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Arzneimittel und Therapie
Intensivpatienten: Weniger Transfusionen unter rekombinantem Erythropoetin
Das Knochenmark kritisch kranker Patienten produziert weniger rote Blutkörperchen, so dass eine Anämie entstehen kann. Ein großer Teil der Intensivpatienten erhält daher mehrere allogene Bluttransfusionen.
Wie riskant sind Bluttransfusionen?
Allogene Bluttransfusionen sind im Hinblick auf die Übertragung viraler Infektionskrankheiten zwar in den letzten Jahren erheblich sicherer geworden, bergen aber immer noch Probleme, darunter die Gefahr hämolytischer Reaktionen (AB0-Unverträglichkeit, meist durch Verwechslung) und das nicht einschätzbare Risiko einer möglichen BSE-Übertragung. Darüber hinaus werden immunmodulierende Wirkungen diskutiert, die zu einem erhöhten Risiko bakterieller Infektionen und Rezidiven von Krebserkrankungen führen könnten.
Ein wesentliches Merkmal der Anämie kritisch Kranker ist, dass die zirkulierende Erythropoetin-Konzentration auf physiologische Reize hin nicht angemessen steigt. Rekombinant hergestelltes Erythropoetin (Epoetin alfa, z. B. Erypo®, in den USA Procrit®; Epoetin beta, z. B. NeoRecormon®) regt die Produktion roter Blutkörperchen an.
In einer randomisierten Doppelblindstudie wurde deshalb untersucht, ob Epoetin alfa bei Intensivpatienten die Transfusionshäufigkeit verringert.
Einmal wöchentliche Gabe
Die Studie fand auf den Intensivstationen von 65 US-amerikanischen Kliniken statt. Erfasst wurden erwachsene Patienten mit einem Hämatokrit unter 38%, die seit zwei Tagen auf der Intensivstation waren und voraussichtlich mindestens zwei weitere Tage dort bleiben würden.
Sie bekamen randomisiert einmal wöchentlich eine subkutane Injektion mit 40 000 Einheiten Epoetin alfa oder ein entsprechendes Plazebo. Die erste Injektion erfolgte am dritten Tag auf der Intensivstation (= Studientag 1), die zweite am Studientag 7 und die dritte am Studientag 14. Patienten, die am Studientag 21 noch auf der Intensivstation waren, bekamen eine vierte Dosis.
650 Patienten erhielten Epoetin alfa, 652 Plazebo. Alle Patienten bekamen oral Eisen zugeführt. Erythrozyten-Konzentrate konnten transfundiert werden, wenn
- der Hämoglobin-Spiegel unter 9 g/dl oder
- der Hämatokrit unter 27% lag.
Der behandelnde Arzt entschied, ob transfundiert wurde. Primärer Endpunkt war die Transfusionsunabhängigkeit. Dabei wurde der Prozentsatz der Patienten verglichen, die von Studientag 1 bis 28 mindestens ein Erythrozyten-Konzentrat bekamen. Sekundäre Endpunkte waren die Zahl transfundierter Erythrozyten-Einheiten pro Patient bis zum Studientag 28, die Veränderung des Hämoglobin-Spiegels und die Sterblichkeit bis zum Studientag 28.
Weniger Patienten bekamen Transfusionen
328 Patienten mit Epoetin alfa (50,5%) und 394 mit Plazebo (60,4%) bekamen mindestens eine Transfusion (Odds-Ratio 0,67). Der Unterschied war signifikant. Die Zahl der Erythrozyten-Einheiten pro Patient und Lebenstag war mit Epoetin alfa ebenfalls signifikant (um 19%) verringert. Gleichzeitig stieg der Hämoglobin-Spiegel bis zur letzten Bestimmung mit Epoetin alfa um 1,32 g/dl und mit Plazebo um 0,94 g/dl.
Sterblichkeit unverändert
Die Sterblichkeit unterschied sich nicht zwischen den Behandlungsgruppen: In der Epoetin-alfa-Gruppe starben 111 (14%) und in der Plazebo-Gruppe 120 Patienten (15%). Schwere Nebenwirkungen waren etwa gleich häufig; sie betrafen 36% der mit Epoetin alfa Behandelten und 38% der mit Plazebo Behandelten. Die Gruppen zeigten auch keinen Unterschied in der Länge des Krankenhausaufenthalts, der Dauer der Intensivpflege und der Dauer der mechanischen Beatmung.
In allen Untergruppen (Eingangsdiagnose Trauma, Operation oder internistisch; Alter unter oder über 55 Jahre; Apache-II-Score unter oder über 20) war der Prozentsatz der Patienten, die Erythrozyten-Konzentrat bekamen, mit Epoetin alfa signifikant verringert.
Die wöchentliche Injektion von 40 000 Einheiten Epoetin alfa verringerte bei Intensivpatienten also den Bedarf an allogenen Erythrozyten-Transfusionen und erhöhte gleichzeitig die Hämoglobin-Konzentration.
Die statistische "Power" der Studie genügte nicht, um zu zeigen, ob sich die reduzierte Transfusionshäufigkeit im Sinne besserer klinischer Ergebnisse – insbesondere geringerer Sterblichkeit – auszahlt. Die Studienergebnisse deuten zumindest nicht auf eine klinische Verbesserung hin.
Was heißt schon transfusionsbedürftig?
Die Patienten der Verumgruppe bekamen im Durchschnitt zwei bis drei Epoetin-alfa-Dosen à 400 Dollar. Jeffrey L. Carson stellt in seinem Editorial den in den USA und Europa gebräuchlichen hohen Hämoglobin-Schwellenwert für Transfusionen auf Intensivstationen in Frage.
In der TRICC-Studie (Transfusion Requirement in Critical Care) hatten Patienten auf Intensivstationen von einer aggressiven Transfusionsstrategie mit einem Hämoglobin-Schwellenwert von 10 g/dl nicht mehr profitiert als von einer Strategie mit einem Schwellenwert von 7 g/dl. In der vorliegenden Studie betrug die durchschnittliche Hämoglobin-Konzentration vor einer Transfusion immerhin 8,5 g/dl.
Möglicherweise hätte eine Absenkung des Schwellenwertes auf unter 7 g/dl den Transfusionsbedarf genauso reduzieren können wie die kostspielige Epoetin-Gabe.
Intensivpatienten leiden häufig an Anämie und bekommen daher Bluttransfusionen. In einer randomisierten Doppelblindstudie senkte rekombinantes Erythropoetin (Epoetin alfa) den Prozentsatz transfusionsbedürftiger Intensivpatienten und die Zahl verabreichter Transfusionen.
Das modifizierte Erythropoetin-Molekül bindet reversibel an einen Rezeptor auf den Vorläuferzellen der Erythrozyten und aktiviert dadurch kontinuierlich diesen Zelltyp. Im Unterschied zu den bisherigen Erythropoetin-Präparaten beträgt die Halbwertzeit von Cera nach intravenöser Gabe 80 bis 120 Stunden und nach subkutaner Verabreichung ca. 150 Stunden.
Zum Vergleich: bisherige Erythropoetin-Präparate haben eine Halbwertzeit von 25 Stunden nach intravenöser und 48 Stunden nach subkutaner Gabe. Somit könnte Cera bei der Therapie von Anämie bei Krebs- oder Nierenkrankheiten in größeren zeitlichen Abständen verabreicht werden. Die subkutane und intravenöse Darreichungsform soll gleich wirksam sein.
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