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Arzneimittel und Therapie
Substitutionstherapie mit Nitraten: Stickstoffmonoxid – Hüter einer intak
Organische Nitrate werden schon seit weit mehr als hundert Jahren in der Therapie der akuten Angina pectoris und der koronaren Herzkrankheit eingesetzt. Schon Alfred Nobel wurde damit behandelt. Erst viel später konnte das Wirkprinzip ausfindig gemacht werden: Aus Nitraten wird im glatten Gefäßmuskel enzymatisch Stickstoffmonoxid (NO) freigesetzt, das eine Gefäßrelaxation und damit eine Vasodilatation bewirkt. Sie werden deshalb auch als NO-Donatoren bezeichnet.
Inzwischen weiß man, dass damit letztlich fehlendes NO substituiert wird. Denn NO wird auch endogen vom Endothel gebildet (endothelialer relaxierender Faktor, EDRF). Stickstoffmonoxid gilt als wesentlicher Faktor für eine intakte Endothelfunktion. Seine Freisetzung aus den Endothelzellen wird durch den Blutfluss stimuliert. Neben dem Gefäßtonus reguliert es unter anderem die lokale Hämostase, aber auch proliferative Prozesse im Gefäß.
Es hemmt die Plättchenaggregation und die Adhäsion von Neutrophilen an der Gefäßwand. Steht NO nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, kann es zu einer Dysfunktion des Endothels kommen. Diese gilt nicht nur als Auslöser atherosklerotischer Läsionen, sondern auch als Progressor der Arteriosklerose.
Sauerstoffradikale gefährden die NO-Aktivität
Bei der Arteriosklerose sind aktuellen Untersuchungen zufolge auch entzündliche Prozesse wesentlich beteiligt. C-reaktives Protein (CRP), ein aussagefähiger Entzündungsmarker, gilt beispielsweise als unabhängiger Prädiktor für einen Myokardinfarkt, vor allem bei gleichzeitig erhöhten Cholesterinspiegeln.
Auch bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung oder einem Diabetes ist ein hoher CRP-Wert prognostisch schlecht. Ist der CRP-Wert hoch, bedeutet dies eine hohe Entzündungsaktivität und damit auch eine hohe Konzentration an Sauerstoffradikalen. Konsequenz: Die NO-Aktivität sinkt, denn Sauerstoffradikale setzen Stickstoffmonoxid außer Gefecht (siehe Interview S. 60). Risikofaktoren, die die Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies in den Gefäßen in die Höhe treiben, sind deshalb immer eine Gefahr für die Endothelfunktion.
Einfluss auf endotheliale Progenitorzellen
NO scheint zudem die regenerative Kapazität des Endothels zu steuern, indem es die Freisetzung endothelialer Progenitorzellen (EPC) wesentlich beeinflusst. Eine Studie zeigte, dass die EPC-Menge mit der NO-Freisetzung korreliert. Ist die Apoptoserate der Endothelzellen hoch, die EPC-Konzentration niedrig, steigt das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom. Umgekehrt reduzieren eine hohe EPC-Zahl und eine niedrige Apoptoserate diese Gefahr.
PETN indiziert antioxidative Stoffwechselwege
Zahlreiche experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der NO-Donator Pentaerithrityltetranitrat (Pentalong®, PETN) von anderen NO-Donatoren unterscheidet: Es wirkt nicht prooxidativ, sondern antioxidativ. Und das hat weitreichende Konsequenzen. So entwickelt sich unter PETN in therapeutischen Dosen keine Nitrattoleranz (siehe auch Interview).
Inzwischen ist durch Untersuchungen an Endothelzellen aus der Schweineaorta einiges über die antioxidativen Wirkprinzipien von Pentaerithrityltetranitrat bekannt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Langzeitnitraten besitzt PETN eine stark ausgeprägte Fähigkeit zur Induktion antioxidativer Stoffwechselwege. Es stimuliert die endotheliale Synthese von Ferritin konzentrationsabhängig bis zum vierfachen des Basalwertes.
Ferritin gilt als endogener "iron scavenger". Er ist in der Lage, freie Eisenionen im Cytosol, die als Katalysator der Bildung von Sauerstoffradikalen gelten, rasch und dauerhaft zu entziehen. Diesem endogenen Antioxidans wird auch ein antiatherogenes Potenzial zugebilligt.
Zudem aktiviert PETN die Hämoxygenase 1. Dieses Enzym katalysiert die Biosynthese von Bilirubin und Carbonmonoxid, die zellprotektiv, antioxidativ und vasodilatatorisch wirken. Endothelzellen, die mit Pentaerithrityltetranitrat vorbehandelt wurden, hatten eine deutlich herabgesetzte Empfindlichkeit gegenüber oxidativem Stress. Die Vorbehandlung mit Isosorbiddinitrat (ISDN) zeigte dagegen keinerlei Effekt.
Druck in der Pulmonalarterie senken
Organische Nitrate kommen bei verschiedenen Indikationen im kardiovaskulären Bereich zum Zug. Besonders effektiv scheinen sie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhöhtem pulmonalarteriellen Druck zu sein, die eine besonders schlechte Prognose haben. Günstig für den Verlauf ist die Senkung der pulmonalen Hypertonie.
In einer offenen, prospektiven Pilotstudie konnte nun gezeigt werden, dass PETN den Druck in der Lungenschlagader signifikant senkt. 13 Patienten (NYHA-Klasse II oder III) mit echokardiographisch gesicherter pulmonaler Hypertonie erhielten zusätzlich zur derzeit üblichen Standardtherapie Pentaerithrityltetranitrat (2 x 50 mg/d) während der Dauer des stationären Aufenthalts (durchschnittlich: sechs Tage).
Während Blutdruck und Herzfrequenz nicht beeinflusst wurden, kam es zu einer deutlichen Senkung des pulmonalarteriellen Drucks. So ging die Rückflussgeschwindigkeit über der Trikuspidalklappe signifikant von 3,5 m/s auf 2,98 m/s zurück – ein Hinweis für die Verminderung des Drucks in der Pulmonalarterie.
Der Druckgradient (rechter Vorhof/rechter Ventrikel) wurde um etwa 20 Prozent vermindert. Die Behandlung war gut verträglich. Nun soll "Decrease it", eine prospektive, plazebokontrollierte Doppelblindstudie, den Stellenwert von PETN bei Herzinsuffizienten mit pulmonaler Hypertonie genauer prüfen.
Quelle
Prof. Dr. Stefanie Dimmeler, Frankfurt; Prof. Dr. Henning Schröder, Halle; Priv.-Doz. Dr. Christian Schneider, Köln: Satelliten-Symposium "Endotheliale Dysfunktion – therapeutische Optionen mit NO-Donatoren", Wiesbaden, 27. April 2003, veranstaltet von der Alpharma-Isis GmbH, Langenfeld.
Ein kleines Molekül ist in den letzten Jahren groß rausgekommen: Stickstoffmonoxid. Es wird von den Endothelzellen freigesetzt und sorgt wesentlich für eine intakte Endothelfunktion. Gefäßerkrankungen wie beispielsweise die Arteriosklerose gehen häufig mit einem NO-Mangel einher. Mit organischen Nitraten lässt sich dieses Defizit beheben. Allerdings ist die Nitrattoleranz ein wesentliches Problem in der langfristigen Behandlung mit organischen Nitraten.
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