigkeiten verbunden. Ihm seien sogar Fälle bekannt, wonach per Postwurfsendung Apothekenverkauf- und Insolvenzabwicklungen angeboten worden sind.

Als Beispiel für detaillierte Schäden, die durch das BSSichG entstehen können, zitierte Wittig die vom Rechenzentrum ARZ Darmstadt für den Monat Januar bekannt gegebenen Zahlen. So wird das totale Ausfallrisiko (beispielsweise durch zu spät eingegangene Zahlungen) mit 70 000 Euro beziffert. Die derzeit kalkulierte Ausfallsumme hochgerechnet auf alle Rechenzentren beträgt 350 000 Euro. Der Zinsausfall wird mit rund 100 000 Euro veranschlagt.

Wittig kritisierte, dass die Abgeordneten im Zusammenhang mit dem BSSichG nicht richtig informiert wurden. Allerdings sei "die Problematik, die mit diesem Gesetz verbunden ist, aufgrund etlicher Gespräche mit Abgeordneten verschiedenster Parteien nun so langsam klar geworden." Positiv bewertete der Verbands-Vorsitzende die Aussagen der Gesundheitspolitiker Seehofer (CSU) und Thomae (FDP), die anlässlich des außerordentlichen Apothekertages in Berlin versichert hatten, dass mit ihnen weder der Versandhandel eingeführt, noch das Fremd- und Mehrbesitzverbot fallen werde.

Neue Player ins System?

Im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen-Modernisierungsgesetz (GMG) und der angekündigten Strukturreform äußerte Wittig die Vermutung, dass es dabei im Kern gar nicht ausschließlich um eine Absenkung der Kosten und eine bessere Versorgung der Patienten gehe, sondern die Macht hin zu neuen Playern aus dem Umfeld des Gesundheits- und Wellnessmarktes umgeschichtet werden solle. Auch der vielzitierte Spruch, wonach für die gesetzlichen Krankenkassen ein Rollenwechsel vom Payer zum Player anstünde, wurde von Wittig aufgegriffen.

Vor dem Hintergrund des zwischen Hexal und der AOK ausgehandelten Rabattmodells und der integriertenVersorgung befürchtete er, dass damit langfristig der Einstieg in einen Vertragswettbewerb vollzogen und die Kassen ohne die Apotheken künftig möglicherweise selbst die Versorgung der Versicherten "betreiben" werden. Ebenfalls als still drohende Gefahr stufte der Verbands-Vorsitzende eine mögliche zusätzliche Versorgung mit Arzneimitteln durch die Krankenhäuser ein. Zum Thema Versandhandel wies Wittig unter anderem darauf hin, dass ein Call-Center den Kontakt zwischen Patient und Arzt bzw. Apotheker niemals ersetzen könne.

Das "Schweineschnitzel-Kriterium"

Im Anschluss an diese Rede bedankte sich der Minister für Soziales, Familie und Gesundheit des Freistaates Thüringen, Dr. Frank-Michael Pietzsch, bei Pharmazieräten und Apothekenkammern dafür, dass sie eine hohe Qualität der Versorgung garantieren. Vor dem Hintergrund des BSSichG gab er zu bedenken, dass mit dem "Herumschrauben an einzelnen Stellen das ganze System in eine Schieflage" gerate. Es könne auch etwas nicht stimmen, wenn Ministerin Künast dafür Sorge tragen möchte, dass "bei jedem Schweineschnitzel die Betriebswege nachvollziehbar" sein müssten, während dies bezüglich der Arzneimittel beim Versandhandel nicht der Fall sei und somit auch die Gefahr eines grauen Marktes entstünde. Außerdem befürchtete der Minister, dass unter den Stichworten Versandhandel und Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots der Einstieg in ein staatlich geleitetes Gesundheitssystem vorbereitet werde. Der Kritik am BSSichG schloss sich auch Landrat Ralf Luther an.

Ossi-Erinnerungen

Grüße aus Sachsen überbrachte der Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer Hans Knoll. Der Kammer-Vertreter beklagte, dass aufgrund der verfehlten Politik bei allen Rentenversicherern, so auch beim sächsisch-thüringischen Apothekerversorgungswerk ein fallendes Zinsniveau registriert werde. Knoll warnte davor, bei den Bemühungen um Einsparungen im Arzneimittelsektor ein Preisdumping zu provozieren und somit die erhöhte Gefahr von Arzneimittelfälschungen in Kauf zu nehmen. So sei derzeit eine Klage der USA gegen Kanada in Vorbereitung, um die Einfuhr der billigeren Arzneimittel aus Kanada abzuwehren. Dazu Knoll: "Willkommen im Klub". An die Adresse der Regierung gerichtet beklagte Knoll, dass er sich "als Ossi schon lange nicht mehr so fremdbestimmt und hilflos gefühlt" hätte, als dies derzeit der Fall wäre. Dafür sei man zu DDR-Zeiten nicht zum Demonstrieren auf die Straße gegangen.

Politik als "Laiendrama"

Der Präsident der Thüringer Landesapothekerkammer, Dr. Egon Mannetstätter bezeichnete in seiner Rede die derzeitige Politik als "Laiendrama" und Ulla Schmidt "als Totengräberin" des bewährten Systems. Die Dramaturgen in diesem Laiendrama seien "zweifellos die Kassen". DocMorris sei lediglich ein "trojanisches Pferd" gewesen, um Rechtsunsicherheit zu provozieren.

Mit dem Nachweis der siebenprozentigen Reimportquote werde eine "bis zum Abwinken" aufgeblasene Bürokratie betrieben. Negativ wurde von ihm auch die Aut-idem-Regelung bewertet, die nichts als "Unsicherheit sowohl beim Arzt als auch beim Patienten" gebracht habe. Insgesamt sei das BSSichG eine "Tragödie für die Apotheken". Mannetstätter wies darauf hin, dass die Kammer im zweiten Halbjahr diesen Jahres deshalb massive Liquiditäts-Schwierigkeiten bei vielen Apothekern befürchtet. Einen ausführlichen Bericht vom 7. Thüringer Apothekertag lesen Sie in der kommenden DAZ.

Schon mit dem Motto "Das Arzneimittel, eine Ware mit besonderem Charakter!" signalisierten die Landesapothekerkammer Thüringen zusammen mit dem Apothekerverband Thüringen eine besorgte und zugleich warnende Haltung in Richtung Politik. So erklärte der Präsident der Landesapothekerkammer, Dr. Egon Mannetstätter, dass mit den Thüringer Apothekerinnen und Apothekern "die Einführung des Versandhandels und die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes beim Betreiben von Apotheken nicht zu machen" sei.

Ehrungen und Personalien

Insbesondere für ihre Leistungen beim Aufbau des freien Apothekenwesens nach der Wende wurden der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, Dr. Helmut Wittig, und der Vorsitzende der Landesapothekerkammer Thüringen, Dr. Egon Mannnetstätter anlässlich des 7. Thüringer Apothekertages mit der Johann Bartholomäus Trommsdorff-Medaille ausgezeichnet. Beide Preisträger zeigten sich sehr erfreut. Wittig sprach davon, dass es schön sei, "schon zu Lebzeiten" eine solche Auszeichnung zu erhalten.

Nachdem Professor Dr. Herbert Oelschleger im Februar dieses Jahres mit dem Thüringer Verdienstorden ausgezeichnet wurde, gratulierten ihm nun die Apotheker dazu. Der Professor, der ursprünglich im Rahmen der "Aufbauhilfe Ost" von Frankfurt nach Jena gekommen war, bedankte sich mit den Worten "ich bin ein Thüringer" und rief die Schwierigkeiten der Neueröffnung des pharmazeutischen Instituts in der Friedrich-Schiller-Universität, Jena, in Erinnerung. Er berichtete auch von dem nun vorgenommenen, zusätzlichen Neubau des Institutes, mit dessen Bau ab 2004 begonnen wird. Der Einzug ist für 2006 geplant. Unter der eine Dekade umspannenden Führung von Institutsleiter Oelschleger belegte das Institut bei entsprechenden Rankings mehrmals den ersten Platz.

Der Apothekerkammer-Geschäftsführer Dr. Jörg Jakob verabschiedete sich nach eigenen Worten in den "Unruhestand", die Nachfolge tritt Apotheker Dany Neidel an.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.