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Sozialreformen: Sonderparteitag der SPD zum Reformpaket
Doch Bundesgesundheitsministerin Ulla bemüht sich redlich, ihre Parteifreunde nicht allzu sehr zu verschrecken. Das Krankengeld soll zumindest in der solidarischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bleiben – mag auch die Parität fallen. Derzeit heißt es, 0,3 Prozent des Bruttoeinkommens sollen künftig für die Absicherung des Krankengeldes fällig werden.
Die forschen Vorschläge der Rürup-Kommission, die für einigen Schrecken sorgten, stutzt Schmidt ebenfalls im Sinne einer "sozialen Balance" zusammen: Die Praxisgebühr von 15 Euro soll nicht bei jedem Arztbesuch fällig werden, sondern nur, wenn ein Facharzt ohne vorherige Konsultation eines Hausarztes aufgesucht wurde – dies soll die steuernde Wirkung hervorheben.
Auch die Zuzahlungen will die Ministerin nur bedingt ausweiten. Auf Ablehnung stößt insbesondere der Vorschlag der Kommission, die Zuzahlung für Zahnbehandlungen erheblich zu erhöhen. Bei Arzneimitteln könnten sie allerdings steigen, so etwa, wenn patentgeschützte Präparate verordnet werden, obwohl es preiswertere Alternativen gibt.
Einer Freigabe der Preise für Generika und dem Ausschluss nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimitteln aus dem GKV-Leistungskatalog steht Schmidt nicht gänzlich ablehnend gegenüber. Allerdings räumte eine Sprecherin ein, dass die Umsetzung des letzteren Vorschlags schwierig sein könnte. Zumindest müssten Ausnahmemöglichkeiten, etwa für Kinder oder chronisch Kranke, geschaffen werden.
Die Grünen sind von der Idee noch weniger angetan. Sie teilen die Befürchtung, dass der Zwang zur Zahlung aus eigener Tasche dazu führen könnte, dass vermehrt rezeptpflichtige und gefährlichere Wirkstoffe verschrieben werden.
Noch im Stadium des Arbeitsentwurfs
Noch will man sich im Ministerium nicht abschließend zu den Reformüberlegungen äußern. Das Paket ist noch nicht fertig geschürt, doch Spekulationen gibt es viele. In der Diskussion ist auch, bei Brillen und Fahrkosten zu sparen, wenngleich auch hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Der derzeit in Arbeit befindliche Gesetzentwurf habe im Moment das Stadium eines Arbeitsentwurfs auf der Fachebene, erklärte Schmidts Sprecherin Ende vergangener Woche. Er wurde aber noch nicht der Leitung zugeleitet und schon gar nicht von ihr gebilligt. Auf ein bestimmtes Einsparvolumen will sich das Ministerium ebenfalls noch nicht festlegen. Doch es wird an dem Ziel festgehalten, die Beitragssätze insgesamt auf deutlich unter 13 Prozent zu drücken.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte unterdessen die Union, die die Rürup-Vorschläge generell ablehnt. Der "Bild am Sonntag" (13. April) sagte er, die CDU/CSU habe sich somit in die Reihe der Reformgegner eingereiht, ohne eigene Vorschläge zu unterbreiten. Hundt steht vor allem hinter dem Vorschlag, das Krankengeld aus der paritätischen Finanzierung herauszunehmen.
Die sozialdemokratische Basis hat es geschafft: Am 14. April hat das SPD-Präsidium beschlossen, für den 1. Juni einen Sonderparteitag einzuberufen. Hier sollen sich die Genossinnen und Genossen entscheiden: Stimmen sie Gerhard Schröders "Agenda 2010", dem Reformfahrplan für die sozialen Sicherungssysteme zu, oder riskieren sie des Kanzlers Rückzug? Neben den angedachten Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Kündigungsschutz kritisieren viele Parteimitglieder auch den gesundheitspolitischen Kurs der Regierung, insbesondere was die Neuregelung beim Krankengeld betrifft.
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