Recht

Abschied von der Präsenzapotheke

Im März 2003 wurde der noch nicht mit der Leitung abgestimmte 1. Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems (Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz Ų GMG) aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bekannt. Ziel des GMG soll es sein, die Qualität und Effizienz der Gesundheitsversorgung nachdrücklich und dauerhaft zu verbessern. Es will dazu u. a. als "starr" und "verkrustet" bezeichnete Strukturen "aufbrechen"[1]. Die Arzneimittelversorgung und die Apotheken sind von den darin vorgesehenen Umbauplänen in besonderem Maße betroffen. Gelten bislang die Prinzipien der Apothekenpflicht für Arzneimittel und der einheitlichen Abgabepreise sowie des Versandverbots für apothekenpflichtige Arzneimittel und das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken, so soll davon nur noch die Apothekenpflicht übrig bleiben, während der einheitliche Abgabepreis, das Versandverbot und das Fremd- und Mehrbesitzverbot abgeschafft werden.

Radikale Umwälzungen des Apothekenrechts

Würde der GMG-Arbeitsentwurf (GMG-AE) Gesetz, sähen sich die Apotheken den radikalsten Umwälzungen in der Geschichte des Apothekenrechts in Deutschland gegenüber. Da Strukturen kein Selbstzweck sind, wäre dies als solches nicht kritikwürdig.

Kritikwürdig ist es allerdings, dass die Regelungen des Entwurfes zu Ende gedacht das Gegenteil ihres Zieles erreichten. Sie beseitigten die meisten Präsenzapotheken zugunsten einiger weniger Versandapotheken. Da in Deutschland – anders als in einer Vielzahl anderer Länder – eine Niederlassungsregulierung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht stattfindet, bedeutete dies das Ende der flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln.

Ganz ähnlich schössen die Bestimmungen, die Apothekern den Betrieb einer "Kleinkette" ermöglichen sollen, in ihren Wirkungen weit über das hinaus, was auf dem Papier steht. Sie führten aus verfassungsrechtlichen Gründen zum völligen Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes und damit zur Großkette mit nur noch angestellten Apothekern.

Dies bedeutete die Aufgabe des Grundsatzes der höchstmöglichen Verantwortung und Sorgfalt bei der Arzneimittelabgabe und den Paradigmenwechsel von der Freiberuflichkeit zur Kommerzialisierung der Arzneimittelabgabe und des Apothekerberufs.

Sowohl im Hinblick auf die standardsenkenden Wirkungen dieser Maßnahmen als auch im Hinblick auf den durch sie entstehenden, widersprüchlichen Regulierungsstatus halten die im GMG-AE vorgesehenen Neuregelungen der Arzneimittelpreisbildung und des Apothekenbesitzes einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Verfassungswidrigkeit der Änderung der AMPreisV

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bestehen sowohl unter dem Aspekt der damit verbundenen Aufgabe einer flächendeckenden Versorgung als auch unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mangels Ausschöpfung milderer Mittel Bedenken.

Abschaffung der flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln

In den meisten EU-Mitgliedstaaten ist durch Konzessionssysteme die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Apotheken gewährleistet[2]. Demgegenüber besteht in Deutschland im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Apotheken keine Niederlassungsregulierung.

Etwaige Existenzgefährdungen der Apotheken namentlich auf dem Land, aus denen sich eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung und damit der Volksgesundheit ergäbe, werden, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, durch weniger tiefgreifende Regelungen zur Berufsausübung, insbesondere den Grundsatz der einheitlichen Arzneimittelabgabepreise gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG in Verbindung mit den Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung vom 14. 11. 1980, verhindert[3].

Diese mittelbare Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung wird durch den GMG-AE aufgegeben, ohne dass die flächendeckende Versorgung anderweitig sichergestellt würde. Im Gegenteil. Der Entwurf propagiert und fördert als künftigen "Standard" die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege des Versandes, indem er die Versandapotheke gegenüber der Präsenzapotheke gezielt privilegiert.

Dazu werden zum einen die Voraussetzungen für einen unbeschränkten Versand von Arzneimitteln durch Apotheken im Inland[4] und aus dem Ausland[5] geschaffen. Zum anderen werden Arzneimittel, die im Wege des Versandes abgegeben werden, von der Geltung der AMPreisV befreit. Dazu sieht Art. 18 Nr. 4 GMG-AE die Einfügung eines § 3a in die AMPreisV vor.

Nach dessen Abs. 2 soll u. a. die Möglichkeit eröffnet werden, von der Festspannenregelung des § 3 AMPreisV "durch Vereinbarung für den Versand von Arzneimitteln und für die Abgabe von Arzneimitteln in vertraglich vereinbarten Versorgungsformen" abzuweichen.

Unter "Vereinbarung" sind dabei nicht etwa Kollektivvereinbarungen, sondern Verträge mit einzelnen Apotheken zu verstehen, wie sie künftig nach § 129 Abs. 5a SGB V i.d.F.d. Art. 1 GMG-AE national[6] und nach §§ 13 Abs. 4 bis 6, 140d SGB V i.d.F.d. Art. 1 GMG-AE EU-weit möglich sein sollen.

Entsprechend dem erklärten Ziel des Entwurfs, künftig auch Einzelverträge zuzulassen[7], könnte so jede inländische oder im EU-Ausland ansässige Apotheke die Preise für die von ihr im Wege des Versandes abgegebenen Arzneimittel auf der Grundlage eines entsprechenden Einzelvertrages unabhängig von der AMPreisV im Einvernehmen mit der Krankenkasse bestimmen.

Könnten die Preise für im Wege des Versandes abgegebene Arzneimittel generell durch Einzelverträge frei bestimmt werden, führte dies zu einem uneinholbaren Wettbewerbsvorteil von Versandapotheken gegenüber Präsenzapotheken. Der gesetzlich angeordnete Preisnachteil der Präsenzapotheken würde in der Praxis selbstverständlich dazu führen, dass Arzneimittel soweit als möglich im Wege des Versandes abgegeben werden.

Das Gros der Arzneimittel käme demzufolge künftig aus Versandapotheken, die von der grünen Wiese oder gar aus dem EU-Ausland versenden, wo deren auf Deutschland bezogene Tätigkeit weder effektiv behördlich überwacht noch eine etwaige Haftung wegen fehlerhafter Arzneimittelabgabe von den Verbrauchern effizient im Klagewege verfolgt werden könnte. Die Versandapotheke würde zur Standardapotheke.

An die Stelle des sofortigen Erhalts der Arzneimittel aus der Apotheke vor Ort tritt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 a) ApBetrO i.d.F.d. Art. 14 Nr. 5 GMG-AE als neuer "Servicestandard" die Belieferung des Patienten "innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung, sofern [der Versender] das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung hat".

Berücksichtigt man, dass das Rezept selbst schon durchschnittlich zwei Tage benötigen wird, um auf dem Postweg überhaupt zur Versandapotheke zu gelangen, bedeutet dies, dass die Arzneimittel für den Patienten regelmäßig frühestens vier Tage nach dem Arztbesuch verfügbar sind.

Dabei gilt dies auch nur dann, wenn das Rezept nicht auf dem Postweg verloren gegangen ist und deshalb kein erneuter Arztbesuch notwendig wird, die Versandapotheke das Arzneimittel zur Verfügung hat und der Patient bei der ersten Lieferung angetroffen wird, also keine Zweitzustellung erforderlich ist.

Trotz des schlechteren Lieferservice der Versandapotheke würde die Präsenzapotheke im Hinblick auf den für sie gesetzlich zwingend angeordneten Preisnachteil sehr rasch von der Bildfläche verschwinden.

Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Präsenzapotheken gehörte damit innerhalb absehbarer Zeit der Vergangenheit an. All dies wäre ausschließlich Folge der – völlig unnötigen – Befreiung von im Wege des Versandes abgegebenen Arzneimitteln von der Geltung der Arzneimittelpreisverordnung.

In diesem Zusammenhang ist ein weit verbreitetes Missverständnis auszuräumen, nach dem die Arzneimittelpreisverordnung, die Verpflichtung zur Beachtung der Zuzahlungsregelungen der §§ 31 Abs. 3, 43b SGB V etc. für ausländische Apotheken, die nach Deutschland versenden, nicht gelten sollen. Diese Auffassung ist rechtlich falsch. Der Grundsatz der einheitlichen Abgabepreise gemäß

§ 78 Abs. 2 AMG und die diesen Grundsatz ausführende AMPreisV gehören ebenso wie die sozialversicherungsrechtlichen Zuzahlungsregelungen zu den zwingenden Normen des deutschen öffentlichen Rechts. Sie dienen der Senkung des Arzneimittelpreisniveaus, als Grundlage für den Kontrahierungszwang der Apotheken gemäß § 17 Abs. 4 ApBetrO bei Vorlage ärztlicher Verschreibungen und als Grundlage für das an Ärzte gerichtete Gebot der wirtschaftlichen Verordnungsweise. Sie dienen darüber hinaus vor allem auch der Sicherung der Existenz der an der Arzneimitteldistribution Beteiligten, um die ordnungsgemäße, flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten[8].

Im Hinblick auf ihren zwingenden, öffentlich-rechtlichen Charakter und ihre gesundheitspolitische Bedeutung gelten diese Bestimmungen nach den allgemeinen Grundsätzen des Internationalen Öffentlichen Rechts und dem hier insbesondere geltenden Auswirkungsprinzip unzweifelhaft auch für aus dem Ausland tätige Unternehmen, soweit sich deren Tätigkeit – wie dies beim Versand von Arzneimitteln nach Deutschland der Fall ist – auf den Geltungsbereich dieser Bestimmungen auswirkt[9].

Diese Auffassung wird bestätigt durch § 4 Abs. 5 Nr. 3 Teledienstegesetz[10], nach dem das Angebot und die Erbringung eines Teledienstes durch einen Diensteanbieter den Einschränkungen des innerstaatlichen Rechtes, soweit dieses der öffentlichen Gesundheit dient, unterliegt. Zu den der öffentlichen Gesundheit dienenden Bestimmungen gehören auch die AMPreisV und die sozialversicherungsrechtliche Zuzahlungspflicht.

Auch aus dem Recht der Europäischen Gemeinschaft ergibt sich nichts anderes. Nach Art. 152 Abs. 5 Satz 1 EG bleibt bei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt.

Der EuGH hat deshalb in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Regelung der Systeme der sozialen Sicherheit und die Regelung des gesundheitlichen Versorgungssystems selbst in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und Beschränkungen des freien Warenverkehrs oder des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen[11]. Er hat insbesondere anerkannt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten wollen. Deshalb fällt u. a. die Regelung der geographischen Verteilung der Apotheken weiterhin unter die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten[12].

Demzufolge respektiert auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Fernabsatz-Richtlinie[13] und die E-Commerce-Richtlinie[14] die im Vertrag angelegte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht nur für die Systeme der sozialen Sicherung, sondern auch für die Versorgungssysteme im Bereich des Gesundheitswesens als solche. Auch diese Richtlinien bestätigen, dass für den Einzelhandel mit Arzneimitteln selbst im Bereich der Gemeinschaft nach wie vor das Bestimmungslandprinzip gilt[15].

Darüber hinaus betreffen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH mitgliedstaatliche Regelungen zu Preisen nur Verkaufsmodalitäten. Verkaufsmodalitäten sind nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch von vornherein nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren[16].

Deshalb verstößt nicht einmal die Buchpreisbindung gegen Gemeinschaftsrecht[17]. Erst recht gilt dies sonach für die Arzneimittelpreisbindung.

Nach alledem gilt die AMPreisV ebenso wie die Zuzahlungserhebungspflicht auch für Verkäufe von Arzneimitteln aus dem EU-Ausland und aus dem sonstigen Ausland in die Bundesrepublik hinein[18]. Es fehlt somit an jeglicher Not, die Abgabe von Arzneimitteln im Wege des Versandes künstlich aus dem Geltungsbereich der AMPreisV herauszunehmen.

Es ist ferner offenkundig, dass es sich bei dem vom Gesetzgeber und nicht etwa von Standesorganisationen geschaffenen Strukturprinzip des einheitlichen Abgabepreises nicht um eine "Verkrustung", sondern um einen wohlüberlegten und bewährten Grundpfeiler für die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und insbesondere das einzig vorhandene Mittel zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung handelt.

Wer diesen beseitigt, verringert die Versorgungsqualität drastisch. Er erhebt die Versorgung im Wege des Versandes zum Standard und gibt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch Präsenzapotheken auf. Der "Standard" Belieferung frühestens vier Tage nach dem Arztbesuch steht jedoch in offenkundigem Widerspruch zu den medizinischen Notwendigkeiten. Der GMG-AE führt damit zu Verhältnissen, die den Erfordernissen der Volksgesundheit nicht gerecht werden, sondern sie gefährden und eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung nicht mehr ermöglichen.

Die Abschaffung des einheitlichen Arzneimittelabgabepreises und die Privilegierung der Versandapotheken verletzte somit die staatliche Einstandspflicht für ein leistungsfähiges System der sozialen Sicherung als Ausfluss der durch Art. 2 Abs. 2 GG (Grundgesetz, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) angeordneten Schutzpflicht des Staates[19].

Sie verletzte ferner im Hinblick auf die Beitragsleistungen der Versicherten deren Anspruch aus Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) auf Erhalt eines Versorgungssystems, das vermeidbare Gesundheitsgefährdungen ausschließt[20].

Darüber hinaus verletzte die Privilegierung der Versandapotheken und die Ungleichbehandlung der Präsenzapotheken mangels hinreichender Rechtfertigung die Inhaber von Präsenzapotheken in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 3 Abs. 1 (Gleichbehandlungsgebot)[21].

Aushöhlung der AMPreisV

Im Falle einer Realisierung der im GMG-AE vorgesehenen, weitgehenden Aushöhlung der Arzneimittelpreisverordnung sowohl im Bereich der (nur) apothekenpflichtigen Arzneimittel als auch im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel wäre darüber hinaus die Frage der Verfassungsmäßigkeit der AMPreisV insgesamt neu zu überprüfen.

Im Rahmen der vorgesehenen "Liberalisierung" ist geplant, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4a AMPreisV i.d.F.d. Art. 18 Nr. 1 GMG-AE generell von der Geltung der Arzneimittelpreisverordnung freizustellen. Darüber hinaus würde in der Praxis im Hinblick auf § 3a Abs. 2 AMPreisV i.d.F.d. Art.18 Nr. 4 GMG-AE auch die Nichtgeltung der AMPreisV für verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Regel[22].

Die Geltung der AMPreisV würde damit zur seltenen Ausnahme. Der einheitliche Arzneimittelabgabepreis wäre de facto abgeschafft. Die AMPreisV könnte demzufolge auch keinerlei Lenkungs-, Steuerungs- oder Ordnungsfunktion mehr erfüllen. Sie wäre insbesondere nicht mehr in der Lage, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Damit fehlte es an jeglicher Rechtfertigung für den mit der AMPreisV noch verbundenen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker. Der verbleibende "Torso" der AMPreisV verletzte somit das Grundrecht der betroffenen Apotheker aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Kürzung der Preisspannen

In Art. 18 Nr. 3 GMG-AE sind darüber hinaus noch Einschnitte bei den Apothekenspannen gemäß § 3 AMPreisV vorgesehen. Sie sollen an die Stelle der durch das Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23. 12. 2002 (BSSichG) erhöhten und/oder neu eingeführten Apotheken- und Großhandels-Rabatte zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung treten[23]. Sie stellen damit eine Maßnahme zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung dar.

Die Senkung der Spannen zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs milderer Mittel ebenfalls nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Wie unter anderem der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten 2003 festgestellt hat, bestehen bei der gesetzlichen Krankenversicherung Einsparungsmöglichkeiten von über 30 Mrd. Euro allein durch die Beseitigung der so genannten sozialpolitischen "Verschiebebahnhöfe" und versicherungsfremden Leistungen[24], die zweckwidrige Verwendungen von Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung darstellen.

Die zweckwidrige Verwendung von Versichertenbeiträgen ist schon per se verfassungswidrig. Sie verletzt u. a. den Anspruch der Versicherten aus Art.14 GG, die zweckwidrige Verwendung der Versichertengelder zu unterlassen[25]. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Verbot unverhältnismäßiger Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Apotheker die verfassungsrechtliche Notwendigkeit für den Gesetzgeber, vorrangig die sich aus der zweckwidrigen Verwendung der Versichertengelder ergebenden finanziellen Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu beseitigen.

Da die Beseitigung dieser Belastungen zu einer viel weitergehenden Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung führte, als sie durch die Kürzung der Apothekenspannen erreicht werden können, wäre dies sowohl das geeignetere als auch das mildere Mittel.

Ohne die vorrangige Beseitigung von sozialpolitischen Verschiebebahnhöfen und versicherungsfremden Leistungen verstößt die Senkung der Apothekenspannen damit ebenfalls gegen die Grundrechte der Apotheker aus Art. 12 Abs. 1 GG[26].

Verfassungswidrigkeit der "Kleinketten"-RegelungDie bisherige, verfassungsgerichtlich bestätigte Regelung

Wie in den meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist der Apothekenbesitz auch in Deutschland reguliert. Der deutsche Gesetzgeber hat sich ebenso wie die Gesetzgeber der weit überwiegenden Zahl der anderen Mitgliedstaaten der EU[27] entschieden, mit dem Regulierungs- und Systemprinzip Fremd- und Mehrbesitzverbot für ein Höchstmaß an Verantwortlichkeit und Bindung auf Seiten der Apotheke und ein Höchstmaß an Sicherheit der Patienten im Bereich der Arzneimittelabgabe zu sorgen.

Das Fremd- und Mehrbesitzverbot besagt, dass Inhaber einer Apotheke nur ein Apotheker sein kann (Fremdbesitzverbot) und ein Apotheker jeweils nur eine Apotheke innehaben darf (Mehrbesitzverbot)[28].

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Fremd- und Mehrbesitzverbot verfassungsgemäß. In einer Entscheidung vom 13. 02. 1964 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Verantwortlichkeit des selbstständigen Apothekers wegen seiner öffentlichen Aufgaben gegenüber dem Käufer, der selbst mangels Fachkunde die Güte und Richtigkeit der abgegebenen Medikamente nicht prüfen kann, erheblich gesteigert ist.

Den Apotheker trifft die öffentlich-rechtliche Verantwortung dafür, dass die abgegebenen Waren der ärztlichen Verordnung entsprechen. Zugleich hat er zur Gegenkontrolle des Arztes die Einhaltung der Vorschriften über die Maximaldosis zu überwachen. Das Betäubungsmittelrecht weist ihm eine wichtige Mitwirkung bei der Kontrolle des Verbrauchs von Betäubungsmitteln zu. Schließlich hat er im Rahmen des Möglichen durch geeignete Beratung des Kunden dem Arzneimittelmissbrauch entgegenzuwirken.

Die Erfüllung dieser für die Volksgesundheit wichtigen öffentlichen Aufgaben halte der Gesetzgeber am besten dann für gewährleistet, wenn die allseitige Verantwortung für den Betrieb der Apotheke in einer Hand liegt, wenn also dem ausgebildeten Apotheker, der für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben einzustehen hat, auch das Eigentum an der Apotheke zusteht.

Der Gesetzgeber wolle es vermeiden, dass die Erfüllung der mit dem Betrieb einer Apotheke verbundenen öffentlichen Aufgaben und das privatrechtliche Eigentum und der Besitz an dem Apothekenbetrieb auseinanderfallen. Danach sei das Leitbild des Gesetzgebers der "Apotheker in seiner Apotheke"[29].

Dieses Leitbild trägt der Wertordnung des Grundgesetzes nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch mehr Rechnung als andere mögliche Gestaltungen. Die Erwägung, die Arzneimittelversorgung in die Hand eines freien, selbstständigen Apothekers zu legen, wird dem Grundgedanken der Berufsfreiheit und der Freiheit des Einzelnen zu seiner wirtschaftlichen Entfaltung in besonderem Maße gerecht.

Sie entspricht ferner dem allgemein gebilligten wirtschaftspolitischen Ziel der Förderung des Mittelstandes. Bei einer auch nur grundsätzlichen Zulassung des Mehrbetriebs ist die Gefahr einer allmählich sich bildenden Konzentration im Apothekenwesen nicht auszuschließen. Hierdurch würde der freiberufliche Charakter des Apothekerstandes gefährdet. Der selbstständige Apotheker würde mehr und mehr zurückgedrängt und die Schicht der angestellten Apotheker wachsen.[30]

Diese Ausführungen haben auch heute noch in jeder Hinsicht Gültigkeit. Auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bringt es die Eigenart des Berufs des selbstständigen Apothekers mit sich, dass bei ihm die Züge eines freien Berufs überwiegen. Ihm sind Dienste höherer Art aufgetragen, hinter die das Streben nach Gewinn, wie es sonst der gewerblichen Wirtschaft eigen ist, zurücktritt.

Die Bevölkerung soll darauf vertrauen dürfen, dass der Apotheker – obwohl auch Gewerbetreibender – sich nicht von Gewinnstreben beherrschen lässt, sondern seine Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnimmt. In diesem Sinn sollen beispielsweise die Werbeverbote dem Arzneimittelfehlgebrauch entgegenwirken und die ordnungsgemäße Berufsausübung stärken.[31]

Die vorgesehene "Kleinketten"-Regelung

Gemäß § 2 Abs. 4 und 5 ApoG i.d.F.d. Art. 13 Nr. 2 GMG-AE sowie weiteren Anpassungsregelungen sollen nunmehr Apotheker "Kleinketten" mit bis zu fünf Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen betreiben dürfen[32]. Welche Erwägungen der Lockerung des Mehrbesitzverbots für Apotheker zugrunde liegen und welche Vorteile sich daraus ergeben sollen, wird nicht erläutert[33]. Insbesondere ist nicht erläutert, welchen Beitrag diese Änderung zu den Zielen des GMG leisten soll und weshalb sie hierfür geeignet sein soll.

Die – auf den ersten Blick eher harmlos erscheinende – Einführung der Kleinkette ist bei näherer Betrachtung ein Sprengsatz für die bisherige Apothekenlandschaft. Sie bedeutet eine Abkehr vom Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke. Auch hier würde eine neuer, niedrigerer Standard eingeführt. An die Stelle des freiberuflichen, persönlich haftenden, voll verantwortlichen und örtlich gebundenen Apothekenleiters tritt der nur beschränkt verantwortliche, räumlich in keiner Weise gebundene, angestellte Filialleiter.

Das Ausmaß der damit verbundenen Veränderungen wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, was das Fremd- und Mehrbesitzverbot und das damit verbundene Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheker" im Einzelnen bedeutet. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot gewährleistet zunächst die persönliche Verantwortung des Apothekers (§ 7 Satz 1 ApoG) und den Schutz der Bevölkerung auch aus haftungsrechtlicher Sicht im denkbar höchsten Maß.

Konsequenz des Fremd- und Mehrbesitzverbotes ist, dass eine Apotheke nur in der Rechtsform eines Einzelunternehmens oder gemäß § 8 Satz 1 ApoG in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft oder OHG geführt werden darf. Diese Rechtsformen sind unweigerlich mit der unbeschränkten persönlichen Haftung des Apothekers gegenüber dem Patienten für alles, was in der Apotheke passiert, verbunden.

Das Fremd- und Mehrbesitzverbot gewährleistet ferner, dass der "Apotheker in seiner Apotheke" bleibt und damit lokal gebunden ist. Er soll nicht die Möglichkeit haben, heute hier, morgen dort seiner Tätigkeit nachzugehen, sondern täglich denselben Patienten am selben Standort zur Verfügung stehen und damit permanent und unausweichlich mit den Folgen seines Handelns konfrontiert sein.

Die unbeschränkte persönliche Haftung des Apothekers und die permanente und unausweichliche persönliche Verfügbarkeit und Ansprechbarkeit für die Patienten führen sowohl wirtschaftlich als auch psychologisch zu einem Höchstmaß an Verantwortlichkeit des Apothekers.

Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist damit geeignet, ein Höchstmaß an persönlicher Sorgfalt bei der Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeiten einschließlich der Leitung der Apotheke zu gewährleisten. Es ist darüber hinaus in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln zu stärken.

Die hohe Verantwortlichkeit und die lokale Bindung sind zugleich die Grundlage für das Vertrauen der Bevölkerung darauf, dass der Apotheker sich nicht von Gewinnstreben beherrschen lässt, sondern seine Verantwortung im Rahmen der Gesundheitsberufe wahrnimmt[34].

Die durch das Fremd- und Mehrbesitzverbot wirtschaftlich und psychologisch gewährleistete Verantwortlichkeit und Sorgfalt geht weit über das hinaus, was von einem angestellten Filialleiter einer Apothekenkette verlangt wird und verlangt werden kann.

Angestellte Apothekenleiter haften in der Regel nicht persönlich für die Folgen einer schlechten Leitung der Apotheke. Soweit sie selbst gehandelt haben und einmal persönlich gegenüber einem Patienten wegen Verletzung dessen Gesundheit oder Körpers im Außenverhältnis haften sollten, sind sie im Innenverhältnis aus arbeitsrechtlichen Gründen von ihrem Arbeitgeber, also dem Ketteninhaber, in der Regel freizustellen[35].

Angestellte Apothekenleiter haben sich auch nicht permanent und unausweichlich dem Patienten persönlich gegenüber zu verantworten. Sie können – anders als ein selbstständiger Apotheker – ihr Anstellungsverhältnis von heute auf morgen kündigen und irgendwo anders neu tätig sein.

Es liegt auf der Hand, dass unter diesen Umständen bei der Leitung einer Apothekenfiliale durch einen Angestellten von einem erheblich niedrigeren Niveau an Sorgfalt und Verantwortung ausgegangen werden muss, als wenn die Apotheke unter der persönlichen Leitung eines voll verantwortlichen Eigentümers steht[36]. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist damit auch erforderlich, um ein Höchstmaß an Sorgfalt und Verantwortlichkeit bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten[37].

Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Eigentümer der Apothekenfilialen selbst Apotheker ist oder nicht. Entscheidend ist insoweit, dass in beiden Fällen die Leitung der Filiale vor Ort nicht durch den voll verantwortlichen Eigentümer persönlich, sondern durch einen Angestellten mit dem dargestellten, niedrigeren Sorgfaltsniveau erfolgte.

Auch ein Apotheker-Eigentümer wäre rein faktisch gar nicht in der Lage, die verschiedenen Filialen vor Ort gleichzeitig persönlich zu leiten. Ohne die persönliche Leitung kann er aber naturgemäß den Betrieb der Filialen nicht so überwachen, wie wenn er persönlich anwesend wäre[38]. Um die persönliche Leitung und damit ein Höchstmaß an Sorgfalt in jeder Apotheke zu gewährleisten, verlangt das Apothekenrecht bislang in § 2 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO die persönliche Leitung der Apotheke durch den Apothekenleiter selbst und damit die grundsätzlich permanente persönliche Anwesenheit des Apothekeninhabers in der Apotheke[39].

Die Möglichkeiten der Vertretung ist nach § 2 Abs. 5 ApBetrO stark beschränkt. Der Apotheker ist sogar gemäß § 2 Abs. 3 ApBetrO verpflichtet, Nebentätigkeiten anzuzeigen, damit die Überwachungsbehörden prüfen können, ob der Apotheker seiner Aufgabe der persönlichen Leitung der Apotheke noch hinreichend und dem gesetzlichen Leitbild entsprechend nachkommen kann.

Diese persönliche Leitung jeder Apotheke durch einen voll verantwortlichen Eigentümer-Leiter ist im Falle der Zulassung jeglicher Art von Kette nicht mehr umsetzbar. Ob Eigentümer der Kette ein Apotheker ist oder nicht, spielt insoweit keine Rolle. Der Grundsatz der höchstpersönlichen Leitung sämtlicher öffentlicher Apotheken durch den freiberuflichen, persönlich unbeschränkt haftenden und voll verantwortlichen, lokal gebundenen Apothekenleiter würde in jedem Falle aufgegeben.

Der Gesetzgeber gäbe damit zu erkennen, dass ihm auch die Sorgfalt eines nicht voll verantwortlichen und nicht lokal gebundenen, angestellten Filialleiters für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, für die Erfüllung der mit Betäubungsmitteln zusammenhängenden Aufgaben etc. ausreichend erscheint.

Dann aber wäre kein hinreichender Grund mehr dafür erkennbar, die Zahl der Filialen einer Kette auf fünf und die Person der möglichen Ketteninhaber auf Apotheker zu beschränken. Diese Beschränkungen könnten dann nicht mehr als erforderlich angesehen werden und verletzten damit das Grundrecht auf Berufsfreiheit aller am Betrieb von Apotheken Interessierten[40].

Somit führte die vorgesehene Auflockerung des Mehrbesitzverbots – auch hier völlig unnötig, gesundheitspolitisch verfehlt und entgegen der Warnung des Bundesverfassungsgerichts vor einer auch nur grundsätzlichen Zulassung des Mehrbetriebs[41] – zur Verfassungswidrigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbotes überhaupt.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann es für den Gesetzgeber hier somit nur ein "entweder oder", d. h. nur die Wahl zwischen der Beibehaltung des strikten Fremd- und Mehrbesitzverbotes oder aber der Zulassung von Apothekenketten ohne jegliche Beschränkung hinsichtlich der beruflichen Qualifikation des Eigentümers und der Zahl der Filialbetriebe geben. Fremd- und Mehrbesitzverbot sind also voneinander untrennbar.

Fazit

Der GMG-AE erreicht mit den von ihm im Bereich der Arzneimittelversorgung vorgesehenen Maßnahmen – Änderung und De-facto-Abschaffung der Arzneimittelpreisverordnung, Einführung des Versandhandels und Einführung von Apothekenketten – das Gegenteil seines Ziels, nämlich eine drastische Senkung der Standards im Bereich der Apothekenleitung und Arzneimittelabgabe und eine nachdrückliche und dauerhafte Verschlechterung der Qualität und Effizienz der Arzneimittelversorgung.

Die Änderungen der AMPreisV und die Einführung des Versandhandels bewirkten eine Privilegierung der Versandapotheke und deren Etablierung als künftiges Standardapothekenmodell. Die Geltung der AMPreisV und die Präsenzapotheken würden zu Ausnahmeerscheinungen und innerhalb absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwinden.

Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Präsenzapotheken wäre damit abgeschafft. Wer rasch ein Arzneimittel benötigt, hätte Pech. Er müsste in Zukunft entweder lange Fahrten zu einer der noch verbliebenen Präsenzapotheken auf sich zu nehmen oder gegebenenfalls entsprechende Fahrdienste organisieren.

Oder er müsste mindestens vier Tage ab dem Arztbesuch auf seine Arzneimittel warten, die aus einer Versandapotheke auf der grünen Wiese oder aus dem Ausland stammen, wo der Versand nach Deutschland weder effektiv überwacht werden noch der Verbraucher in Deutschland effektiven Rechtsschutz erhalten kann.

In den verbleibenden Präsenzapotheken wird der Verbraucher nicht mehr auf "seinen" Apotheker treffen, den er kennt und der ihn kennt, der persönlich haftet und für sein Tun voll verantwortlich ist. Auf ihn zu kämen ständig wechselnde, angestellte Filialleiter.

Die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes bedeutete zugleich den Abschied vom angestrebten Höchstmaß an Sorgfalt bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, vom hinsichtlich Versorgung, Verantwortung und Vertrauen bewährten Konzept des "Apothekers in seiner Apotheke".

An dessen Stelle träte die geringere Sorgfalt eines angestellten Apothekenleiters mit beschränkter Haftung, ohne volle persönliche Verantwortung und ohne örtliche Bindung an Apotheke und Patientenkreis.

Derartige Strukturen mag man noch "modern" nennen können. Sie führten jedenfalls zu einer deutlichen Absenkung der Standards in allen neu geregelten Bereichen. Die in dem Arbeitsentwurf vorgesehenen "Modernisierungsinstrumente" sind insgesamt sowohl in ihren Auswirkungen als auch in ihrer Ausgestaltung im Detail verunglückt und verfassungswidrig.

Der Staat verletzte mit ihnen seine Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) gegenüber der Bevölkerung, das Grundrecht der Versicherten auf Erhalt eines Versorgungssystems, das vermeidbare Gesundheitsgefährdungen ausschließt, als Gegenleistung für ihre Beiträge aus Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) und die Grundrechte der betroffenen Kreise aus Art. 12 Abs. 1 GG (Freiheit von ungerechtfertigten Eingriffen in die Berufsausübung) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung).

Fußnoten

1 Vgl. 1. Arbeitsentwurf (noch nicht mit der Leitung abgestimmt), Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems (Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz – GMG), Stand: 13. 03. 2003, S. 1 f. 2 Vgl. dazu etwa Ress/Ukrow, Niederlassungsrecht von Apothekern in Europa, 1991, S. 42 ff., 144 ff.; Bauer, Pharma-Länder-Dossiers – Die Arzneimittelversorgung in Europa, 2001, S. 19, 30 ff. 3 Vgl. zum Niederlassungsrecht BVerfGE 7, 377, 439, 424. Vgl. zur Aufgabe der AMPreisV , eine ausreichende Arzneimittelversorgung zu sichern, BVerfG, Pharm. Ztg. 1982, S. 239 f. 4 Vgl. die Regelungen für den nationalen Versand gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 AMG i.d.F.d. Art. 12 Nr. 1 a) GMG-AE i.V.m. § 17 ApBetrO i.d.F.d. Art. 14 Nr. 5 GMG-AE. 5 Vgl. die Regelungen für den internationalen Versand gemäß § 73 Abs. 1a AMG i.d.F.d. Art. 12 Nr. 5 a) GMG-AE. Gegen die Zulassung des Versandes aus dem Ausland bestehen im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit tiefgreifendste Bedenken. Die ausländischen Behörden sind nicht in der Lage, den Versand nach Deutschland und die Einhaltung der hier geltenden Bestimmungen zu überwachen. Erst recht können die deutschen Behörden die Tätigkeit des ausländischen Versenders und die Einhaltung der nach deutschem Recht bestehenden Voraussetzungen im Ausland nicht überwachen. Vereinheitlichte Bestimmungen über die Führung von Apotheken, die bestimmte Mindest-Abgabestandards gewährleisteten, existieren nicht. Die Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten, ABl. Nr. L 253 vom 24. 09. 1985, S. 34 – 36, regelt nur Mindeststandards für die Ausbildung von Pharmazeuten, jedoch keine Mindeststandards für den Betrieb von Apotheken und die Abgabe von Arzneimitteln. Eine "Europäische Apothekenbetriebsordnung" gibt es nicht. Der internationale Versand würde zu einem faktisch rechtsfreien Raum führen. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass der EuGH entgegen den Schlussanträgen der Generalanwältin vom 11. März 2003 in der Rechtssache C-322/01 Deutscher Apothekerverband e.V. gegen 1. 0800 DocMorris NV 2. Jacques Waterval den gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung den Vorrang vor kommerziellen Interessen einräumen wird. Ungeachtet einer Entscheidung des EuGH besteht in keinem Fall ein Grund, den Versandhandel durch die Befreiung von der AMPreisV auch noch zu fördern. 6 Durch die neue Regelung des § 129 Abs. 5a SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände mit (einzelnen!) Apotheken für den Versand von Arzneimitteln oder für die Abgabe von Arzneimitteln in vertraglich vereinbarten Versorgungsformen (§ 130b SGB V i.d.F.d. Art. 1 GMG-AE) den für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis abweichend von den Preisvorschriften aufgrund des Arzneimittelgesetzes vereinbaren. 7 Vgl. GMG-AE, Begründung, S. 126. 8 Vgl. zum Ganzen etwa die Amtliche Begründung zum Gesetz über Regelungen auf dem Arzneimittelmarkt vom 24. 08. 1976, abgedruckt bei Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 1. Juni 2002, unter M 32; Amtliche Begründung zur Verordnung über Preisspannen für Fertigarzneimittel, BR-Drucks. 112/77, S. 7 ff.; BVerfG, Pharm. Ztg. 1982, S. 239 f.; BGH, Urteil vom 22. 02. 1984, GRUR 1984, 748, 749; Kloesel/Cyran, a.a.O., § 78 AMG, Anm. 1; Bauer, Die Preisbildung auf dem Arzneimittelmarkt und der pharmazeutische Großhandel, Pharm. Ztg. 1979, 2618. 9 Vgl. allgemein zu den Grundsätzen des Internationalen Öffentlichen Rechts etwa Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, § 23; Sonnenberger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1998, Band 10, Einl. IPR Rn. 355 ff., 374 ff.; zum Auswirkungsprinzip vgl. etwa Spindler, Das Herkunftslandprinzip im neuen Teledienstegesetz, RIW 2002, 183 ff., 187. 10 In der Fassung des Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz EGG) vom 14. Dezember 2001, BGBl. I S. 3721 ff. 11 Vgl. insbesondere EuGH, Urteil vom 12. 07. 2001 in der Rechtssache C-157/99, Smits und Peerbooms, Slg. 2001, S. I-5473 ff., I-5533 Rn. 72 ff. m.w.N.; vgl. allgemein auch Hirsch, Einfluss der EG auf nationale Gesundheitssysteme, MedR 2000, 586 ff.; Hanika, Europäisches Arzneimittelrecht, MedR 2000, 63 ff. 12 Vgl. EuGH, Urteil vom 21. 03. 1991 in der Rechtssache 369/88, Delattre, Slg. 1991, S. I-1487 ff., I-1539 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 27. 05. 1986 in den verbundenen Rechtssachen 87/85 und 88/85, Legia, Slg. 1986, S. 1707; vgl. ferner die Begründungserwägungen der Richtlinie 85/432/EWG des Rates vom 16. September 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über bestimmte pharmazeutische Tätigkeiten, ABl. Nr. L 253 vom 24. 09. 1985, S. 34 – 36. 13 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. Nr. L 144 vom 04. 06. 1997, S. 19 – 27. Art. 14 der Richtlinie 97/7/EG sieht ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung eines höheren Verbraucherschutzniveaus den Vertrieb im Fernabsatz für bestimmte Waren, insbesondere für Arzneimittel, unter Beachtung des EG-Vertrages in ihrem Hoheitsgebiet verbieten können. 14 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), ABl. Nr. L 178 vom 17. 07. 2000. S. 1 – 16. Nach Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie trägt jeder Mitgliedstaat dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den "koordinierten Bereich" fallen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen. Gemäß Art. 2 h) ii) der E-Commerce-Richtlinie umfasst der koordinierte Bereich keine Anforderungen wie Anforderungen betreffend die Waren als solche, Anforderungen betreffend die Lieferung von Waren oder Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden. Deshalb zählt gemäß Nr. 21 der Erwägungsgründe der E-Commerce-Richtlinie die Lieferung von Humanarzneimitteln nicht zum koordinierten Bereich. Darüber hinaus können gemäß Art. 3 Abs. 4 a) i) Spiegelstrich 2 der E-Commerce-Richtlinie die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft abweichen, wenn die Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sind. 15 Vgl. dazu auch Sander, Rechtsfragen des Arzneimittelhandels im Internet, PharmR 2002, 269 ff.; Mand, E-Commerce mit Arzneimitteln – Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf das Internationale Wettbewerbsrecht, MMR 2003, 77 ff. 16 Vgl. EuGH, Urteil vom 24. 11. 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck und Mithouard, Slg. 1994, S. I-6097 ff., I-6126 ff., I-6131 f. Rn. 15 ff.; EuGH, Urteil vom 11. 08. 1995 in der Rechtssache C-63/94, Pommes de Terre, Slg. 1995, S. I-2467 ff., I-2486 ff. 17 Vgl. EuGH, Urteil vom 10. 01. 1985 in der Rechtssache 229/83, Leclerc / Au Blé Vert, Slg. 1985, S. I-1 ff., 17 ff.; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2000 in der Rechtssache C-9/99, …chirolles Distribution, Slg. 2000, S. I-8207 ff. I-8224 ff. 18 Ebenso OLG Frankfurt, Urteil vom 31. 05. 2001, NJW-RR 2001, 1408, 1410. 19 Vgl. dazu BVerfGE 68, 193, 209; BVerfG, NJW 1997, 3085; NJW 2003, 1236, 1237; Nettesheim, Rationierung in der Gesundheitsversorgung – verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, Verwaltungs-Archiv 2002, 315 ff., 323 ff. 20 Vgl. zu Art. 14 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Zusammenhang mit der gesetzlichen Krankenversicherung etwa BVerfGE 64, 87 ff., 101; 69, 272 ff., 298 ff., 304 (Eigentumsschutz für sozialversicherungsrechtliche Ansprüche mit freiheitssichernder oder existentieller Bedeutung); vgl. auch BVerfG, NJW 2003, 1232, 1236; Egger, Verfassungsrechtliche Grenzen einer Gesundheitsreform, Die Sozialgerichtsbarkeit SGb 2/2003, S. 76 ff., 77; Schmidt-Aßmann, Grundrechtspositionen und Legitimationsfragen im öffentlichen Gesundheitswesen, 2001, S. 33 ff.; Stolleis, Möglichkeiten der Fortentwicklung des Rechts der Sozialen Sicherheit zwischen Anpassungszwang und Bestandsschutz, Referat, Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, Band II 1984, S. N 9 ff., N 13, N 31 ff., N 38 ff.; Suhr, Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im Lichte des Grundgesetzes, in: Fragen der Freiheit, Heft 238 Januar – März 1996 Sozialstaat und Verfassung, S. 5 ff., 41 ff., 62. 21 Ohne im Einzelnen darauf einzugehen, sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber vermerkt, dass die in § 14 Abs. 4 ApoG schon gesetzlich erfolgten und durch den GMG-AE darüber hinaus noch vorgesehenen Ausweitungen der Versorgungsmöglichkeiten durch Krankenhausapotheken im ambulanten Bereich im Hinblick auf die sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung von Krankenhausapotheken gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 AMPreisV die Inhaber öffentlicher Apotheken in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und 3 Abs. 1 GG verletzen. 22 Im Einzelnen würde es sich handeln um verschreibungspflichtige Arzneimittel, die abgegeben werden im Rahmen des Versandes, von Modellvorhaben (§ 64 SGB V), von Hausarztsystemen (§ 67 SGB V), von Strukturverträgen (vernetzte Praxen) (§ 73a Abs. 1 SGB V), von strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten (§ 137f SGB V), der integrierten Versorgung (§§ 140a ff. SGB V) und der Versorgung durch Gesundheitszentren (§ 95 Abs. 1 SGB V) (die vorgenannten Bestimmungen des SGB V verstehen sich jeweils in der Fassung des Art. 1 GMG-AE), vgl. die Begründung des GMG-AE zu Artikel 1, zu § 129 Buchstabe b) und zu § 130b. Die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen der Versorgung durch Gesundheitszentren wird zwar nicht in der Begründung des GMG-AE zu § 129 Abs. 5a SGB V, wohl aber als Form der vertraglich vereinbarten Versorgungsformen in der Begründung des GMG-AE zu § 130b SGB V aufgeführt. 23 BGBl. I S. 4637. Durch eine entsprechende Änderung des § 130 Abs. 1 SGB V gemäß Art. 1 GMG-AE soll der von den Apotheken zu gewährende Kassenrabatt wieder auf 5% gesenkt werden. Durch Art. 20 GMG-AE soll das Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler (Art. 11 BSSichG) wieder aufgehoben werden. 24 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität, Gutachten 2003, Redaktionell überarbeitete Version der Ministerfassung vom 24. Februar 2003, insbesondere S. 36 f., 118, ff., 158 ff. 25 Vgl. dazu BVerfGE 75, 108 ff., 148: "Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt." 26 Zu den versicherungsfremden Leistungen ist m. E. auch die Umsatzsteuer auf Arzneimittel zu zählen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ausgeschlossen, vgl. BVerfGE 75, 108 ff., 148. Die Streichung oder zumindest Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel, die zu Lasten der GKV abgegeben werden, entspricht im Übrigen nicht nur einem Vorschlag des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen im Gutachten 2000/2001, Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichzeit, Nomos Verlag 2002, S. 77 Rn. 61, sondern auch der Praxis der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. 27 Vgl. dazu Bauer, Pharma-Länder-Dossiers, a.a.O., S. 16 ff. Im Hinblick auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Regelung des gesundheitlichen Versorgungssystems bedeutet die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer, nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht, dass dessen Vorschriften unverhältnismäßig und folglich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind. Der Umstand allein, dass ein Mitgliedstaat andere Schutzregelungen als ein anderer Mitgliedstaat erlassen hat, ist somit für die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmung ohne Belang, vgl. insbesondere EuGH, Urteil vom 21. 10. 1999 in der Rechtssache C-67/98 Zenatti, Slg. 1999, S. I-7289 ff., I-7304 ff., I-7315 Rn. 33 f.; EuGH, Urteil vom 19. 02. 2002 in der Rechtssache C-309/99, Wouters u.a., Slg. 2002, S. I-1577 ff., I-1653 ff., I-1691 Rn. 108; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2002 in der Rechtssache C-294/00, Deutsche Paracelsus Schulen für Naturheilverfahren GmbH, EWS 2002, S. 473 ff., 476 Rn. 46. 28 Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ergibt sich aus einem Zusammenspiel öffentlich-rechtlicher, zivilrechtlicher und strafrechtlicher Normen des Apothekengesetzes, insbesondere der §§ 1 Abs. 2 und 3, 2 Abs. 1 Nr. 5, 3 Nr. 5, 7 Satz 1, 8, 9, 12 und 23 ApoG. Vgl. zum Fremd- und Mehrbesitzverbot allgemein Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, 3. Auflage 1981, S. 103 ff., 106 ff.; Tisch, Das Verbot vom Fremd- und Mehrbesitz, PZ 1995, 103 ff.; Dettling, Zur Anwendung des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbots bei Vertragsgeflechten, Apotheke und Recht 2001, 4 ff. 29 Vgl. BVerfGE 17, 232, 239 f., 245. 30 Vgl. BVerfGE 17, 232, 242 f. 31 Vgl. BVerfGE 94, 372, 391; vgl. ferner BGH, Urteil vom 25. 04. 2002, NJW 2002, 2724, 2726 f. Entsprechend führt Frau Bundesverfassungsrichterin Renate Jaeger in ihrem Vortrag "Die freien Berufe und die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit", AnwBl 2000, 475, 476, im Jahre 2000 aus: "Die freiberuflich Tätigen sollen die Integrität des Beamten, also Sachlichkeitsstreben und Verantwortlichkeit für das Gemeinwohl, verbinden mit Initiative, Selbständigkeit und Beweglichkeit des Unternehmers. Die Abhängigkeit vom Klienten sollte gepaart sein mit innerer Freiheit. Gewährleistet wird das durch ein System staatlicher und ständischer Regularien: hohe Leistungsanforderungen, hohe Berufsethik, Standesgerichtsbarkeit und Gebührenrecht …" Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 20. 01. 1999, Az. 1 BvR 327/97 und den Bericht hierzu in der DAZ Apotheker Zeitung vom 08. 02. 1999. 32 Gemäß § 2 Abs. 4 ApoG i.d.F.d. Art. 13 Nr. 2 GMG-AE soll die Erlaubnis zum Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken auf Antrag zu erteilen sein, wenn der Betreiber die rechtlichen Voraussetzungen zum Betreiben einer Apotheke erfüllt, die Anzahl der von ihm betriebenen Apotheken einschließlich der Apotheken, für die die Erlaubnis beantragt wird, nicht mehr als fünf beträgt und die Anzahl dieser Apotheken in einer Gemeinde nicht mehr als ein Drittel aller öffentlichen Apotheken dieser Gemeinde umfasst. Gemäß § 2 Abs. 5 ApoG i.d.F.d. Art. 13 Nr. 2 GMG-AE soll der Betreiber der "Kleinkette" verpflichtet sein, eine der Apotheken persönlich zu führen. Im Übrigen hat der Betreiber für jede Apotheke einen Verantwortlichen zu benennen, der die Verpflichtungen zu erfüllen hat, wie sie in dem Apothekengesetz und in der Apothekenbetriebsordnung für Apothekenleiter festgelegt sind. Art. 14 Nr. 2 GMG-AE enthält weitere Anpassungsregelungen zu § 2 ApBetrO. 33 Vgl. GMG-AE, Begründung, S. 122 ff., 132, 274 ff. 34 Vgl. zum Gesichtspunkt des Vertrauens der Bevölkerung BVerfGE 94, 372, 391 und oben. 35 Vgl. zum Ausschluss der Haftung von Arbeitnehmern bei leichter Fahrlässigkeit und zum Freistellungsanspruch von Arbeitnehmern gegen den Arbeitgeber im Falle einer Inanspruchnahme durch Dritte etwa Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2003, § 619a BGB Rn. 13 ff., 26. 36 Von einem niedrigeren Sorgfaltsniveau bei der Leitung durch Angestellte geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, vgl. dazu Gemmer/Helios, Apothekenrechtliches Mehr- und Fremdbesitzverbot, Apotheke und Recht (2002), 140. 37 Das Fremd- und Mehrbesitzverbot ist deshalb auch heute noch nach der ganz herrschenden Auffassung in der Literatur verfassungsgemäß, vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand: Juli 2001, Art. 12 GG Rn. 328; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 1996, Art. 12 GG Rn. 134; Zuck/Lenz, Der Apotheker in seiner Apotheke, 1999, S. 78 ff.; Starck, Die Vereinbarkeit des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbotes mit den verfassungsrechtlichen Grundrechten und dem gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsrecht, 1999, S. 22, 26. Für Manssen sind demgegenüber ausreichende Gründe des Gemeinwohls zur Rechtfertigung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes "nicht ersichtlich", vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Strack, Grundgesetz, Kommentar, Band I, 1999, Art. 12 GG Rn. 181. Diese Auffassung verkennt jedoch den Zusammenhang von persönlicher Verantwortung, Versorgungsqualität und Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung. 38 Dies wird übersehen von Taupitz, nach dessen Auffassung das Fremd- und Mehrbesitzverbot verfassungswidrig sein soll, soweit es auch für Apotheker gilt, vgl. Taupitz, Das apothekenrechtliche Verbot des "Fremd- und Mehrbesitzes" aus verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Sicht, 1998, S. 36 ff., 66 f., 69 ff., 74 f.; Taupitz/Schelling, NJW 1999, 1751. 39 Vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 28. 01. 1971, DAZ 1971, 1681, 1688. 40 Diese Konsequenz ergibt sich aus allgemeinen, grundrechtsdogmatischen Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht etwa bei der kürzlich ergangenen Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots, Impfstoffe an Ärzte zu versenden und hierfür zu werben, angewandt hat. Dort wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass "Gefahreinschätzungen … nicht schlüssig (sind), wenn identischen Gefährdungen in denselben oder in anderen, aber dieselbe Materie betreffenden Gesetzen unterschiedliches Gewicht beigemessen wird", vgl. BVerfG, NJW 2003, S. 1027. 41 S.o. und BVerfGE 17, 232, 242 f.

Das geplante Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) verfügt weitreichende Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung und des Apothekengesetzes. Ein Jurist konstatiert, dass die Änderungen teilweise verfassungswidrig sind. Sie kollidieren seiner Meinung nach mit einigen im Grundgesetz verankerten Rechten und Geboten wie Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Eigentumsgarantie, Berufsfreiheit und Gleichbehandlungsgebot.

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