Management

DAZ-InterviewDie Marke – was hat die Apotheke

Jeder von uns kennt Marken, sei es im privaten wie im beruflichen Bereich. Schließlich arbeiten wir selbst mit und unter einem Markenzeichen, dem roten Apotheken-A. Jeder verbindet mit einer Marke einen besonderen Anspruch und hat eine Erwartungshaltung an eine Marke. Was bedeutet nun die Marke für die Apotheke, für die Apothekenkunden? Welchen Nutzen können wir aus einer Marke ziehen? Zum Thema Marken in der Apotheke sprachen wir mit Dr. Karl-Heinz Winter, Merz Consumer Care, und Dr. Klaus Kluthe, Bayer Vital Consumer Care, die sich beide beruflich mit dem Begriff der Marke auseinander setzen. Beide sind im Vorstand des Arbeitskreises OTC im Markenverband, Dr. Winter ist Vorsitzender dieses Arbeitskreises.

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Was versteht man eigentlich unter einer Marke?

Winter:

In Anlehnung an den Marketingfachmann K. Brandmeyer versteht man heute unter einer Marke die Gesamtheit aller positiven und negativen Vorstellungen, die im Kopf der Konsumenten aktiviert werden, wenn er ein Markenzeichen als bedeutungstragendes Symbol wahrnimmt.

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Soweit die Definition, die Theorie. Doch was bedeutet die Marke für den Verbraucher?

Winter:

Marken sind Orientierungshilfen für den Verbraucher. Eine Marke bürgt beim Verbraucher für immer gleiche Qualität, sie schafft Vertrauen und Sicherheit. Eine Marke baut eine Beziehungen zum Verbraucher auf. Man kann sogar soweit gehen, dass Marken Teile des Lebens bewusst und unbewusst prägen. Marken wecken bestimmte Erwartungen, die sie erfüllen müssen. Und: über Marken teilt sich der Verbraucher seiner Umwelt mit.

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Gilt das generell für alle Marken?

Winter:

Egal, ob Sie die Marke Coca-Cola oder Aspirin oder Bepanthen nehmen – Marke ist Marke. Der Verbraucher hat sofort eine bestimmte Vorstellung, wenn er den Markenbegriff hört, liest oder sieht. Marke löst einen kleinen Film im Kopf aus und zwar in dem Moment, indem er das Markenzeichen sieht, das Logo oder sogar nur eine bestimmte Farbe, z. B. die Farbe Lila. Wir wissen z. B. aus unseren eigenen Untersuchungen, dass Leute, die im Massmarket vor einem Regal mit Erkältungspräparaten stehen, nach der hellblauen Farbe von Tetesept schauen. Oder: Ältere Leute beispielsweise schauen nach der charakteristischen Verpackung und Flaschenform von Klosterfrau Melissengeist.

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Welchen konkreten Nutzen hat denn der Verbraucher von einer Marke

Winter:

Eine Marke bringt für den Verbraucher natürlich Qualität, Vertrauen und Sicherheit. Wie ich vorhin schon erwähnte: Der Verbraucher teilt sich über eine Marke seiner Umwelt mit. Nehmen Sie als Beispiel nur das Auto, das man fährt. Oder: wenn Sie in die Wohnung oder das Haus von Freunden und Bekannten gehen, schaut man unwillkürlich, welche Marken diese Leute verwenden.

Kluthe:

Als Markenhersteller muss man darauf achten, dass man ständig eine hohe gleichbleibende Qualität anbietet. Ist erst einmal das Vertrauen in die Marke erschüttert, beispielsweise durch Negativberichte, so ist es sehr schwer, dieses Vertrauen wieder aufzubauen. Wenn heute eine Automobilfirma, die für Qualität bürgt, genauso viele Autos zurückruft wie eine andere Automobilhersteller, der für qualitativ weniger hochwertige Produkte steht, so hat das qualitätsorientierte Unternehmen ein Problem.

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Gibt es außer der Qualität noch andere Vorteile einer Marke?

Winter:

Was neben dem Qualitätsaspekt sichergestellt sein muss: Die Marke ist Garant dafür, dass innerhalb dieses Segments ständig Innovationen stattfinden. Bei den "normalen Produkten" und Handelsmarken finden keine Innovationen statt, hier wird Jahr und Tag das selbe Produkt angeboten. Die Hersteller, die darauf spezialisiert sind, die einfachen Handelswaren zu produzieren, können sich keine Forschung, keine Innovationen leisten, sie sind darauf spezialisiert, das Produkt zu einem möglichst günstigen Preis herzustellen. Das gilt auch für den Apothekenbereich. Hier gibt es viele Generikahersteller, die lediglich ihre Produkte herstellen, ohne weitere Forschung, zu einem möglichst günstigen Preis. Es gibt nur wenige Generikahersteller, die heute bereits selbst zu einer Marke geworden sind und sich in bestimmtem Umfang eine eigene Forschung leisten können.

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Steht hier steht der Originalhersteller immer wieder vor neuen Herausforderungen, insbesondere nach Patentablauf?

Winter:

Durchaus, denn nach Patentablauf darf jeder Generikahersteller den Wirkstoff für sich vermarkten und auf den Markt bringen. Hier ist dann der Originalhersteller gezwungen, das Produkt innovativ weiterzuentwickeln, damit das Produkt unter seinem Markennamen einen Zusatznutzen bietet, den das einfache Generikum nicht bieten kann.

Der Originalhersteller braucht für seine Marke einen Vorsprung, eine Einzigartigkeit, die ihn vom Nachahmer abhebt. Der Mehrwert der Marke und der Preis müssen in einer vernünftigen glaubwürdigen Relation zueinander stehen. Hier machen Markenhersteller manchmal den Fehler, dass sie nicht weiter an Innovationen arbeiten und dass sie nicht auf den richtigen Preis achten. In dem Moment, wo im Arzneimittelbereich der Patentschutz fällt, muss der Originalhersteller entweder auf den vernünftigen Preisabstand achten oder eine Innovation unter dieser Marke auf den Markt bringen, der den höheren Preis rechtfertigt.

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Wenn ich Sie recht verstanden habe, reicht der Nutzen des Produktes und seine Qualität nicht alleine aus, um eine Marke zu etwas Besonderem zu machen?

Winter:

Qualität und der einzigartige Nutzen sind sicher Voraussetzungen für eine gute Marke. Aber, was den Erfolg einer Marke ausmacht, ist der Mehrwert und das, was man emotional mit der Marke verbindet. Ich erinnere hier als Beispiel an die Marken Coca-Cola und Pepsi-Cola. Obwohl die Produkte so gut wie identisch schmecken und im Blindtest kaum auseinander gehalten werden können, schwören manche Verbraucher auf die eine, die anderen auf die andere Marke, und genau das wird mit dem Markensymbol transportiert, das macht die "Magie" der Marke aus und letztlich den Erfolgsfaktor.

Den Mehrwert schafft man also einmal durch die Art der Kommunikation und dann natürlich über die Qualität des Produktes. Stellen Sie sich einmal das typische Verbraucherverhalten vor. Der Verbraucher hat in der Werbung ein bestimmtes Produkt gesehen. Beim nächsten Einkauf wird er sich daran erinnern und es kaufen. Wenn er das Produkt verwendet und von der Qualität überzeugt ist, wird er ein loyaler Verbraucher dieses Produktes werden. Der Mehrwert des Produktes wurde also durch zwei Dinge geschaffen, einmal durch die Kommunikation, die Werbung, die ihn ansprach und ihm sympathisch war, und dann durch die Qualität des Produktes.

Fairerweise muss man allerdings sagen, dass der Unterschied bei der Qualität zum anderen Produkt nicht immer objektiv ist. Ich erinnere hier an das Beispiel der Cola-Marken. Insbesondere auch über die Kommunikation wird ihm ein besonderes Erlebnis vermittelt, mit dem er sich identifiziert oder eben auch nicht. Letztendlich vermittelt ihm dieser Unterschied den Markenmehrwert.

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Diese Erkenntnisse machen Sie sich sicher auch beim Vertrieb Ihrer Pharmaprodukte zu Nutze?

Winter:

Natürlich. Wir versuchen zunächst Sympathie beim Verbraucher für unser Produkt zu wecken. Der Sympathiewert soll durch ständige Begegnung mit dem Produkt beim Verbraucher erhöht werden, dann durch die Weiterentwicklung und durch Folgeprodukte. Der Bezug des Verbrauchers zu seinem Produkt, zu seiner Marke kippt nur, wenn das Produkt seine Erwartungen nicht erfüllt, wenn das Produkt beispielsweise qualitativ schlechter wird. Der Verbraucher wird seinem Produkt auch dann untreu, wenn er das Gefühlt hat, dass ihm das Produkt nicht mehr den Mehrwert bietet, der ihm versprochen wird.

Kluthe:

In diesem Bereich soll auch erwähnt werden, dass die Verpackung eine nicht zu unterzuschätzende Rolle spielt, nämlich eine ähnliche, wie die Kleidung des Menschen. Auch sie kann darüber entscheiden, ob manche Menschen sympathisch und unsympathisch wirken.

Winter:

Deswegen legen wir in unserem Haus auch sehr viel Wert auf eine schön aussehende Verpackung unserer Produkte und verwenden hochglänzende Umkartons. Für meine Auffassung gilt dies auch nicht nur für die Produkte im Massmarket, sondern auch für die in der Apotheke. Auch bei Apothekenprodukten in der Frei- und Sichtwahl, für den Selbstmedikationsmarkt, sollte Wert auf eine ansprechende Verpackung, auf ein attraktives Äußeres legen.

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Was erhoffen Sie sich als Markenhersteller vom Fachhandel, hier von der Apotheke?

Winter:

Natürlich erhoffen wir uns, dass Marken beim Apotheker als solche auch erkannt, gepflegt und präsentiert werden. Wenn Apotheken ihre Sichtwahl immer stärker für Markenartikel einschränken und statt dessen mit Generika bestücken, kann das nicht den Markenumsatz fördern, da der Kunde seine Marke nicht findet. Dies hätte zur Folge, dass der Absatz der Marke zurückgeht, der Hersteller investiert nicht mehr in Innovationen für diese Marke, die Preise sinken und letztendlich läuft alles auf einen Preiskampf hinaus: die Marke ist kaputt.

Kluthe:

Leider findet man bisweilen bereits im Apothekenmarkt die Situation vor, dass der Apotheker oder sein Personal von sich aus nur noch darauf geeicht sind, im Bereich der Selbstmedikation ein möglichst billiges Produkt abzugeben. Selbst wenn der Kunde mit einem Markenwunsch kommt, wird ihm das zum Teil ausgeredet und dem Kunden ein billiges Generikum angeboten. Hier machen sich Apotheker ihren Umsatz selbst zunichte.

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Wie können sich Markenhersteller und Apotheker zusammentun?

Winter:

Die Hersteller brauchen die Distributionsschiene Apotheke. Denn allein dieser Absatzkanal bürgt für Qualität. Auf der anderen Seite, wenn die Apotheker nicht dafür sorgen, den Markenartikeln ausreichend Platz einzuräumen, werden Segmente, die aus heutiger Sicht noch relativ gut gehen, mit der Zeit eingehen, es wird zu Lasten ihrer Profitabilität gehen. In anderen Märkten lässt sich dies bereits nachweisbar feststellen.

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Was erwarten Sie nun vom Apotheker, was sollte er zur Förderung von Marken konkret tun?

Winter:

Der Verbraucher hat, wie wir aus Untersuchungen wissen, Interesse und Freude am Thema Gesundheit. Und im Vergleich zu anderen Warengruppen verbringt ein Kunde in Supermärkten am Gesundheitsregal die meiste Zeit, so unsere Untersuchungen. Der Apotheker könnte beispielsweise dem Verbraucher in der Freiwahl ein Sortiment anbieten, das seinem Einzugsgebiet der Käuferschicht entspricht.

Leben im Einzugsbereich der Apotheke beispielsweise viele junge Familien, sollte die Freiwahl entsprechend mit Kinderpflegeartikeln, Säuglingsartikeln und Waren für die junge Mutter bestückt werden. Ist ein Altersheim in der Nähe der Apotheke, so kann die Freiwahl mit entsprechenden Produkten für die Senioren bestückt werden. Und mein zweiter Hinweise: Der Kunde hat ein starkes Informationsbedürfnis, wenn es um seine Gesundheit geht. Man sollte daher dem Kunden vor dem Freiwahlregal ausreichend Zeit lassen, sich mit den Waren zu beschäftigen. Hier ist es nicht notwendig, dass sofort nach fünf oder zehn Sekunden eine Mitarbeiterin neben dem Kunden steht und fragt, ob sie ihm helfen kann.

Der Kunde möchte sich zunächst auch selbst mit den Waren beschäftigen – und diese Zeit sollte man ihm lassen. Und wichtig: Man sollte dem Kunden durchaus Informationen zum Mitnehmen bieten, beispielsweise Broschüren, Flugblätter und kleine Heftchen. Also: Dem Kunden ruhig Freiraum zur Eigeninformation geben und Zeit zum Umschauen im Bereich der Freiwahl. Wenn der Kunde persönliche Informationen will, wird er sich auf jeden Fall melden.

Unterschätzen Sie nicht den Wert der Sichtwahl. Wenn der heutige Mitarbeiter ein Rezept entgegen nimmt und die Ware zusammensucht, steht der Kunde in der Regel vor dem Sichtwahlregal und "screent" das Warenangebot. Nicht selten wird ihm dabei eine Marke auffallen, die ihn zum Kauf dieses Produktes reizt.

Kluthe:

Waren, die in der Sichtwahl platziert werden sollten, sind in aller Regel von der Industrie bereits vorverkauft. Der Kunde erinnert sich an die Packungen, die er in der Werbung gesehen hat, sieht sie in der Sichtwahl wieder und kauft sie. Nach meiner Auffassung dürften also in der Sichtwahl keine Generika stehen. Das Sichtwahlregal sollte also nicht nach Kriterien der Bequemlichkeit bestückt werden, weil Generikum A oder Generikum B häufig verordnet wird und es für den Apotheker so einfach ist, einfach hinter sich ins Regal zu langen. Zwar lebt der Apotheker heute noch überwiegend vom GKV-Umsatz, von den teuren Innovationen, die auf Rezept verordnet werden. Doch dies wird mit der Zeit abnehmen, die jetzige Arzneimittelpreisverordnung wird verändert werden, der Apotheker sollte sich hier umstellen.

Winter:

Je schneller er lernt, sich an andere Einkommensquellen anzupassen und andere Marketingstrategien umzusetzen, umso einfacher wird es für ihn sein, hier neue Einkommensquellen aufzutun. Während Einzelhandelsgeschäfte darum kämpfen müssen, dass Kunden zu ihnen kommen, kommen die Apothekenkunden allein über das Rezept in die Apotheke. Jetzt liegt es am Apotheker selbst, dem Kunden Zusatzkäufe anzubieten über das, was der Kunde während des Apothekenaufenthalts sieht. Im Massmarket werden allein 67% der Kaufentscheidungen am Regal selbst getroffen. Diese Chance zu nutzen, die Leute zu beeinflussen, etwas zusätzlich mitzunehmen, wenn sie im Geschäft sind, ist eine Herausforderung für den Apotheker, die er ausbauen sollte.

Kluthe:

Wir erwarten vom Apotheker, dass er die Sichtwahl für die Markenpräparate reserviert, dass er sich im Klaren darüber ist, welche Vorteile er dadurch hat. Die Naturalrabatte, die ihm Generikahersteller bieten, gleichen den Vorteil, den er durch den Verkauf von Originalpräparaten hat, nicht aus. Bei einem Markenpräparat besteht ein geringer Erklärungsbedarf, die Marke ist vorverkauft, er kennt das Produkt aus der Werbung, der Zeitaufwand für den Verkauf des Produktes ist wesentlich geringer. Apotheken und Markenartikel passen bestens zusammen, denn das rote Apotheken-A ist selbst eine Marke, die im Kopf des Verbrauchers für Zuverlässigkeit, Kompetenz, Seriosität und fachgerechte Beratung steht.

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Herr Kluthe, Herr Winter, wir bedanken uns für das Gespräch!

Das Interview führte Peter Ditzel

Jeder von uns kennt Marken, sei es im privaten wie im beruflichen Bereich. Schließlich arbeiten wir selbst mit und unter einem Markenzeichen, dem roten Apotheken-A. Jeder verbindet mit einer Marke einen besonderen Anspruch und hat eine Erwartungshaltung an eine Marke. Was bedeutet die Marke für die Apotheke, für die Apothekenkunden? Welchen Nutzen können wir aus einer Marke ziehen? Zum Thema Marken in der Apotheke sprachen wir mit Dr. Karl-Heinz Winter, Merz Consumer Care, und Dr. Klaus Kluthe, Bayer Vital Consumer Care, die sich beide beruflich mit dem Begriff der Marke auseinander setzen müssen. Beide sind im Vorstand des Arbeitskreises OTC im Markenverband tätig. Dr. Winter ist derzeit Vorsitzender dieses Arbeitskreises.

Marke Die Gesamtheit aller positiven und negativen Vorstellungen, die im Kopf der Konsumenten aktiviert werden, wenn er das Markenzeichen als bedeutungstragendes Symbol wahrnimmt.

Was bedeuten Marken für den Verbraucher? Marken sind ...
  • Orientierungshilfen,
  • bürgen für immer gleiche Qualität,
  • schaffen Vertrauen und Sicherheit,
  • bauen Beziehungen zu den Verbrauchern auf,
  • prägen Teile des Lebens, bewusst und unbewusst,
  • wecken bestimmte Erwartungen, die sie erfüllen müssen,
  • mit ihnen teilt sich der Verbraucher seiner Umwelt mit.

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