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Arzneimittel und Therapie
Kardiovaskuläre Prävention: Verapamil so wirksam wie Atenolol oder Hydrochloro
Bluthochdruck wird bei vielen Patienten mit einem Calciumantagonisten behandelt. Allerdings ist umstritten, ob Calciumantagonisten genauso vor kardiovaskulären Endpunkten schützen wie andere Antihypertensiva-Klassen.
In der CONVINCE-Studie (Controlled Onset Verapamil Investigation of Cardiovascular End Points) wurde dieser Frage nachgegangen. Dabei wurde der Calciumantagonist Verapamil in retardierter Arzneiform mit kontrolliertem Beginn der Wirkstofffreigabe (controlled-onset extended-release, COER) verwendet und mit dem Betablocker Atenolol bzw. dem Diuretikum Hydrochlorothiazid verglichen. Zusätzlich wurde untersucht, ob Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär bedingter Tod in den Morgenstunden vermehrt auftreten.
Stufe 1: niedrig dosierte Monotherapie
Die randomisierte Doppelblindstudie fand an 661 Zentren in 15 Ländern statt. Teilnehmer waren Hypertoniker ab 55 Jahren, die mindestens einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor hatten. Sie bekamen als initiale Therapie entweder 180 mg retardiertes Verapamil mit kontrolliertem Freigabebeginn oder eine aktive Kontrolltherapie. Diese bestand aus 50 mg Atenolol oder 12,5 mg Hydrochlorothiazid, je nachdem was der behandelnde Arzt vor der Randomisierung für seinen Patienten empfohlen hatte.
Die Patienten nahmen abends eine Tablette Verapamil bzw. Plazebo und morgens eine Tablette Plazebo bzw. Atenolol oder Hydrochlorothiazid ein. Die Dosis der Initialtherapie wurde verdoppelt, wenn der systolische Blutdruck weiterhin 140 mm Hg und/oder der diastolische 90 mm Hg überschritt.
Stufe 2: Kombinationstherapie
Senkte die doppelte Dosis den Blutdruck noch nicht ausreichend, bekamen Patienten mit Verapamil oder Atenolol 12,5 mg Hydrochlorothiazid zusätzlich zur einfachen Dosis ihrer Initialtherapie. Patienten mit Hydrochlorothiazid wurden entsprechend mit 50 mg Atenolol zusätzlich behandelt. Bei unzureichender Wirkung durfte die Dosis des zweiten Antihypertensivums verdoppelt werden.
Stufe 3: offene Zusatzmedikation
Bei Bedarf konnte die Behandlung durch ein beliebiges weiteres Antihypertensivum ergänzt werden, mit Ausnahme von Nicht-Dihydropyridin-Calciumantagonisten, Thiaziddiuretika und Betablockern. Die Gabe eines ACE-Hemmers wurde empfohlen.
Gleichwertiger kardiovaskulärer Schutz?
Primäres Zielkriterium der CONVINCE-Studie war das erste Auftreten von Schlaganfall, Herzinfarkt oder kardiovaskulär bedingtem Tod. Dabei sollte untersucht werden, ob eine Initialtherapie mit dem Verapamil-Präparat genauso vor kardiovaskulären Ereignissen schützt wie das vom Arzt ausgewählte Atenolol oder Hydrochlorothiazid. Die Äquivalenzgrenzen für das relative Risiko waren vorab auf 0,86 bis 1,16 festgelegt.
Studie aus wirtschaftlichen Gründen abgebrochen
Die Studie war für fünf Jahre geplant. Aus finanziellen Gründen brach der Sponsor die Studie nach einer mittleren Beobachtungszeit von drei Jahren vor der Entblindung ab. 16 602 Patienten nahmen teil. Die 126 Teilnehmer zweier Zentren wurden wegen Verdacht auf mangelnde Daten-Integrität nicht in der modifzierten Intention-to-treat-Analyse berücksichtigt. Von den übrigen 16 476 Patienten hatten 8179 Verapamil und 8297 die aktive Kontrolle erhalten. Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt. 56 % waren Frauen. 84 % hatten zuvor bereits Antihypertensiva verordnet bekommen. Knapp die Hälfte der Patienten wies zwei oder mehr zusätzliche Risikofaktoren auf.
Nur ein gutes Viertel blieb bei der initialen Monotherapie
Am Studienende nahmen noch 28 % der Verapamil-Patienten und 26 % der Kontroll-Patienten ausschließlich die initiale Monotherapie ein. In beiden Gruppen nahmen zu diesem Zeitpunkt knapp 40 % der Patienten nur noch offen Antihypertensiva ein. Für den Abbruch der doppelblinden Behandlung waren in der Verapamil-Gruppe signifikant häufiger Nebenwirkungen verantwortlich als in der Kontroll-Gruppe, insbesondere Verstopfung bei 216 gegenüber 28 Patienten. Wegen unzureichender Blutdrucksenkung brachen dagegen mehr Patienten der Kontroll-Gruppe die Behandlung ab: 207 gegenüber 115.
Vergleichbare Blutdrucksenkung
Beide Regime senkten den Blutdruck signifikant. Im Durchschnitt reduzierte Verapamil den Blutdruck um 13,6/7,8 mm Hg und Atenolol bzw. Hydrochlorothiazid um 13,5/7,1 mm Hg. Beim letzten Arztbesuch während der Studie war der Blutdruck jeweils bei zwei Dritteln der Patienten unter 140/90 mm Hg gesenkt.
Primäre Endpunkte etwa gleich häufig
In beiden Behandlungsgruppen blieb am Studienende für jeweils 7 % der Patienten unklar, ob sie einen primären Endpunkt (Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herztod) erreicht hatten. 364 Verapamil-Patienten und 365 Kontroll-Patienten hatten ein primäres Endpunktereignis. Das relative Risiko betrug für Verapamil 1,02. Das 95 %-Konfidenzintervall reichte von 0,88 bis 1,18. Herzinfarkte waren unter Verapamil nicht signifikant seltener als unter Atenolol bzw. Hydrochlorothiazid: 133 gegenüber 166 Patienten waren betroffen (relatives Risiko 0,82). Gleichzeitig traten nicht signifikant mehr Schlaganfälle auf: 133 gegenüber 118 (relatives Risiko 1,15).
152 Patienten der Verapamil-Gruppe und 143 der Kontroll-Gruppe starben einen kardiovaskulär bedingten Tod (relatives Risiko 1,09). Insgesamt starben 337 Verapamil-Patienten und 319 Kontroll-Patienten (relatives Risiko 1,08). 793 Verapamil- und 775 Kontroll-Patienten hatten primäre Endpunktereignisse oder Klinikaufenthalte aus kardiovaskulären Gründen. Das relative Risiko betrug 1,05.
Signifikante Unterschiede gab es bei folgenden sekundären Endpunkten:
- Mehr Verapamil- als Kontroll-Patienten mussten wegen Herzinsuffizienz stationär aufgenommen weren (126 gegenüber 100; relatives Risiko 1,30).
- Mehr Verapamil- als Kontroll-Patienten wurden wegen nicht Schlaganfall-bedingter Blutungen stationär aufgenommen oder starben daran (118 gegenüber 79; relatives Risiko 1,54). Jeweils sechs Patienten starben daran.
In beiden Behandlungsgruppen traten zwischen 6 Uhr morgens und 12 Uhr mittags mehr primäre Endpunktereignisse auf als in den übrigen 6-Stunden-Abschnitten des Tages.
Äquivalenzbeweis dennoch verfehlt
In dieser abgekürzten Studie konnte nicht nachgewiesen werden, dass eine initiale Therapie mit COER-Verapamil ebenso wirksam vor kardiovaskulären Ereignissen schützt wie ein Therapiebeginn mit dem Betablocker Atenolol oder dem Diuretikum Hydrochlorothiazid. Die Obergrenze des 95 %-Konfidenzintervalls für den primären Endpunkt überschritt mit 1,18 die festgesetzte Äquivalenzgrenze von 1,16 geringfügig. Allerdings waren sowohl das Risiko für den primären Endpunkt (auch in verschiedenen Untergruppen) als auch das Risiko für die meisten sekundären Endpunkte in beiden Gruppen ähnlich groß. Lediglich das Blutungsrisiko und das Herzinsuffizienzrisiko waren unter Verapamil erhöht.
Bei den einzelnen Bestandteilen des kombinierten primären Endpunktes gab es nicht signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen: Unter dem Calciumantagonisten traten 18 % weniger Herzinfarkte und 15 % mehr Schlaganfälle auf. Dies kann Zufall sein, könnte aber auch die thrombozytenaggregationshemmende Eigenschaft des Präparates widerspiegeln. Die verringerte Herzinfarktinzidenz und die erhöhte Schlaganfallinzidenz sind gegenläufig zu den in der NORDIL-Studie für Diltiazem und in einer Metaanalyse für Calciumantagonisten festgestellten Trends.
Etwas überraschend folgern die Autoren aus den Ergebnissen dieser Studie und der ALLHAT-Studie, in der Amlodipin und Chlortalidon verglichen wurden, dass der kardiovaskuläre Schutz bei einer Initialtherapie mit einem Calciumantagonisten wohl nicht größer, aber möglicherweise mit einem Betablocker oder Diuretikum vergleichbar ist.
Die amerikanische Bluthochdruck-Gesellschaft empfiehlt in ihrem 6. Bericht niedrig dosierte Diuretika oder Betablocker für Bluthochdruckpatienten, die keine spezifische Indikation für ein anderes Antihypertensivum aufweisen.
Die Tablette besteht aus einem Kern, der von einer semipermeablen Membran umgeben ist. Der Kern enthält sowohl eine Arzneistoff-haltige Schicht als auch eine osmotisch aktive Schicht.
Im Gastrointestinaltrakt dringt Wasser in die Tablette ein. Zunächst wird eine Ummantelung des Arzneistoff-haltigen Kerns aufgelöst und freigesetzt. Erst dann dehnt sich die osmotisch aktive Schicht aus und drückt Arzneistoff durch Laser-gefertigte Membranöffnungen nach außen.
Die Verapamil-Freisetzung beginnt 4 bis 5 Stunden nach oraler Aufnahme und erfolgt etwa 12 Stunden bei konstanter Freisetzungsrate. Wird die Tablette abends eingenommen, ist der Plasmaspiegel morgens am höchsten.
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