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Praxis
K. H. BauerRibavirin-haltige Hartgelatinekapseln &nd
Untersuchungsmaterial
Es wurden rezepturmäßig in drei verschiedenen Apotheken hergestellte Präparate sowie das Originalpräparat Rebetol® Kapseln von einem Untersuchungslaboratorium* untersucht (Tab. 1).
Gehaltsbestimmung
Die Gehaltsbestimmung für den Wirkstoff Ribavirin wurde nach einer vom Hersteller des Originalpräparates verwendeten chromatographischen Methode [1] durchgeführt, die sich eng an die Methode der Ribavirin-Monographie in der USP 24 anlehnt.
Nach Festlegung europäischer Richtlinien sowie Bekanntmachungen des BfArM [2, 3] muss bei Qualitätskontroll- und Stabilitätsprüfungen von zugelassenen Arzneimitteln der tatsächlich gefundene Wirkstoffgehalt eines Präparates 95% bis 105% der deklarierten Menge betragen.
Die deklarierte Menge bzw. die Dosis der geprüften Ribavirin-Kapseln beträgt jeweils 200 mg pro Kapsel. Bei den drei Apothekenrezepturen wurden 97,8%, 97% sowie 84,5% des deklarierten Gehaltes gefunden, während das Originalpräparat einen Gehalt von 98,8% aufwies (Abb. 1).
Der Gehalt der Rezeptur 2 war somit deutlich niedriger, als die europäischen Zulassungsbehörden erlauben würden. Eine solche Charge wäre nicht verkehrsfähig.
Gleichförmigkeit der Masse
Die Prüfung auf Gleichförmigkeit der Masse ist nach der Vorschrift des Europäischen Arzneibuchs durchzuführen [4]. Bei Kapseln ist der Inhalt der einzelnen Stichproben zu wiegen und jeweils die Abweichung von der Durchschnittsmasse festzustellen. Bei Kapseln < 300 mg Durchschnittsmasse erlaubt das Arzneibuch folgende Abweichungen: Von 20 geprüften Kapseln dürfen 18 Kapseln bis zu 10% abweichen, höchstens zwei Kapseln dürfen mehr als 10% abweichen, aber nicht mehr als 20%.
Die Rezepturen 1 und 3 und die Originalrezeptur entsprachen hinsichtlich Gehalt und Dosiergenauigkeit den Forderungen des Arzneibuchs (Abb. 1).
Die Analyse der Kapselfüllmasse zeigte, dass die Rezepturen 1 und 3, die der vom Arzneibuch geforderten Gleichförmigkeit der Masse entsprachen, sehr wenig Hilfsstoff neben dem Wirkstoff enthielten. Dagegen war in der Rezeptur 3 der Wirkstoff zusammen mit einer größeren Hilfsstoffmischung (248 mg) abgefüllt. Dieses Präparat erreichte nicht die Vorgaben des Arzneibuchs an die Gleichförmigkeit der Kapselfüllmasse.
Wirkstofffreisetzung
Die analytische Freigabe (Endkontrolle) von zugelassenen Präparaten sieht zur Qualitätssicherung zwingend vor, bei jeder einzelnen Charge die Wirkstofffreisetzung (Dissolution) zu untersuchen. Von der Europäischen Zulassungsbehörde ist für Rebetol®-Kapseln eine Wirkstofffreisetzung von mindestens 80% des deklarierten Wirkstoffes innerhalb von 30 Minuten gefordert. Bei dieser Untersuchung wurden je sechs Ansätze aus einer Charge der Apothekenrezepturen und des Originalpräparates geprüft.
Die Prüfung brachte folgende Ergebnisse (Abb. 2):
- Die Rezeptur 1 setzte innerhalb von 30 Minuten im Mittel lediglich 44% des Wirkstoffes frei. Dabei streute die Wirkstofffreisetzung der einzelnen Kapseln von 17% bis 67%.
- Die Rezeptur 2 setzte zwar im Mittel 82% frei, es war aber bei einzelnen Kapseln eine Streuung von 73% bis 93% des deklarierten Gehaltes zu beobachten.
- Die Rezeptur 3 setzte im Mittel 79% des Wirkstoffes frei, und zwar bei sehr starker Schwankung zwischen 52% und 97% je Kapsel.
- Das Originalpräparat setzte innerhalb von 30 Minuten 96% bis 103% der deklarierten Menge frei.
Alle drei in Apotheken hergestellten Kapselchargen entsprachen nicht den Anforderungen, die von der Zulassungsbehörde an das Originalpräparat gestellt werden. Den Mittelwert der Wirkstofffreisetzung der Rezepturen 2 und 3 könnte man zwar noch als zufriedenstellend beurteilen, aber die Streuungen der sechs Ansätze aus einer Charge waren sehr hoch. Die Qualität der Rezeptur 1 war völlig inakzeptabel.
Technologische Probleme der Herstellung
Die Hersteller sind verpflichtet, besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beschäftigten gegenüber solchen Stoffen anzuwenden, die bei Hautkontakt sowie Aufnahme in den Körper zu gesundheitlichen Schäden führen können (z. B. Merkblatt M 620 "Sichere Handhabung von Zytostatika" der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege).
Ribavirin ist ein Wirkstoff, der sich bei allen untersuchten Tierspezies weit unter der für die Anwendung beim Menschen empfohlenen Dosis als embryotoxisch und teratogen erwiesen hat.
Nach dem Sicherheitsdatenblatt ist das Arbeiten in staubundurchlässiger Kleidung sowie mit Schutzhandschuhen und Schutzbrille notwendig. Die Herstellung (beim Originator) erfolgt im Sicherheitslabor und unter Laminar Airflow. Dagegen werden vom Wirkstofflieferanten keine näheren Angaben oder Empfehlungen zum fachgerechten Vorgehen gemacht.
Die unzureichenden Resultate, die bei der Untersuchung der in Apotheken hergestellten Ribavirin-Kapseln erhalten wurden, werfen natürlich auch die Frage auf, ob vielleicht die technologisch schwierige Substanz dafür verantwortlich ist.
Aus technologischer Sicht sind folgende Anmerkungen zu der von dem Wirkstofflieferanten herausgegebenen und mitgelieferten Herstellungsvorschrift (s. Kasten) zu machen:
Je Kapsel werden den 200 mg Wirkstoff nur 18 mg Füllstoffe zugesetzt. Die verwendeten Füllstoffe an sich sind vertretbar. Nach DAC hat der Arzneimittelfachmann bei der Herstellung von Hartgelatinekapsel-Rezepturen beispielsweise die Möglichkeit, Mannitol und 0,5% Aerosil (hochdisperses Siliciumdioxid) als Fließregulierungsmittel einzusetzen.
Die Füllstoffmenge ist zu gering. Hoch konzentrierte Wirkstoffe ohne Dilutionsmittel, ohne Netzmittel oder ohne Resorptionsbeschleuniger führen erfahrungsgemäß nicht selten zu schlechten Bioverfügbarkeiten.
Bei der Herstellung einer neuen Rezeptur hat die verantwortliche Apothekerin oder der verantwortliche Apotheker die Verpflichtung, sich zur allgemeinen Arzneimittelsicherheit und zum eigenen Schutz über alle Eigenschaften und Eigenheiten der verwendeten Rohstoffe zu informieren.
Im Falle der Ribavirin-Formulierungen führt der Originator an, dass der Wirkstoff außerordentlich voluminös ist und sich beim Mischen in nicht hermetisch abgeschlossenen Behältern leicht in der Umgebung verteilt und teilweise verloren gehen kann. Er muss deshalb vor der Verkapselung unter so hohem Druck kompaktiert (trockengranuliert) werden, dass die geforderte Wirkstofffreisetzung gewährleistet ist.
Die Herstellungsvorschrift des Wirkstofflieferanten [5] verlangt nur eine leichte und gute Vormischung der Füllstoffe in einer ausreichend großen, rauen Reibschale, anschließend die Zugabe des Wirkstoffes unter intensiven und ausgiebigen Misch- und Verreibungsaktivitäten.
Zuletzt wird das homogene Gemisch sorgfältig aus der Reibschale ausgeschabt, entleert und in opakgefärbte Steckkapseln der Größe 0 abgefüllt. Zur Qualitätssicherung sollen die Kapseln nach Ph. Eur. auf Gleichförmigkeit der Masse geprüft werden.
Diese Rezepturvorschrift ist nicht geeignet, ein qualitativ zufriedenstellendes Arzneimittel unter den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen herzustellen.
Schlussfolgerung
Die vorliegenden Ergebnisse der Qualitätsprüfung von rezepturmäßig hergestellten Ribavirin-Kapseln belegen eindeutig, dass keins der Präparate zulassungsfähig wäre.
Die mittlere Freisetzung des Wirkstoffes betrug in einem Fall nur 44%. Einzelne Kapseln setzten lediglich 17% des deklarierten Gehaltes innerhalb 30 Minuten frei. Darüber hinaus wurden bei einzelnen Kapseln weitere gravierende Mängel wie zu geringer Gehalt oder nicht ausreichende Gleichförmigkeit der Masse festgestellt. Eine Bioäquivalenz der in Apotheken hergestellten Kapseln gegenüber dem zugelassenen Originalpräparat kann somit teilweise ausgeschlossen werden oder ist fraglich.
Wer darf Arzneimittel herstellen?
Die gewerbliche Herstellung von Arzneimitteln ist an Sachkenntnis und eine Erlaubnis gebunden (§ 13 Abs. 1 AMG). Zur Herstellung "im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes", d. h. zur Abgabe an den Endverbraucher in der herstellenden Apotheke, benötigt der Inhaber der Apotheke eine solche Erlaubnis nicht (§ 13 Abs. 2 AMG).
Arzneimittelherstellung ist eine pharmazeutische Tätigkeit und darf neben dem Apotheker vom pharmazeutischen Personal entsprechend seiner Ausbildung und seiner Kenntnisse nach Maßgabe § 3 ApBetrO ausgeübt werden. Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken und Kennzeichnen (§ 4 Abs. 14 AMG).
Was ist ein Arzneimittel?
{te}Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, … Krankheiten … zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen … (§ 2 Abs. 1 AMG). Chemische Elemente, Verbindungen, ihre Gemische und Lösungen, Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand … sind "Stoffe" im Sinne des AMG und damit Arzneimittel (§ 3 AMG).
Was ist ein Fertigarzneimittel?
Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht werden.
Was ist Arzneimittelqualität?
Grundlage aller Überlegungen zur Herstellung von Arzneimitteln ist der Qualitätsbegriff (§ 6 Abs. 1 ApBetrO), wie er dem jeweiligen Stand der pharmazeutischen Wissenschaften entspricht. Der "Stand der pharmazeutischen Wissenschaften" ist festgelegt durch die geltenden Arzneibücher.
Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird (§ 4 Abs. 15 AMG).
Gemäß dem Qualitätsbegriff der American Pharmaceutical Association und der Academy of Pharmaceutical Sciences sollte ein Arzneimittel
- jeden aktiven Stoff in der auf der Packung angegebenen Menge innerhalb der vorgeschriebenen Toleranzen enthalten,
- dieselbe Menge Wirkstoff in jeder Dosiseinheit und in jeder Herstellungscharge enthalten (content uniformity),
- frei von Fremdstoffen sein,
- seine Beschaffenheit und seine Wirksamkeit bis zur Verwendung behalten und
- die wirksamen Bestandteile bei der Anwendung so freigeben, dass sie biologisch vollständig verfügbar sind.
Diesen Anspruch müssen auch in der Apotheke hergestellte Arzneimittel ohne Einschränkung erfüllen. Unterschiede darf es nur da geben, wo die kürzere Verwendungsdauer nach der Herstellung dies erlaubt, wie z. B. der Verzicht auf Konservierungsstoffe und Stabilisatoren in Einzelfällen als Bestandteil eines therapeutischen Konzeptes.
Was sind Einzelrezepturen?
Einzelrezeptur (Individualrezeptur, Ad-hoc-Rezeptur) ist die übliche Bezeichnung für ein im Gegensatz zum Fertigarzneimittel nicht im Voraus hergestelltes und/oder zur Abgabe abgepacktes Arzneimittel.
Dieser Begriff beinhaltet nicht nur ein aus einem oder mehreren Wirkstoffen in Verbindung mit Hilfs-, Trägerstoffen oder Lösungsmitteln angefertigtes Arzneimittel, sondern ist auch für die Einzelabfüllung (Dispensation) aus dem Apothekenstandgefäß gebräuchlich.
Dabei macht es keine Unterschiede, ob es sich beim Inhalt des Standgefäßes um unverarbeitete oder verarbeitete Arzneistoffe, Arzneimittelmischungen oder auch im voraus hergestellte Rezepturen jeglicher Art handelt (§ 7 ApBetrO).
Schlussfolgerungen
Es ergeben sich gewisse Unterschiede, ob Rezepturen, Defekturen, Fertigarzneimittel oder Standardarzneimittel hergestellt werden. Im Bedarfsfall hergestellte Einzelrezepturen sind beispielsweise keiner Prüfung oder Endkontrolle unterworfen und erfordern auch keine Protokollführung.
Der Qualitätsbegriff ist jedoch die Grundlage aller Überlegungen zur Herstellung von Arzneimitteln. Auch die in der Apotheke hergestellten Arzneimittel müssen hohe Qualitätsansprüche ohne Einschränkung erfüllen. Die gesetzlichen Vorschriften machen keinen Unterschied, ob Arzneimittel in der Apotheke oder industriell hergestellt wurden.
Viele Apothekenrezepturen erfüllen die geforderten Qualitätsansprüche in keiner Weise (die geprüfte Rezeptur 2 gewährleistet nicht einmal eine exakte Einwaage). Sie fügen – im Gegenteil – der Pharmazie, dem Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheke und in den "Fachmann für das Arzneimittel" großen Schaden zu, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Aut-idem-Diskussion.
In solchen Fällen müsste die Aufsichtsbehörde unverzüglich eingreifen und geeignete Maßnahmen ergreifen, damit jeglicher weitere Schaden im Keime erstickt wird. Es muss sichergestellt werden, dass nicht nur die geltenden gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien eingehalten und befolgt werden, sondern dass auch die hohe Berufsethik erhalten bleibt.
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