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- DAZ 19/2003
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Die Seite 3
Weltoffen, fortschrittlich, "modern" – das sind Begriffe, die gemeinhin als positiv besetzt gelten. Also Begriffe, mit denen sich trefflich Politik machen lässt, mit denen man Absichten verschleiern, Ideologie kaschieren kann. Die Öffentlichkeit durchschaut das Spiel mit Worten oft nicht – oder viel zu spät. Insofern ist klar: Wer es wagt, gegen ein "Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitssystems" Front zu machen oder auch nur Einwände zu erheben, hat also zunächst einmal schlechte Karten; er sieht sich schnell in die Ecke der verknöcherten Ewiggestrigen gerückt. Er kann wohl nur von Lobbyisten gesteuert sein, die sich gegen "Wettbewerb", "Fortschritt" und "Modernisierung" stemmen.
Doch Vorsicht: Ist im Entwurf des "Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz" (GMG) wirklich drin, was draufsteht? Zweifel sind angebracht. "Mehr Wettbewerb – auch im Gesundheitswesen" steht zwar auf den Fahnen, die Ulla Schmidt und Gerhard Schröder schwenken. Sie genießen den Beifall der liberalen Wirtschaftspresse. Die merkt bislang aber offensichtlich nicht, dass oft eher eine Einschränkung von Wettbewerb und Wahlmöglichkeiten, dass eine Vermachtung zugunsten der Krankenkassen und die Bildung von Oligo- und sogar Monopolen auf der Leistungserbringerseite die Folgen sein werden, wenn die Vorhaben des GMG-Entwurfes Wirklichkeit würden.
Weniger Wahlmöglichkeiten für die Patienten und damit weniger Wettbewerb unter den Ärzten wird die Folge sein, wenn Patienten finanziell bestraft werden, falls sie nicht zuerst zum "Primärarzt" gehen. Auch die Absicht, die jetzt noch freiberuflichen niedergelassenen Fachärzte faktisch zur aussterbenden Spezies zu machen, indem die fachärztliche Versorgung teils an die Kliniken, teils an neue "Gesundheitszentren" verlagert wird, beschränkt unter dem Strich wohnortnahe Wahlmöglichkeiten – und damit auch den Wettbewerb.
Das sich abzeichnende Desaster mit dem großmauligen "Modernisierungsprojekt" der Fallpauschalen für den Krankenhaussektor, bei dessen Umsetzung man inzwischen Kostensteigerungen um 30% befürchtet, droht sich zu wiederholen. Die nachhaltige Schwächung der ambulanten fachärztlichen Versorgung durch Kliniken und Gesundheitszentren, die mit angestellten Ärzten arbeiten und auch von GmbHs und Klinikketten betrieben werden dürfen, wird dem Versicherten nicht nur längere Wege bescheren; es wird ihn auch teuer zu stehen kommen – auch wenn er sich zunächst durch einseitige Bonusregelungen (§ 62a) in diese Richtung locken lassen sollte.
Es liegt nah, dass die angestellten Fachärzte in den Kliniken und v. a. Gesundheitszentren von den Managern dieser Einrichtungen "ermuntert" und finanziell belohnt werden, wenn sie Patienten an ihre im gleichen Unternehmen arbeitenden Kollegen durchreichen. Diese Art der Gewinnmaximierung durch eine Versorgung "aus einer Hand" dürfte wesentlich teurer werden, als die eine oder andere Doppeluntersuchung, die bisher bei einer Überweisung aus der ambulanten Praxis an die Klinik anfiel (die aber als positiven Nebeneffekt auch eine Absicherung der Erstuntersuchung ermöglichte).
Mit den gleichen Methoden und getragen von der gleichen "Philosophie" (Ideologie) soll auch das Apothekenwesen "modernisiert" werden: Der Apotheker als Freiberufler wird faktisch abgeschafft, indem man ihm großzügig die Bildung einer (zunächst kleinen) Kette "ermöglicht". Versandapotheken, kettenartige Gebilde und letztlich Oligopole werden kaum verschleiert gefördert. Das geschieht nicht nur durch die Eliminierung gleicher Verbraucherpreise im OTC-Sektor.
Noch wichtiger ist die Absicht, im Rahmen der so genannten besonderen Versorgungsformen (u. a. Hausarztsystem [§ 67], Strukturverträge [§ 73a Abs. 1], Chroniker-Versorgung [§ 137f], integrierte Versorgung [§ 140a ff.], Versorgung durch Gesundheitszentren) von der Arzneimittelpreisverordnung abweichende Vertragspreise zwischen Krankenkassen auf der einen Seite und Versandapotheken bzw. einzelnen Apotheken auf der anderen Seite zuzulassen.
Diese Regelungen lesen sich wie ein Programm zur Förderung der Korruption, die man (vor diesem Hintergrund durchaus plausibel) verstärkt bekämpfen zu müssen glaubt (§ 47a, § 197a). Die Diskussion über die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung (über die sich trefflich streiten lässt) wird durch die vertraglichen Sonderregelungen zu einem gespenstischen Scheingefecht – gleichgültig ob sie sich auf die Vorstellungen des Gesetzentwurfes oder die Vorschläge der ABDA oder des Großhandelsverbandes PHAGRO stützt; denn all diese Vorstellungen beziehen sich, wenn der GMG-Gesetzentwurf voll Wirklichkeit würde, nur noch auf einen Teil- oder besser Restmarkt.
Auch aus Fehlern, die man nicht zugibt, kann man lernen. Hat dazu die Koalition die nötige Stärke?
Peter Ditzel
"Modernisierung" – wirklich?
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