Berichte

Gesellschaft für Dermopharmazie: Vom Molekül zur Zulassung

Im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) in Bonn veranstaltete die GD-Fachgruppe Dermatopharmakologie am 1. April 2003 ein Symposium über innovative Dermatika. Unter dem Titel "Vom Molekül zur Zulassung" wurden unterschiedlichste Aspekte der Wirkstoffsuche, der pharmazeutischen Technologie und der klinischen Prüfung dargestellt.

Prof. Dr. Hans-Christian Korting, München, der stellvertretende Vorsitzende der GD, beklagte die industriepolitische Entwicklung für Deutschland als Dermatologie-Standort. In den zurückliegenden zwanzig Jahren seien in Deutschland die Strukturen zur Entwicklung neuer dermatologischer Wirkstoffe verlorengegangen.

Solche Wirkstoffe würden jetzt vorrangig in den USA und in Japan entwickelt. Im deutschsprachigen Raum seien geeignete Strukturen noch in der Schweiz und in Österreich zu finden. Doch habe er Hoffnung, dass die fehlenden Glieder der pharmazeutischen Entwicklungskette sich auch in Deutschland wieder ansiedeln würden.

Chancen durch Gentherapie ...

Dr. Andreas Goppelt, Neuried, erläuterte das Potenzial der Gentherapie für die Entwicklung neuer Arzneistoffe und verwies dazu beispielhaft auf die Wundheilung. Im Gegensatz zu klassischen Untersuchungen an Zellkulturen werden hier Gewebeproben von Gesunden und von Patienten mit chronischen Wunden verglichen, um interessante Zielstrukturen zu identifizieren. Im Verlauf der Wundheilung werden Hunderte von Genen aktiv, die zu 85 Prozent zwischen Mensch und Maus übereinstimmen. Das Konzept zielt darauf, die entscheidenden Gene durch Gentransfer zu übertragen und so die Wundheilung zu fördern.

Dieser Ansatz lässt auch neue Zielstrukturen für ganz andere Indikationen erwarten. Denn die gesamte bisherige Entwicklung der Pharmazie zielt auf nur etwa 500 Gene, mittlerweile sind aber Zehntausende von potenziellen Targets bekannt. Die Gentherapie bietet einen universellen Ansatz, alle diese Gene anzusteuern und nicht nur ausgewählte Typen.

So erscheint auch eine neue Art von Kombinationstherapie denkbar, weil jedes einzelne Gen zur Bildung vieler Proteine führt, die dann als Kombination wirken. Im Gegensatz zur Zulassung von Kombinationspräparaten mit mehreren Wirkstoffen müsste hier aber nicht nachgewiesen werden, dass jedes gebildete Protein die Wirksamkeit verbessert, denn es würde nur ein Gen übertragen.

... und Biologicals

Eine weitere vielversprechende Option für neue Therapieansätze bietet die sehr heterogene Arzneistoffgruppe der Biomoleküle, die mit dem Schlagwort Biologicals zusammengefasst werden. Darunter werden rekombinante Proteine verstanden, die in immunregulatorische oder entzündungsvermittelnde Abläufe eingreifen. Zu den Biologicals zählen Interleukine, Interferone, monoklonale Antikörper und Fusionsproteine. Wie solche Substanzen auch in der Dermatologie zum Einsatz kommen können, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Sigbert Jahn, Ismaning, am Beispiel der Psoriasis.

Die Psoriasis wird inzwischen als kreuzreaktive, sterile Autoimmunerkrankung interpretiert, die durch T-Lymphozyten vermittelt wird.

Denkbare Wirkungsansätze für Biologicals wären,

  • die Aktivierung der T-Lymphozyten zu inhibieren,
  • pro-inflammatorische Zytokine zu blockieren,
  • pathogene T-Lymphozyten auszuschalten,
  • die gestörte Balance zwischen Th1- und Th2-Zytokinen wiederherzustellen oder
  • die Extravasation aktivierter T-Lymphozyten in die Haut zu verhindern.

Vergleichbare Ansätze könnten auch bei anderen T-Zell-vermittelten Erkrankungen wirksam werden.

Retinoide gegen Ekzeme

Dr. Maurice Zultak, Basel, berichtete über den Einsatz von Retinoiden in der Therapie von Ekzemen. Bisher gelten Ekzeme zumeist als Kontraindikation für Retinoide, zumal Ekzeme als unerwünschte Effekte einer Therapie mit Retinoiden auftreten können.

Dennoch wurden kürzlich in einigen kleineren Studien günstige Ergebnisse mit verschiedenen Retinoiden, wie beispielsweise Alitretinoin und Acitretinoin, bei Handdermatitiden erzielt. Mindestens eine Studie zeigte sogar eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Möglicherweise sind die Wirkungen durch immunmodulierende Effekte zu erklären.

Trägersysteme in Pharmazie und Kosmetik

Nach diesen Beispielen für neue Entwicklungen auf der Wirkstoffebene leitete Dr. Marcel Langenauer, Egerkingen (Schweiz), zu den pharmazeutisch-technologischen Entwicklungen über. Er verglich die Strategien der Vehikelauswahl bei der Herstellung von topischen Arzneimitteln und von Dermokosmetika.

Bei Arzneimitteln werden bevorzugt gut erforschte klassische Grundlagen eingesetzt. Nur wenn diese ihr Ziel nicht erreichen, kommen komplexere Zubereitungen in Betracht, wie Liposomen, Nanoemulsionen, -partikel oder -kapseln. Bei diesen Darreichungsformen sollte allerdings die Verträglichkeit kritisch hinterfragt werden, denn möglicherweise gelangen auch andere als die gewünschten Stoffe in die Trägersysteme und können dann zu Irritationen der Haut führen. Aufgrund der hohen Sicherheits- und Stabilitätsanforderungen weisen Vehikelsysteme bei Arzneimitteln lange Produktlebenszyklen auf.

Im Gegensatz dazu werden die Trägersysteme und die darin verarbeiteten Rohstoffe bei Dermokosmetika zumeist schnell ausgetauscht. Interessante Innovationen, die möglicherweise später auch für Arzneimittel genutzt werden können, sind daher zunächst eher auf dem Kosmetikmarkt zu finden.

Mit großen Trägern durch die Haut?

Viele innovative Trägersysteme bestehen aus Strukturen, die groß im Vergleich zum Durchmesser von Hautporen sind. Prof. Dr. Gregor Cevc, München, bezweifelt daher, dass solche Systeme die gesunde Haut überhaupt passieren und in tieferen Schichten ihre Wirkstoffe freisetzen können. Denn durch gesunde Haut können nur Substanzen bis zu einer Molmasse von etwa 300 Dalton diffundieren. Die Poren nennenswert auszuweiten, ist nicht möglich, ohne die Haut zu schädigen.

Als Alternative bieten sich nach Auffassung von Cevc selbstregulierende Träger an, die er als Transfersomen® patentiert hat. Diese Systeme sollen ihre Form der Umgebung anpassen und sind in einer Richtung leicht verformbar. Als Antriebskraft für die stark hydrophilen Systeme dient der Feuchtigkeitsgradient im Stratum corneum. Nach diesem Prinzip könnten sogar Träger in der Größenordnung von 1300 Dalton die Haut passieren. Nach der Passage sollen sie ihre ursprüngliche Gestalt wieder annehmen und so die enthaltenen Wirkstoffe unter die Haut transportieren.

Phospholipid-Gele

Nach Einschätzung von Dr. Julia E. Diederichs, Neuss, können intakte Liposomen nur geschädigte Haut durchdringen. Sie gab eine Übersicht über Rezepturen phospholipidhaltiger Gele, die zur Lösungsvermittlung und Penetrationsverbesserung eingesetzt werden, indem sie Liposomen oder niedermolekulare Komplexe mit den Arzneistoffen bilden. Nachteilig sind dabei oft die aufwändige Herstellung und der hohe Alkoholgehalt, der bei vielen Hautkrankheiten kontraindiziert ist.

Als Alternative stellte sie ein Phospholipid-Gel vor, bei dem der Anteil von Phosphatidylcholin in breiten Konzentrationsbereichen schwanken kann und Alkohol nur optional enthalten ist. Solche Zubereitungen sind bereits aufgrund ihres Trägers feuchtigkeitsspendend, trocknen die Haut nicht aus, fetten nicht, haften gut und bergen nur ein geringes Allergierisiko, da sie keine synthetischen Emulgatoren enthalten. Auch mit schwerlöslichen Arzneistoffen wie NSARs und Ubichinonen bleiben sie über mindestens sechs Monate stabil.

Prüfstrategie für Pimecrolimus

Die Vortragsrunde zum Themenkomplex der klinischen Prüfungen eröffnete Dr. Albrecht-Georg Schmidt, Basel. Er berichtete über Prüfstrategien für Ekzemmittel, die zu einem sehr großen Teil an Kindern angewendet werden sollen und daher auch an Kindern geprüft werden sollten.

Der topische Immunmodulator Pimecrolimus wurde im Rahmen eines weltweiten Studienprogramms in Phase III an mehr als 1000 Kindern und Kleinkindern getestet. Dabei wurde nicht nur die Wirksamkeit der Substanz, sondern zugleich eine neue Behandlungsstrategie für die atopische Dermatitis geprüft. Während topische Steroide als Standardbehandlung nur im akuten Krankheitsschub zum Einsatz kommen, wurde Pimecrolimus teilweise über mehr als sechs Monate angewendet und so die Schubfrequenz verringert.

Dermatologische Modelle

Dr. Andrea Schmidt, Hamburg, präsentierte Modelle für die Prüfung topischer Zubereitungen an Probanden. Im Unterschied zu anderen Zielorganen bietet die Haut einzigartige Möglichkeiten zum direkten Vergleich zwischen gesunden Probanden und Personen mit geschädigter Haut.

Tests an gesunden Probanden können bei einigen einfachen Zubereitungen oder Generika für eine Zulassung ausreichen. Beispiele sind der Saugblasentest als Wundheilungsmodell, der UV-Erythemtest für antiinflammatorische Substanzen und der Vasokonstriktionstest für Corticoide, die eine Vasokonstriktion der kleinsten Hautgefäße auslösen. Mit diesem Verfahren, das auch als Blanching-Test bezeichnet wird, kann die Bioäquivalenz von Corticoiden nachgewiesen werden, sofern die Rahmenbedingungen, wie Raumklima, Kaffeekonsum und Lagerung des Testarmes, sehr genau standardisiert werden.

Die Tests an symptomatischen Probanden dienen dagegen als "Proof of Concept"-Untersuchungen für neue Entwicklungen. Beispiele sind der Psoriasis-Plaque-Test und die Messung des transepidermalen Wasserverlustes und der Rötung bei atopischer Dermatitis.

Flexible klinische Studien

Dr. Dr. Wolfgang Greb, Neuss, stellte das Konzept flexibler klinischer Studien vor, mit dem der zeitliche und finanzielle Einsatz bei der Zulassung neuer Arzneimittel verringert werden soll. Der Ansatz beruht auf einer Kaskade von Interimsanalysen, nach deren Ergebnissen jeweils vorgeplante Variationen im Studienprogramm stattfinden.

So können bei Dosisfindungsstudien bald die Studienarme mit den unterlegenen Dosierungen geschlossen werden. Wenn die verbleibenden Studienarme mit zusätzlichen Probanden aufgefüllt werden, können die bereits ermittelten Daten für weitere Untersuchungen genutzt werden. In ähnlicher Weise lassen sich weitere Schritte optimieren, sodass typischerweise fünf Zwischenanalysen stattfinden. So wird die statistische Power der Studien erhöht und die Zahl der nötigen Probanden gesenkt. Wenn das Konzept vorher genau festgelegt würde, könnte theoretisch eine solche Studie ausreichen, um eine Zulassung zu erhalten.

Stattdessen würden die meisten Hersteller aber in ihren Studien meist zu viele Daten erfassen, die hinterher nicht ausgewertet werden könnten. Die große Pharmaindustrie verfolgt nach Einschätzung von Greb derzeit eher die Strategie, fragwürdige Substanzen schnell aufzugeben. Kleine Unternehmen würden dagegen in solche Substanzen zu viel Zeit investieren und damit die früher gemachten Fehler wiederholen.

Welcher Endpunkt zählt?

In seinem Schlusswort regte Dr. Karl-Heinz Nietsch, Bad Soden, an, in einem künftigen Symposium die Auswahl und Relevanz klinischer Endpunkte zu hinterfragen. Zulassungsbehörden in verschiedenen Ländern und Kontinenten stellen hierzu unterschiedliche Anforderungen. Veröffentlichte Studien zu ähnlichen Fragestellungen beziehen sich auf immer wieder andere Endpunkte und sind daher nicht vergleichbar. Konsens hinsichtlich der Endpunkte verspricht sowohl großen Erkenntnisgewinn beim Vergleich von Studien als auch schnellere und kostengünstigere Zulassungen.

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