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Feuilleton
Zur Erinnerung: Luke Howard – der "Erfinder der Wolken"
Dezember 1802: Mit zitternden Händen löst Luke Howard das Band um sein Manuskript. Der Saal ist kalt und düster, in dem sich die Mitglieder der Askesian Society versammelt haben. Howard beginnt fast entschuldigend: "Das Thema, über welches ich heute meinen Vortrag halte, wird vielen wohl ohne großen praktischen Nutzen erscheinen . . ." Wie die Geschichte der Wissenschaften zeigt, irrte sich der Amateurgelehrte darin gewaltig.
Howard wurde am 28. November 1772 in London geboren. Wie kam er dazu, sich mit den Wolkenformationen zu beschäftigen? Sicherlich kaum, weil man ihm erlaubte, seine Tage auf dem Rücken liegend zu verträumen! Denn seine Eltern waren Quäker und hielten ihn zu praktischen Tätigkeiten an.
Die Wende kam im Jahre 1783, als er elf Jahre alt war. Es war in jeder Hinsicht eine außergewöhnliche Zeit: Die Natur schien verrückt geworden zu sein. England erschauerte unter Fluten von Blitzen. Im Juni verhüllte ein so dichter Nebel die südlichen Grafschaften, dass die französische Küste überhaupt nicht mehr zu sehen war. Er verdeckte die Sonne, ein herbstliches Klima ließ mitten im Sommer die Blätter fallen, die Menschen litten an Übelkeit und Kopfschmerzen, wie Howard in seinem Tagebuch schreibt.
Diese erschreckenden Phänomene ließen den Ruf nach einer wissenschaftlichen Erklärung laut werden. So stiegen im Jahre 1783 die ersten Ballons auf, um die höhere Atmosphäre zu erkunden.
Apotheker und Naturforscher
Auch Howard wollte die Naturphänomene erforschen. Da in seiner Familie jedoch die Forschung "an sich" als brotlose Kunst verpönt war, wurde er Apotheker. 1794 ließ er sich in der Fleet Street 29 nieder. Sein Laboratorium diente bald auch anderen als nur pharmazeutischen Zwecken. So wurde es unter anderem als Ausstellungsort für die aquarellierten Himmelsbilder genutzt, die Howard als Grundlage seiner Arbeit dienten.
Doch er war mit seinen Wolkenforschungen nicht allein. Auch der Franzose Jean-Baptiste Lamarck beschäftigte sich damit. Allerdings mischten sich bei ihm noch starke astrologische Aspekte in seine Betrachtungen. Napoléon, der alles Vage und die Scharlatanerie hasste, verbot schließlich 1809 Lamarck seine Wetterstudien und schrieb ihm vor, sich fürderhin mit der Biologie zu beschäftigen. So wurde Lamarck ein hochberühmter Paläontologe, während sein Name für die Wetterkunde in Vergessenheit geriet – zugunsten von Howard.
Einfach, aber präzise
Der Erfolg Howards ist in der Einfachheit und Klarheit, mit der er die vielfältigen Wolkenformen beschrieb, begründet: "Es gibt drei simple und abgegrenzte Modifikationen, in denen sich die wolkenbildenden Tröpfchen zusammenfinden, enorme Dimensionen annehmen, dann sich entladen und verschwinden." Diese drei Erscheinungsformen nannte er mit lateinischen Wörtern "cirrus" ("Faden"), "cumulus" ("Haufen") und "stratus" ("ausgestreckt").
Zwischen diesen drei Modifikationen gibt es vier Mischformen: Cirro-Cumulus, Cirro-Stratus, Cumulo-Stratus und Cumulo-Cirro-Stratus (auch "Nimbus" genannt).Diese Klassifikation war sowohl einfach als auch elastisch. Mit ihr ließen sich alle Wolkenformen eindeutig beschreiben.
Die Arbeit Howards entstand auf der Grundlage strikter Wissenschaftlichkeit, die alle Faktoren berücksichtigte: Höhe, Dichte und Formation der Wolken sowie ihre Lebensdauer. Zugleich setzte Howard die Wolken in Beziehung zum Wetter an sich und beschrieb, unter welchen Umständen bestimmte Formen bevorzugt auftreten. Damit begründete er die Wolkenschau als erstes Element einer modernen Wettervorhersage. 1803 veröffentlichte er seine Arbeit im Philosophical Magazine und wurde auf einen Schlag berühmt.
Dennoch setzten sich seine lateinischen Wolkenbezeichnungen nur langsam durch: Erst 1891 benutzte man sie offiziell. Obwohl Howard sehr alt wurde – er starb 1864 – hat er diesen Triumph nicht mehr erlebt.
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