- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 21/2003
- AK Berlin: Fortbildung ü...
Berichte
AK Berlin: Fortbildung über Migräne und Kopfschmerzen
Kopfschmerzen können die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Zu unterscheiden ist zwischen sekundären Kopfschmerzen, die als Folge einer anderen Erkrankung auftreten, und primären Kopfschmerzen, einer eigenständigen Erkrankung. Die häufigsten primären Kopfschmerzen sind die Migräne und der Kopfschmerz vom Spannungstyp (Spannungskopfschmerz), etwa 90 Prozent aller Kopfschmerzpatienten leiden an einer dieser Kopfschmerzarten oder an einer Kombination von beiden.
Differenzialdiagnose dringend notwendig
Priv.-Doz. Dr. Guy Arnold, Leiter der Kopfschmerz-Sprechstunde in der Klinik für Neurologie der Charité, Campus Mitte, gab aus ärztlicher Sicht einen Überblick über die verschiedenen Formen des Kopfschmerzes. "Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz", betonte er und wies damit auf die große Bedeutung der Differenzialdiagnose bei Kopfschmerzpatienten hin.
Das Hauptziel der Kopfschmerztherapie bestehe darin, aus einer diagnostischen Sicherheit heraus die geeigneten Behandlungsmaßnahmen auszuwählen. Nach einer Charakterisierung der Symptome des jeweiligen Patienten müsse der Arzt zunächst abklären, ob es sich um sekundäre Kopfschmerzen handelt. Kann dies ausgeschlossen werden, so bemühe man sich im nächsten Schritt um eine Einordnung innerhalb der primären Kopfschmerzarten.
Arnold zeigte eindrucksvoll an Patientenbeispielen, dass auch ein Schlaganfall, eine Arteriitis temporalis (ein chronisch entzündlicher Prozess der mittleren und größeren Blutgefäße von Kopf und Nacken, der unbehandelt zur Erblindung führen kann), Sinusitis-bedingte Kopfschmerzen, eine virale Meningoenzephalitis sowie die gefürchtete Subarachnoidalblutung (eine Blutung im Bereich der weichen Hirnhäute) mit migräneähnlichen Symptomen verbunden sein können und daher differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden müssen.
Auch eine bereits diagnostizierte Migräne schütze nicht vor anderen Erkrankungen des Gehirns und seiner Häute, betonte der Referent.
Charakteristik der Kopfschmerz-Arten
Kopfschmerzen können auf eine Kopfhälfte begrenzt sein (Hemikranie) oder den ganzen Kopf betreffen (holozephale Kopfschmerzen). Während man die Migräne und den Cluster-Kopfschmerz zu den Hemikranien zählt, treten Kopfschmerzen vom Spannungstyp sowie der Arzneimittel-induzierte Kopfschmerz holozephal auf. Die genannten Kopfschmerzarten lassen sich auch anhand anderer Merkmale voneinander abgrenzen (siehe Tab. 1).
Die Führung eines Kopfschmerzkalenders, wie er beispielsweise an der Charité Berlin entwickelt wurde, könne dem Arzt die Diagnose erheblich erleichtern, betonte Arnold.
Analgetika-Entzug
Beim Arzneimittel-induzierten Kopfschmerz handelt es sich um die häufigste sekundäre Kopfschmerzform. Soll ein Entzug der missbräuchlich angewendeten Analgetika durchgeführt werden, so ist es nach Arnolds Ansicht wichtig, dass Arzt und Patient gemeinsam die Behandlungsziele definieren.
Diese bestehen in der Regel in einer starken Reduktion der Kopfschmerzen, einer Verringerung des Verbrauchs von Akutmedikation sowie einer Vermeidung von Langzeitkomplikationen wie der Dialyse. Der Patient sollte sorgfältig über die Zeitdauer des Entzugs sowie die Erfolgschancen aufgeklärt werden. Eine starke Eigenmotivation erhöhe die Erfolgsaussichten.
Nach erfolgreichem Entzug seien eine Prophylaxe entsprechend der primären Kopfschmerzkrankheit, eine engmaschige Wiedervorstellung beim Arzt sowie die Therapiekontrolle über einen Kalender zu empfehlen.
Arzneistoffe gegen Kopfschmerzen
Im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Dr. Albrecht Ziegler, Institut für Pharmakologie im Universitätsklinikum Kiel, standen die Arzneistoffe, die bei den verschiedenen Kopfschmerzarten vom Arzt verordnet oder in der Selbstmedikation angewendet werden.
Bei Migräne können vom Arzt Dihydroergotamin, Ergotamin und die Triptane verordnet werden, beim Spannungskopfschmerz Amitriptylin. In der Selbstmedikation werden gegen beide Kopfschmerzarten Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Naproxen und Paracetamol eingesetzt.
Obwohl ASS ein sehr empfehlenswerter Arzneistoff sowohl bei Migräne als auch beim Spannungskopfschmerz ist, zeigt sich nach Zieglers Aussage manchmal nicht die erhoffte Wirksamkeit. Eine mögliche Ursache dafür könne die eingeschränkte Bioverfügbarkeit sein. Nur maximal 25 Prozent einer oral applizierten Dosis seien unverändert systemisch verfügbar.
Eine Verbesserung sei beispielsweise durch Bindung des Wirkstoffs an Lysin möglich. In einer Lancet-Studie, die Ziegler vorstellte, zeigte eine Kombination aus Lysin-Acetylsalicylat und Metoclopramid bei Migränepatienten mit und ohne Aura einen Therapieerfolg von 57 Prozent (n = 421), bei einer Sumatriptan-Behandlung (100 mg) lag dieser bei 53 Prozent.
Kombipräparate – beliebt, aber umstritten
Kombinationspräparate werden von Kopfschmerzpatienten in der Selbstmedikation recht häufig angewendet. Auch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) empfiehlt eine Fixkombination (ASS + Paracetamol + Coffein) bei Migräne und Spannungskopfschmerz. Ziegler warnte jedoch vor einer unkritischen Anwendung der Kombinationspräparate.
Zudem seien nicht alle in Deutschland als "Migränemittel" deklarierten Fertigarzneimittel tatsächlich empfehlenswert. Beispielhaft nannte er die Kombinationen Paracetamol + Buclicin (Migralave®), Dimenhydrinat + Paracetamol (Migraeflux orange N®) und Paracetamol + Codein (in Migraeflux N®).
In den vom Referenten vorgestellten Untersuchungen trat bei allen Arzneistoffen ein überraschend großer Plazeboeffekt auf, der Werte bis zu 50 Prozent erreichen konnte. Dies traf auch auf eine 2001 in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlichte große Metaanalyse mit den Triptanen Sumatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Eletriptan und Almotriptan zu. Ziegler gab den Rat, diesen Effekt im Apothekenalltag bei der Beratung von Migränepatienten zu nutzen.
Triptane – wirksam und verträglich
Die Triptane haben sich in der Migränetherapie einen festen Platz erobert, bei Spannungskopfschmerz sind sie dagegen unwirksam. Ziegler riet jedoch davon ab, diese Stoffgruppe allzu euphorisch zu betrachten. Auch bei den omnipotenten analgetischen Wirkstoffen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol sei eine Wirksamkeit bei Migräne in Studien inzwischen gut dokumentiert.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.