Berichte

Christen in der Pharmazie: Wellness – ein säkularer Körperkult?

In unserer Zeit ist es durchaus üblich geworden, mit Glaubensüberzeugungen zu heilen. Viele Methoden aus dem fernöstlichen oder esoterischen Hintergrund können an diesbezüglichen Überzeugungen bei dem Patienten anknüpfen. Zu den Hintergründen und der Ideologie von Wellness-Angeboten referierte Dr. Michael Utsch auf der 11. Fachtagung der Gruppe "Christen in der Pharmazie" (einer Fachgruppe der Akademiker-SMD) in Kaub am Rhein.

In seiner differenzierten Auseinandersetzung wies Utsch darauf hin, dass es viele wichtige und sinnvolle Gründe gibt, sich zu entspannen, Stress abzubauen, sich verwöhnen zu lassen oder auch mal wieder körperliche Belastungsgrenzen auszuloten sowie Puls und Herzschlag zu spüren. Unsere oft einseitige Berufstätigkeit ohne körperlichen Ausgleich rufe geradezu nach sportlicher Betätigung.

Schädliches "Körpertuning"

Andererseits warnte Utsch vor einer Überhöhung der Wellness-Bewegung zur Ideologie. Subjektives körperliches, geistiges und seelisches Wohlbefinden, wie es der Begriff "Well-being" in Analogie zum WHO-Gesundheitsbegriff ausdrückt, lasse sich durch zusätzliche Fitness nicht grenzenlos steigern zu einer noch höheren Qualität. Daher stehe Wellness (als Wortneuschöpfung aus Well-being und Fitness entstanden) in der Gefahr, die Körperlichkeit einseitig bis hin zu einem regelrechten "Körpertuning" zu instrumentalisieren und damit der Gesundheit eher zu schaden als zu nützen.

Weil in der Postmoderne rationale und moralische Gewissheiten weitgehend geschwunden sind, benutzen viele das eigene Körpererleben als Medium der Selbstvergewisserung, so Utsch. Vielfach ist es dann nicht mehr weit bis zum Körperkult. Die abgöttische Verehrung des Körpers übersieht aber den natürlichen Alterungsprozess, seine Schwäche, Ruhe- und Schutzbedürftigkeit, seine Verletzlichkeit und insbesondere seine Vergänglichkeit. Körperkulte bedrohen daher unsere Leiblichkeit.

Diese Tendenz wird mittels der Werbung noch verstärkt, wo utopische Schönheitsideale als Norm dargestellt werden. Oftmals kann sich die menschliche Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, Zuwendung und Liebe nur noch körperlich mitteilen. Die "Ware" Schönheit entstellt den Körper, weil er dadurch dem gesellschaftlichen Schönheitsdiktat unterworfen wird und der Mensch seiner Einzigartigkeit beraubt wird. Je mehr Körperdesign wir betreiben, desto weniger können wir unsere Kreatürlichkeit akzeptieren und genießen, so Utsch.

Mehr Ausgewogenheit und Balance

Seine Beobachtungen schöpft Dr. Utsch aus seiner Arbeit als Referent für den Psycho- und Gesundheitsmarkt bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin (www.ezw-berlin.de). Kritisch sieht er die zum Teil starke Beeinflussung durch esoterische Anschauungen. Selbst an sich weltanschaulich neutrale Techniken werden vereinnahmt und dazu benutzt, esoterische Glaubensüberzeugungen zu verbreiten.

Utsch rät vielmehr zu Ausgewogenheit und der richtigen Balance zwischen Überbetonung und Vernachlässigung des Körpers. Angebote sollten ob ihrer Versprechen realistisch beurteilt werden. Mit Sicherheit kann der Genuss eines Kräutertees nicht die "perfekte Harmonie" im Menschen bewirken, wenngleich der Name das suggeriert. Wellness-Angebote sollten insbesondere auf ihre weltanschauliche Neutralität hin begutachtet werden. Setzt die Methode für ihre Wirksamkeit Glaubensüberzeugungen voraus, dann ist Vorsicht geboten. Das wird auch durch Versuche, esoterisches, fernöstliches und christliches Gedankengut zu vermengen, nicht besser.

Christliche "Wellness-Angebote"

Utsch ermutigte dazu, auch christliche "Wellness-Angebote" zu propagieren. Gelassenheit, Geborgenheit und die befreiende Wirkung von vergebener Schuld können sehr positive körperliche Auswirkungen haben, was zahlreiche amerikanische Studien belegen würden. Immer wieder sollte jeder regelmäßig prüfen, so empfahl er den Teilnehmern, ob das eigene "Leben im Lot ist", Überzeugungen und körperliche Ausstrahlung stimmig sind oder ob der berufliche Stress und mangelnde körperliche Fitness ihre negativen Folgen zeigen. In Gesprächsrunden und thematischen Einheiten zur "Ganzheitlichkeit des Menschenbildes" und konkreten "Hilfen zur Gelassenheit" wurde diese deutschlandweite Tagung inhaltlich abgerundet.

Die nächste Fachtagung der Gruppe "Christen in der Pharmazie" findet vom 19. bis 21. März 2004 in Marburg statt. Nähere Informationen zu bisherigen Tagungen sind im Internet unter www.pharmazie.smd.org zu finden (Kontakt per E-Mail: pharmazie@smd.org).

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.