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Praxis
Kosmetikherstellung in der Apotheke Teil 4: Rezepturen, Herstellungsverfahren un
Rezepturen
Die Herstellung von Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken erfolgt entsprechend den in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) getroffenen Regelungen. § 6 definiert die allgemeinen Vorschriften über die Herstellung und Prüfung. § 7 ApBetrO beschreibt die Einzelherstellung auf Verschreibung oder speziellen Kundenwunsch, § 8 ApBetrO die defekturgemäße Herstellung von Fertigarzneimitteln oder Arzneimitteln, die nicht als Fertigarzneimittel gelten, und § 9 ApBetrO die Großherstellung, sofern eine Chargengröße von hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag überschritten wird.
Arzneimittel sind nach den Vorschriften des Arzneibuchs (Europäisches Arzneibuch und Deutsches Arzneibuch) oder – sofern das Arzneibuch keine einschlägigen Vorschriften enthält – nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln herzustellen. Als weitere Standardwerke für Rezepturen sind der Deutsche Arzneimittel-Codex (DAC), Neues Rezeptur-Formularium (NRF) sowie ausländische Arzneibücher wie beispielsweise Pharmacopoea Helvetica (Ph. Helv.) oder United States Pharmacopeia (USP) zu benennen.
Die Kosmetikverordnung (KVO) hingegen benennt keine Limitierungen bezüglich der Mengen herzustellender kosmetischer Mittel. Auch bestehen für Kosmetikhersteller keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung bestimmter Rezepturen, sofern diese KVO-konforme Bestandteile enthalten und ansonsten weder gesundheitsschädlich sind noch Arzneimittelrecht tangieren. Für den Apotheker, der in seinen Betriebsräumen eine Kosmetikfertigung unterhält, resultiert aus der Apothekenbetriebsordnung jedoch die Einschränkung, dass die Herstellung nicht ein Ausmaß annehmen darf, welches seiner gesetzlichen Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuwiderläuft.
Jedoch sollte die Tatsache, dass das Kosmetikrecht keine (behördlich) normierten Rezepturvorgaben fordert, nicht zu der Annahme verleiten, dass kosmetische Rezepturen prinzipiell "unwissenschaftlicher" formuliert wären als pharmazeutische Präparationen. Es sind vergleichbare technologische Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, um in beiden Produktsparten ausreichende "Wirksamkeit", Unbedenklichkeit und Qualität zu gewährleisten. Die Erfüllung dieser Kriterien setzt ein fundiertes Wissen hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Grundlage, Emulgatorhilfsstoffen, kosmetischen Wirk-, Parfümierungs- und Konservierungsstoffen und der (intakten) Haut voraus. So verwundert es nicht, dass zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsabteilungen renommierter Kosmetikhersteller Pharmazeuten beschäftigen.
Kosmetische Rezepturen weisen teilweise sehr komplexe Zusammensetzungen auf und müssen eine der deklarierten Haltbarkeit angemessen hohe Stabilität der Formulierung aufweisen. Überschreitet die vom Hersteller postulierte Mindesthaltbarkeit eines Präparates 30 Monate, kann der Hersteller auf die Angabe eines Haltbarkeitsdatums gänzlich verzichten. Für ein solches Präparat schreibt die aktuell veröffentlichte 7. Änderungsrichtlinie der EU-Kosmetik-Direktive hingegen die explizite Angabe der Aufbrauchfrist vor. Diese rechtliche Bestimmung erscheint jedoch inkonsequent, da damit die aus Verbraucherschutzgründen wichtige Information der gesicherten Verwendbarkeitsdauer entfällt.
Der kosmetikherstellende Pharmazeut hat mehrere Möglichkeiten, an Rezepturdaten zu gelangen. Galenisch entsprechend versierte Apotheker werden eigene Rezepturen entwickeln oder bereits existierende Rezepturen modifizieren. Alternativ können kosmetische Nachschlagewerke (z. B. Handbücher der Kosmetologie, Produktbroschüren von Rohstoffherstellern) ausgewertet werden, sofern die dort aufgeführten Rezepturen nicht rechtlich geschützt sind. Darüber hinaus sind Rezepturdaten auch käuflich erhältlich. Sie werden von Lohnherstellern oder wissenschaftlichen Instituten entwickelt und gehen gegen Bezahlung in das Eigentum der Auftraggeber über.
Die Wahl einer Rezeptur richtet sich maßgeblich nach der beabsichtigten Zweckbestimmung bzw. bei kurativer Kosmetik nach der beabsichtigten kosmetischen Wirkung. Für die Apothekenherstellung ist hierbei zu beachten, dass die gewählten Rezepturen zu kosmetischen Fertigprodukten führen müssen, die noch ein Minimum an pflegenden Eigenschaften aufweisen. Eine Tagescreme beispielsweise soll die Gesichtshaut durch die Zufuhr und Bindung von Feuchtigkeit vor dem Austrocknen bewahren. Es werden daher meist O/W-Emulsionen eingesetzt, die rasch in die Haut einziehen und keinen nennenswerten Fettglanz hinterlassen. In der Regel werden Feuchthaltefaktoren wie z. B. lösliches Kollagenhydrolysat oder Mucopolysaccharide zugesetzt. Vitamine, Pflanzenextrakte und Lichtschutzsubstanzen dienen der Protektion vor Schädigungen durch Umwelteinflüsse.
Eine völlig andere Zusammensetzung hingegen wird ein Präparat aufweisen, das neben der Hautpflege auch der Abwehr von Insekten dient. Derartige Repellents können in Form von Lösungen, Sprays, Stiften, Gelen, Cremes oder Lotionen hergestellt werden. Sie enthalten olfaktorisch wirksame Abwehrstoffe, die synthetischen (z. B. Dibutylphthalat, N,N-Diethyl-m-toluamid) oder natürlichen Ursprungs (z. B. Campher, Eukalyptusöl, Zedernöl) sein können. Speziell der gezielte und weit verbreitete Einsatz von geruchsgebenden Stoffen und Stoffgemischen (und natürlich auch Farbstoffen) begründet einen maßgeblichen Unterschied zu pharmazeutischen Formulierungen, die unparfümiert anzufertigen sind, sofern sie zur Anwendung auf verletzter Haut, auf Schleimhäuten oder auf Wunden bestimmt sind. Während über Jahrzehnte hinweg der Einsatz von Geruchsstoffen und Duftkompositionen im kosmetischen Sektor kaum Regularien unterworfen war, zeichnet sich nun deutlich das Bestreben der EU-Behörden ab, den Einsatz parfümierender Bestandteile an toxikologischem Erkenntnismaterial auszurichten.
Nicht nur in der Pharmazeutischen, sondern auch in der Kosmetischen Technologie haben mehrere "Standardwerke" den Versuch unternommen, eine auf galenischen Kriterien basierende Klassifizierung gängiger Präparationen vorzunehmen. Doch hier wie dort existiert für die Bezeichnung vieler halbfester Zubereitungen nach wie vor keine international einheitliche Sprachregelung. Eine durchgängige Klassifizierung im kosmetischen Bereich wird durch die Vielzahl und Vielfalt unterschiedlicher Grundstoffe erschwert. Beispielhaft sollen zwei relativ komplex zusammengesetzte Rezepturen präsentiert werden (s. Pflegende Make-up-Creme, After-Sun-Lotion).
Leider finden sich in der kosmetischen Literatur kaum Angaben zu Stabilität, Haltbarkeit und physiologischer Verträglichkeit von Rezepturen. Auch ist das Fehlen valider Daten zur adäquaten Langzeitkonservierung von wasserhaltigen Zubereitungen zu kritisieren. Als mikrobiell gefährdet gelten insbesondere O/W-Emulsionen mit einem hohen H2O-Anteil in der äußeren Phase. Kosmetische Produkte, die oxidationsempfindliche Inhaltsstoffe wie beispielsweise ungesättigte lipophile Verbindungen enthalten, sind durch den Zusatz von Antioxidanzien vor Fettverderb (Ranzidität) zu schützen.
Aufgrund einer leider oft unzulänglichen Datenlage bleibt es letztlich dem kosmetikherstellenden Apotheker überlassen, sich durch Literaturrecherchen oder – besser – Laborversuche von einer ausreichenden Lager- und Anbruchstabilität zu überzeugen oder diese ggf. durch stoffliche Modifikationen zu erzielen.
Herstellungsverfahren
Die Herstellungsabläufe sind gemäß den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis von kosmetischen Mitteln zu planen. Die zu Produktionszwecken herangezogenen Maschinen und Anlagen müssen für die anstehenden Aufgaben geeignet sein. Der Nachweis der Eignung sollte idealerweise vom Anlagen- und Maschinenhersteller durch Qualifizierungs- und Validierungsmaßnahmen erbracht werden, auch wenn KVO und Kosmetik-GMP-Leitlinien dies nicht explizit vorschreiben. Die von Kosmetikherstellern ausgewählten technischen Anlagen arbeiten häufig nach den gleichen Prinzipien wie die in der Pharmazie eingesetzten Gerätschaften.
Vor Herstellungsbeginn ist darauf zu achten, dass alle benötigten Rohstoffe einschließlich Begleitdokumentation bereitstehen und die erforderlichen Maschinen in sauberem und funktionstüchtigem Zustand sind. Nach Herstellungsende sind alle verwendeten Ausgangsstoffe (einschließlich Verpackungs-, Etikettierungsmaterialien und Ausschuss) zu entfernen, um Untermischungen im Zuge sich anschließender (ggf. arzneilicher) Herstellungsvorgänge vorzubeugen.
Sämtliche Herstellungsschritte sollten anhand detaillierter und ggf. arbeitsplatzbezogener schriftlicher Anweisungen, die rechtzeitig vor Produktionsbeginn erstellt wurden, nachvollziehbar sein. Alle kritischen Prozessschritte – zum Beispiel Einwaagen, Mischreihenfolge und Kontrolle wichtiger Parameter (Zeit, Temperatur, Druck usw.) – sind von den durchführenden Mitarbeitern im chargenbezogenen Herstellungsprotokoll lückenlos zu dokumentieren, sofern die Protokollierung nicht bereits maschinell erfolgt. Die für die Kosmetikherstellung verantwortliche Person sollte die Protokolle abschließend einsehen und – im Idealfall – die gefertigte Produktcharge per Unterschrift zum Inverkehrbringen freigeben.
Einer möglichen mikrobiellen Verunreinigung von kosmetischen Produkten ist im Zuge der Herstellung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Nicht nur aus rein ethischer oder behördlicher Sicht sind aufgetretene mikrobiologische Qualitätsprobleme als äußerst problematisch einzustufen. Sie führen konsequenterweise auch zu reduzierten Abverkaufszahlen oder vermehrten Retouren und können sogar Anlass für Rückrufaktionen sein, die das Image des Kosmetikherstellers zu schädigen vermögen. Im Apothekenlaboratorium auftretend können sie zudem zu einer Sekundärverunreinigung pharmazeutischer Präparationen im Rahmen der Rezeptur und Defektur führen.
Bei der Planung von Herstellungsvorgängen sollte sich die verantwortliche Person deshalb ausführlich Gedanken über die bestmögliche Reinigung und Desinfektion der technischen Anlagen und der Betriebsräume machen. Bei der schriftlichen Festlegung der Herstellungsabläufe sind Anweisungen zur Durchführung von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen mit einzubinden. Darüber hinaus empfiehlt sich die separate Erstellung eines (produktionsortbezogenen) Hygieneplans, der auch auf die Schnittstellenproblematik Kosmetikproduktion – Arzneimittelherstellung in den Apothekenbetriebsräumen Bezug nimmt.
Lagerung
Bereits in Folge 3 wurde beschrieben, dass kosmetische Ausgangsstoffe getrennt von pharmazeutischen Ausgangsstoffen zu lagern sind. Diese Vorgehensweise resultiert aus der Bestimmung des § 16 (1) ApBetrO, "Arzneimittel, Ausgangsstoffe, apothekenübliche Waren und Prüfmittel (...) so zu lagern, dass ihre Qualität nicht nachteilig beeinflusst wird und Verwechslungen vermieden werden". Entsprechendes gilt sinngemäß für Zwischenprodukte, sofern sich diese nicht direkt im Herstellungsprozess befinden.
Die Einhaltung der Bestimmung setzt ein wohl durchdachtes Ordnungsprinzip voraus, welches für Ausgangsstoffe i. d. R. eine nach Art und Größe alphabetisch geordnete Aufbewahrung/Lagerung in einem bestimmten Teilbereich der Apotheke vorsieht. Sie verpflichtet ferner zur konsequenten Anwendung eines Kennzeichnungssystems, welches die Unterscheidung zwischen kosmetischen und pharmazeutischen Ausgangsstoffen ermöglicht und eine sofortige Aussage über deren Verwendbarkeit (Kennzeichnung: "In Quarantäne", "Freigegeben" oder "Gesperrt") zulässt.
Zur ordnungsgemäßen Umsetzung dieser zahlreichen Einzelaspekte wird der kosmetikherstellende Apotheker ausreichend dimensionierte, hygienisch einwandfreie, für pharmazeutische und kosmetische Ausgangsstoffe getrennte Lagerbereiche bereitstellen und – nach Feststellung der erforderlichen (kosmetischen oder pharmazeutischen) Qualität – für einen verwechslungs- und untermischungsfreien Materialfluss aus dem Quarantänelager in den eigentlichen Herstellungsbereich Sorge tragen.
Bei Platzproblemen ist eine Lagerung kosmetischer Ausgangsstoffe außerhalb der Apothekenbetriebsräume in Betracht zu ziehen. Bei der Rückführung ausgelagerter Waren in die Apothekenbetriebsräume ist auf ausreichende Sauberkeit der Transport- und Umverpackungen zu achten, um nicht beispielsweise Ungeziefer und Kontaminationskeime in den Produktionsbereich einzuschleppen. Ein großes hygienisches Problem stellen in diesem Kontext Holzpaletten dar, die von zahlreichen Speditionsfirmen zur Anlieferung größerer Gebindeeinheiten genutzt werden und aus Bequemlichkeitsgründen gerne bis in die Produktionsräume verbracht werden, obwohl dies gemäß GMP nicht zulässig ist.
Auch die in der Apotheke hergestellten kosmetischen Fertigprodukte dürfen "außer Haus" gelagert werden. Eine Auslagerung ist speziell dann zu empfehlen, wenn große Mengen an produzierten Kosmetika die vorhandenen Lagerflächen innerhalb der Apotheke in Beschlag nehmen und die vorrangig gebotene Übersichtlichkeit bei der Lagerung von Fertigarzneimitteln zu beeinträchtigen drohen. Während bei pharmazeutischen Erzeugnissen die speziellen Lagerungshinweise des Arzneibuchs verbindlicher Beachtung bedürfen, sind für kosmetische Ausgangs-, Zwischen- und Endprodukte außer den in den Kosmetik-GMP-Leitlinien ausgesprochenen, recht allgemeinen Empfehlungen zur Lagerung keine normierten Aufbewahrungsbedingungen vorgeschrieben.
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