Arzneimittel und Therapie

Interview: Nitrattoleranz durch enzymatische Bioaktivierung

(bf). Die Nitrattoleranz ist ein wesentliches Problem in der langfristigen Behandlung der Herzinsuffizienz mit organischen Nitraten. Was dahinter steckt, erläutert Prof. Dr. Henning Schröder vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Halle, der diesem Phänomen genauer nachgegangen ist.

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Wird langfristig mit organischen Nitraten behandelt, entwickelt sich eine Nitrattoleranz, die nur durch regelmäßige Nitratpausen vermieden werden kann. Nach den Ursachen wird schon seit längerem gesucht. Wie ist der aktuelle Stand?

Schröder:

Viele Jahre wurde angenommen, dass Thiolverbindungen in den Endothelzellen Stickstoffmonoxid aus Nitraten freisetzen und die Nitrattoleranz aus einem Mangel an Thiolverbindungen in den Zellen resultiert. Diese rein biochemische Theorie hat man inzwischen verlassen.

Heute nimmt man an, dass Enzyme für die Bioaktivierung der Nitrate verantwortlich sind, und diese Enzyme bei Dauergebrauch "down-reguliert" sind. Die enzymatische Bioaktivierung lässt im Laufe der Therapie nach. Es entwickelt sich eine Toleranz. Bei diesen Enzymen handelt es sich möglicherweise um Redoxenzyme, Cytochrom-P-450-Enzyme oder auch die mitochondriale Aldehyddehydrogenase.

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Auch Sauerstoffradikale scheinen bei der Entwicklung der Nitrattoleranz eine Rolle zu spielen?

Schröder:

Richtig. Sauerstoffradikale entstehen generell bei der Verstoffwechslung von Nitraten und können den Prozess der NO-Freisetzung quasi rückkoppelnd hemmen. Hier sind zwei Mechanismen in der Diskussion: Freies NO wird durch reaktive Sauerstoffspezies neutralisiert, oder die Sauerstoffradikale beschädigen die Enzyme, die dann NO nicht mehr aus den organischen Nitraten generieren können.

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Könnten organische Nitrate durch die Erzeugung von oxidativem Stress arteriosklerotische Prozesse negativ beeinflussen?

Schröder:

Es konnte nicht gezeigt werden, das Nitrate aufgrund der Bildung von Sauerstoffradikalen gewebetoxisch sind. Auch klinische Studien haben nie Hinweise gegeben, dass sie die Prognose der Patienten eventuell verschlechtern – im Gegensatz beispielsweise zu Antiarrhythmika, für die teilweise nachgewiesen wurde, dass sie zwar symptomatisch wirken, langfristig aber das Herz schädigen können. Das ist bei Nitraten nicht der Fall.

Man hat allerdings in kontrollierten Studien bisher auch keine überzeugende Verbesserung der Prognose sehen können, wie beispielsweise bei ACE-Hemmern oder Statinen. Es zeichnet sich aber ab, dass bestimmte Patientenkollektive herzkranker Patienten mehr von Nitraten profitieren als andere. Dazu gehören auch herzinsuffiziente Patienten mit pulmonaler Hypertonie.

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Im Gegensatz zu anderen Nitraten scheint Pentaerithrityltetranitrat (PETN) keine oxidativen Eigenschaften zu besitzen. Wo sehen Sie die Ursachen?

Schröder:

Unsere Arbeitsgruppe, aber auch andere Wissenschaftler konnten zeigen, dass PETN antioxidative Effekte besitzt. Und beim Abbau werden wesentlich weniger Sauerstoffradikale gebildet. Dies findet seinen Niederschlag auch in der Klinik: PETN induziert keine Toleranz. Möglicherweis wird NO wegen der vier Nitratgruppen schneller, anders oder in höheren Konzentrationen freigesetzt. Das ist derzeit aber reine Spekulation.

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Herr Professor Schröder, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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