Management

R. HerzogAgieren in der Krise - Teil 1: Finanz- und

Nicht wenige Apotheken stecken, das zeigen die Auswertungen des laufenden Jahres, in ernsten Schwierigkeiten. Die Zukunftsaussichten sind durchwachsen. Welches uns zugedachte Modell Sie auch nehmen: Die Renditesituation wird keinesfalls besser. Vielleicht muss gar die Sicherung des jetzigen "Nach-BSSichG"-Niveaus bereits als Erfolg gesehen werden. Das bedeutet: Vorsteuer-Gewinne häufig nur noch im einstelligen Prozentbereich, Handelsspannen, die meistens mit einer Zwei beginnen und mehrheitlich in einem Bereich von 25% bis 28% zu liegen kommen. Um mit dieser neuen Situation umgehen zu können, hilft nur eines: scharfes Rechnen, klare Kostenkontrolle, ein gutes Zahlenverständnis. Dabei darf natürlich Ihre Hauptaufgabe nicht unter die Räder kommen Ų die gute Versorgung Ihrer Kunden. Allen politischen Unbilden zum Trotz werden die Umsätze immer noch auf zwei Beinen in die Apotheke getragen.

Im Rahmen dieser Serie möchten wir Ihnen einige Ansatzpunkte für eine ökonomischere Apothekenführung geben. In Teil 1 soll die Finanzplanung und die langfristige Aufstellung eines "Lebenseinkommensmodells" im Vordergrund stehen.

Realistische Finanzplanung: unverzichtbar!

Trotz der schwierigen Lage erstaunt es immer wieder, auf welch dünner Datenbasis viele Kollegen agieren. Nicht selten wird schicksalsergeben den jeweiligen Abrechnungen entgegengesehen, in der Meinung, man könnte ja doch nichts ausrichten. Selbst wenn man nichts daran ändern kann, ist es doch von größter Bedeutung, wenigstens zu wissen, in welche finanzielle Zukunft man fährt.

Viele Schieflagen, selbst großer Konzerne, hätten durch eine vorausschauende, auf realistischen Zukunftserwartungen beruhende Finanz- und Einnahmenplanung vermieden werden können. Wer keine Vorstellung davon hat, welche Umsätze und Erträge er für welches Einkommen braucht, bzw. welche Einkünfte überhaupt mindestens erforderlich sind für einen gewissen Lebensstandard und private Verpflichtungen, der fährt quasi blind und ohne Tacho im Nebel.

1. Teil: Bestandsaufnahme

Mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme soll zuerst die Grundlage für weitergehende Planungen gelegt werden. Hierbei kommt es darauf an, absolut ehrlich und realistisch zu sein; gerne lügt man sich in die eigene Tasche, wenn man z. B. völlig überhöhte Wertansätze für den eigenen Betrieb oder Immobilien vornimmt.

a) private Ausgaben

Fangen wir mit dem Bereich an, vor dem viele Menschen am liebsten die Augen verschließen: dem privaten Ausgabenbereich. Hier liegen aber sehr häufig die Ursachen für finanzielle Probleme.

Sie werden bei der Auflistung aller Ausgaben erstaunt sein, was sich im Laufe der Zeit so alles an laufenden Belastungen angesammelt hat, die für sich betrachtet nicht allzu viel ausmachen, sich jedoch ganz schön summieren können:

  • Versicherungsverträge aller Art
  • Mitgliedschaften in Clubs, Vereinigungen usw.
  • Abonnements verschiedenster Couleur
  • Beiträge für Kreditkarten
  • diverse Verträge für Handys, Internetdienste, konventionelle Telefonanlagen usw.

Diese Liste lässt sich fortsetzen. Alle diese Dinge gehören auf den Prüfstand. Der Verzicht fällt meistens leicht, es muss der Lebensstandard nicht wirklich eingeschränkt werden. Oft können auch günstigere Tarife und/oder andere Anbieter gewählt werden, das gilt für Versicherungen in besonderem Maße.

Wer mehrere Autos unterhält, Haus und Grund versichert und auch sonst vorgesorgt hat (Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtsschutzversicherung, private Vorsorge gegen Unfall und Berufsunfähigkeit usw.), kommt schnell auf beachtliche Beträge. Einsparpotenziale von manchmal mehreren tausend Euro pro Jahr sind gar nicht selten!

Ungeachtet dessen addieren sich größere Posten für die private Lebenshaltung hinzu. An erster Stelle stehen allgemein die Aufwendungen für das Wohnen (Eigenheim!). Unterhaltsaufwendungen für Familienangehörige folgen, dann kommen meistens bereits die Ausgaben für Autos und Fortbewegung, ggf. auch für teure Hobbys. Abgesehen von verschwenderischem Lebensstil sind dagegen die täglichen Aufwendungen für den Haushalt oder die kleinen Freuden des Alltags gar nicht so hoch.

Bewährt hat sich eine Liste, die die laufenden Ausgaben aufführt (Abb. 1), und diese zudem mittels zusätzlicher Spalten klassifiziert, in Kategorien wie

  • unverzichtbar
  • wünschenswert
  • Streichposten bzw. Luxus.

Machen Sie sich nicht wieder etwas vor: Bei Autos oder anderen, teureren Anschaffungen sollte eine angemessene Rücklage für eine Neuanschaffung eingeplant werden. Wer den Wertverlust eines Autos nicht ansetzt und auch sonst auf keine Rücklagen zurückgreifen kann, wird in einigen Jahren wieder "Zwangskunde" eines Kreditinstitutes. Für Immobilien sind, abhängig von Alter und Größe, angemessene Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen zu kalkulieren, die den Wert des Objektes sichern.

Scheuen Sie sich nicht, rigoros Posten in die Streichliste zu übernehmen und Ansprüche zu reduzieren. (Scheinbarer) Rückschritt bedeutet oft einen großen Fortschritt. Überlegen Sie einmal, für was Sie ihre Nerven strapazieren und möglicherweise schlaflose Nächte verbringen.

Steht den Ausgaben überhaupt ein adäquater Wert gegenüber? Oder zerrinnen sie einfach zwischen den Fingern, ohne dass Sie am Monatsende wüssten, wofür eigentlich? Viele Konsumanschaffungen büßen bereits einen Großteil ihres Wertes ein, wenn Sie damit das Geschäft verlassen. Wieviel wird zudem angeschafft, aber gar nicht genutzt? Was steht alles nutzlos herum? Ironisch formuliert: Eigentum belastet, noch zudem, wenn es das "falsche" ist ...

Ausgehend von obiger Übersicht, können Sie nun für sich selbst drei Einkommensniveaus definieren: den unverzichtbaren Grundsockel, das wünschenswerte Niveau, welches Raum für etwas mehr und auch eventuelle Rücklagen lässt, und den Luxuslevel, der teure Hobbys und / oder einen forcierten Vermögensaufbau zulässt. Wir reden hierbei stets von Nettobeträgen, monatlich oder jährlich. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir dazu auf das notwendige Vorsteuer-Einkommen bzw. die erforderlichen Umsätze des Betriebes zurückrechnen.

b) Wert- und Vermögensbilanz

Laufende Ausgaben sind das eine. Ebenso aufschlussreich ist es, einmal eine Bilanz dessen aufzustellen, was bisher im Verlaufe des Berufslebens an Werten geschaffen (oder auch abgebaut!) wurde. Idealerweise beginnen Sie an einem frühen Punkt, z. B. dem Beginn der Berufstätigkeit.

Mit welchem Startkapital haben Sie damals angefangen (nicht selten bei Null)? Waren Werte wie Eigentumswohnung, Erbschaften u.a.m. vorhanden, und in welcher Höhe? Standen dem möglicherweise schon Schulden gegenüber, die abzuziehen wären?

Kameraschwenk in die Gegenwart: Welche Vermögenswerte sind heute vorhanden? Wie sieht die Bilanz unter dem Strich aus:

Barvermögen + Wertpapiere zum Kurswert + Lebensversicherungen (Rückkaufwert) + ggf. wertvolle Sammlungen (Münzen, Briefmarken etc., Marktwert) + ggf. sonstige, teure Vermögensgegenstände (Marktwert) + Immobilien (derzeitiger Marktwert) + Betrieb (geschätzter, derzeitiger Verkaufswert komplett) – Restschulden – ggf. Steuerschuld (z. B. bei Betriebsverkauf) ----------------------------------------------------- = Netto-Vermögen / Netto-Schulden

Etliche dieser Positionen müssen geschätzt werden. Hier sind realistische, eher konservative Ansätze zu machen. Es kommt auch nicht auf eine centgenaue Bilanz an. Entscheidend ist, in welche Richtung Sie tendieren: Sind Werte geschaffen worden, hat sich der Vermögensstand in etwa gehalten, oder ist er gar ins Minus gerutscht?

Wer möchte, bilanziere jedes Jahr. Über die Jahre zeigen sich dann die langfristigen Entwicklungen besonders deutlich, und einzelne Ausreißer relativieren sich (man denke z. B. an Kursverluste an der Börse, die erst einmal nur auf dem Papier stehen und nächstes Jahr bereits wieder egalisiert sein können).

Die Schuldenproblematik

Gefährlich kann es werden, wenn Ihr Schuldenstand Ihre Vermögenswerte übersteigt. Das ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft: Nur durch zukünftige Leistungen kann es gelingen, dieses Minus in ein Plus zu verwandeln. In jungen Jahren ist dies nicht kritisch, sondern die Regel. Ihr Arbeitsleben liegt vor Ihnen.

Mit zunehmendem Lebensalter jedoch wird es immer schwieriger, den Rückstand aufzuholen. Die verbleibende, kürzere, aktive Spanne lässt eben in der Summe nicht mehr so hohe Einkommen zu wie einige Jahre vorher. Zudem gestaltet sich der Vermögensaufbau schwieriger: Der Zinseszinseffekt entfaltet sich vor allem langfristig – die Ertragskurve steigt exponenziell an.

Ein festes Startkapital, zu nachhaltig 6 % p.a. angelegt, nimmt in den ersten 10 Jahren um 79 % zu, nach 20 Jahren beträgt es bereits das 3,2-fache des Ausgangswertes, nach 30 Jahren sogar gut das 5,7-fache. Wem die Zeit knapp wird, kann hier nur noch wenig profitieren, oder aber er muss auf hochrentierliche und damit in der Regel hochriskante Anlagen ausweichen – zum Ende des Berufslebens ein gefährliches Unterfangen.

Ganz kritisch wird es, wenn Sie Schulden für etwas aufgenommen haben, welches seinen Wert verloren oder zumindest erheblich abgebaut hat. Autos und Konsumgegenstände sind das klassische Beispiel. Die schlimmsten und in der Praxis auch häufig zu Schieflagen führenden Fälle sind jedoch ein weit überteuertes Luxus-Eigenheim, welches seinen ursprünglich gezahlten Preis bei Weitem nicht wieder erzielt, sowie zu hohe Investitionen in den Betrieb.

Gerade die Einschnitte der jüngsten Zeit entwerten viele Apotheken enorm. Wer eine gut gehende Apotheke z. B. in einem Ärztehaus vor einigen Jahren gekauft hat, nicht selten sogar zu einem siebenstelligen Betrag, und dessen Rechnung für Lebenshaltung und Schuldendienst gerade so aufging, hat jetzt ein ernstes Problem: Nicht nur, dass die Einkünfte und der Kredittilgungen gefährdet erscheinen, es ist ein Vermögensverlust von zig hunderttausend Euro entstanden. Es wird ein Schuldendienst für etwas geleistet, das diesen Wert nicht mehr hat. Das führt zu Dellen in der Lebensleistung, die kaum mehr auszubügeln sind.

Übrigens stehen die Apotheken damit nicht alleine: Denken Sie nur an die Fusionitis und Übernahmewellen vor einigen Jahren, den UMTS-Irrsinn der Telekommunikationsunternehmen – hier standen mehrheitlich keine adäquaten Werte gegenüber. Es waren alles Luftbuchungen, bezahlt mit der Hoffnung auf stete Wachstumsraten im Wolkenkuckucksheim.

Deshalb kann die Empfehlung nur lauten: Hinterfragen Sie die nachhaltige Werthaltigkeit von Investitionen äußerst genau. Steigert eine Investition nicht ihren Wert oder hält ihn zumindest einigermaßen, so müssen ihr zumindest adäquate Erträge z. B. durch Kosteneinsparungen, höhere Effizienz oder bessere Umsätze gegenüberstehen.

Letzteres sollte der Fall bei Investitionen in Geräte, EDV oder auch eine Einrichtung sein. Unter dem Aspekt des Werterhaltes bzw. der Wertvermehrung sind klassischerweise gekaufte Geschäftswerte, Immobilieninvestitionen und natürlich Kapitalanlagen zu sehen.

2. Teil: Planung und Szenarien

Auf der Grundlage Ihrer Bestandsaufnahme können Sie nun zurückrechnen: Wie muss der Betrieb laufen, damit ein bestimmtes Einkommen erzielt wird? Welche Überschüsse benötige ich, um in x Jahren ein gewisses Vermögen aufzubauen? Das bringt uns einem Lebenseinkommensmodell näher.

Das Lebenseinkommensmodell

Der Charme dieser Betrachtungsweise liegt darin, dass nicht nur das reine Einkommen aus dem Betrieb oder sonstiger Erwerbstätigkeit herangezogen wird, sondern auch Folgeeinkommen und gefolgte Werte, wie der Vermögensaufbau und dessen Entwicklung aus den Überschüssen, der Aufbau von Rentenanwartschaften oder die Schaffung von Immobilien- und Geschäftswerten.

Eine solche Betrachtung, die stets wieder nur annähernd sein kann und zudem auf recht langfristigen Annahmen fußen muss, zeigt dennoch sehr schön auf, was überhaupt erreicht werden kann. Durch die Einbeziehung mehrerer Szenarien – ein erwartetes, ein worst-case- und ein best-case-Szenario – lässt sich der Rahmen abschätzen, innerhalb dessen sich die Lebensleistung bewegen dürfte, verbunden mit einer Risikobetrachtung. Wie so etwas vereinfacht aussehen kann, zeigt folgendes, ausführliches Fallbeispiel:

Apotheker M. übernimmt im Alter von 35 Jahren eine Apotheke. Wir schreiben das Jahr 1998. Die Apotheke setzt 1,1 Mio. Euro um, bei einem Rohgewinnsatz (Spanne) von 32,5 % netto. Der Kaufpreis beträgt 325 000 Euro zuzüglich 100 000 Euro Warenlager. Herr M. (verheiratet, 2 Kinder) hatte bis dato einige Jahre in öffentlichen Apotheken und in der Industrie verbracht. Etwas Eigenkapital (25 000 Euro) fließt in den Kauf der Apotheke mit ein, 400 000 Euro werden fremdfinanziert.

Der Umsatz der Apotheke entwickelt sich in etwa marktkonform, die Spanne sinkt ebenfalls im Gleichtakt mit den übrigen Kollegen. So werden Ende 2002 gut 1,40 Mio. Euro umgesetzt, bei allerdings nur noch 30,0 % Spanne. In den fünf Jahren von 1998 bis 2002 erzielt Kollege M. ein jährliches Nettoeinkommen von etwa 60 000 Euro in 1998 bis rund 70 000 Euro in 2002 (Basis für diese Rechnung sind branchentypische Ansätze für die Kosten; die Apotheke sei komplett fremdfinanziert zu seinerzeit 6,5 % Zinsen, Lebensversicherungsmodell über 15 Jahre). Durchschnittlich sind also etwa 65 000 Euro p.a. erwirtschaftet worden, insgesamt 325 000 Euro.

Nun der Blick in die Gegenwart bzw. die Zukunft:

Gesetzt den Fall, das BSSichG und GMG hätte es nie gegeben, die Spannen hätten sich so entwickelt wie in den vergangenen Jahren (also ein steter Rückgang von etwa 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten p.a.), bei im Durchschnitt mäßigem Umsatzwachstum von im Schnitt 2,5 % p.a.: Herrn M. wären etwa 6000 Euro monatlich oder rund 72 000 Euro p.a. die nächsten Jahre gewiss gewesen.

Wie man aber in Abb. 2 auch sieht: Spannenrückgang sowie mäßiges Umsatzwachstum gleichen sich dergestalt aus, dass das Einkommen auf nominalem Niveau verharrt. "Lohnerhöhungen" sind also nicht drin (bzw. nur über weitere Kosteneinschnitte zu Lasten Anderer realisierbar).

Der erfreuliche Sprung des Einkommens nach oben im Jahre 2013 resultiert ausschließlich aus dem Auslaufen der Kreditverbindlichkeiten in diesem Modell (Finanzierung über 15 Jahre, beginnend 1998). Dieser Zuwachs ist nur teilweise verbrauchbar: mit Sicherheit stehen dann erhebliche Ersatzinvestitionen an (Modernisierung, neue Einrichtung usw.), die ebenfalls finanziert sein möchten.

Rechnen wir zusammen, sagen wir bis zum 60. Lebensjahr (also über 25 Jahre Apothekenleiter-Karriere am gleichen Standort hinweg):

15 Jahre lang ergaben sich Nettoeinkommen um 70 000 Euro p.a., macht zusammen rund 1,1 Mio. Euro. Die letzen 10 Jahre sehen besser aus: Die großen Kredite sind abgetragen. Das Einkommen könnte in die Gegend von 100 000 bis 110 000 Euro im Jahr steigen (Abb. 2).

Dagegen sind Ersatzinvestitionen zu setzen. Sie ließen sich jedoch z. B. aus der Überschussbeteiligung der Lebensversicherung bestreiten. 400 000 Euro Finanzierungsvolumen, in 1998 aufgenommen, bedeutet über 15 Jahre jährliche Prämien von etwa 26 700 Euro (zuzüglich Bankzinsen für den Gesamtbetrag). Damit wird am Ende die Schuld abgetragen.

Die Zinserträge aus diesen Prämien hingegen konnten bislang unter einfach einzuhaltenden Randbedingungen steuerfrei vereinnahmt werden. Bei 5 % Wertzuwachs p.a. sind das immerhin rund 205 000 Euro, bei 7 % gar 317 000 Euro; Segelt die Versicherung hingegen in schwerem Fahrwasser und erwirtschaftet gar nur noch den Mindestzinssatz von 3,25 % (dessen weitere Absenkung ist geplant!), schrumpft der Ertrag auf gut 121 000 Euro im betrachteten 15-Jahres-Zeitraum!

Nehmen wir optimistisch rund 100 000 Euro für die letzten zehn Jahre an, ergibt dies noch einmal rund 1 Million Euro Nettoeinkünfte. Die Gesamt-Lebensleistung über 25 Jahre addiert sich damit in die Gegend von 1,1 Mio. aus den ersten 15 Jahren plus 1 Mio. der letzten zehn Jahre plus einem eventuellen Restwert der Apotheke.

Dieser steht hingegen mehr als in den Sternen – zuverlässig rechnen lässt sich damit nicht mehr, und schon gar nicht über einen so langen Zeitraum. Der erreichbare Rahmen in diesem "Vor-BSSichG-Szenario" lag also bei etwa 2,0 bis 2,5 Mio. Euro "Lebensleistung" netto.

Nebenbei: Wer sich über die hohen Einkünfte – 90 000 oder 100 000 Euro netto im Jahr sind ja ein Wort – wundert: Wir schreiben das Jahr 2013 und folgende! Zieht man die Vergangenheit heran, so haben sich die Löhne ebenfalls gesteigert. 1,5 % bis 2 % netto p.a. addieren sich über die Jahre bis 2013 ebenfalls zu einem Plus von 15 % bis über 20 %.

Individuelle Besonderheiten können den Wert der Lebensleistung jedoch gehörig ins Wanken bringen: Individuelle, standortspezifische Umsatzschwankungen, persönliche, steuerliche Optimierungsmöglichkeiten und Vieles mehr können die Beträge beträchtlich nach oben oder unten ausschlagen lassen. Und denken Sie an die private Vermögensbildung.

Wie sich schon bei den obigen Rechnungen zur Lebensversicherung eindrücklich gezeigt hat, machen wenige Prozentpunkte, aber noch viel mehr die Dauer der Anlage den entscheidenden Unterschied: Fängt Herr M. gleich im ersten Jahr an, konsequent 1000 Euro monatlich zur Seite zu legen und diese mit 5 % netto (nach ggf. Steuern) verzinsen zu lassen, so werden daraus über 25 Jahre bis zu seinem 60. Geburtstag rund 585 000 Euro – bei 300 000 Euro Einzahlungssumme immerhin beinahe eine Verdoppelung.

Rückgerechnet in Preise von heute (bei 2 % Inflation pro Jahr) wäre dieser Betrag immer noch knapp 360 000 Euro "wert". Entschließt sich Herr M. allerdings erst 10 Jahre später zu diesem Schritt, verbleiben noch 15 Jahre – er kann nominal nur noch rund 265 000 Euro aufbauen, bei 180 000 Euro an Einlagen. Auch so etwas gehört in ein intelligentes Lebenseinkommensmodell mit hinein!

Leider sollte alles so nicht kommen, und so stellt sich die Frage: Wie sieht das auf einem deutlich erniedrigten Renditeniveau aus? Apotheker M. sei durch das BSSichG ein wenig über dem Durchschnitt gebeutelt worden: Seine Spanne geht auf 26,5 % zurück. Der Umsatz stagniert in etwa.

Für die Folgejahre sei wiederum von mäßig wachsendem Umsatz (2,5 % p.a.), einem sich fortsetzenden, aber wieder langsamerem Spannenschwund von minus 0,2 %-Punkte p.a., sowie Kostensteigerungen von 2 % jährlich ausgegangen. In Abb. 3 sehen Sie die Langfristprognose; sie ähnelt der aus der vorangegangenen Abbildung sehr, ist aber quasi um gut 2000 Euro monatlich gestaucht (beachte die Randmaßstäbe!). Pro Jahr müssen danach rund 25 000 bis 27 000 Euro weniger angesetzt werden.

Herr M. beschließt Gegenmaßnahmen: Straffere Personalpolitik, gutes Kostenmanagement; freilich lag er schon vorher recht gut im Rennen. Es gelingt ihm, die Einbußen auf 15 000 Euro netto im Jahr zu begrenzen. Da sich der Sockel nun dauerhaft nach unten abgesenkt hat, wird sich diese Einkommensminderung durch seine ganze, restliche Berufslaufbahn hindurchziehen.

Diese beträgt, von 2003 an gerechnet, noch 20 Jahre; er büßt also 300 000 Euro netto ein, zuzüglich eines weitgehenden Verlustes des Geschäftswertes. Er wird damit auch wesentlich unflexibler: Will er seinen Standort wechseln, wird er hohe Verluste beim Verkauf seiner jetzigen Apotheke hinnehmen müssen.

Doch ist dieses Szenario noch optimistisch, gegenüber dem einer totalen Stagnation. Nehmen wir einmal an, der Umsatz bewegt sich nicht mehr von der Stelle (von möglichen, langdauernden Verfällen nicht zu reden). In Bild 4 ist dargestellt, wie sich die Einkommenssituation dann darstellen würde.

Es wurde bereits eine Personalkostenreduktion von durchschnittlich 2 % jedes Jahr unterstellt (was bei gleichbleibenden Packungszahlen gar nicht so leicht zu bewältigen wäre), sowie ein langsamerer Anstieg der Sachkosten von 1,5 %. Die Spanne fällt wiederum langsam weiter (minus 0,2 Proznetpunkte p.a.). Dieses Bild zeigt: Stagnation bedeutet massiver Rückschritt. In diesem Falle würde sich die Lebensleistung mehr als halbieren.

Das Bild illustriert auch gesamtwirtschaftlich, wo die Gefahren einer stagnierenden Gesellschaft liegen. Schließlich würden die Steuern ebenfalls stark zurückgehen.

Nimmt der Staat beim ersten Modell (kein BSSichG, kein GMG) von Herrn M. schätzungsweise rund 800 000 bis 900 000 Euro allein an Einkommensteuer ein (auf heutiger Basis, Gewerbesteuer-Anrechnungsbeträge sind einbezogen), reduziert sich das durch die Reformen bereits auf rund 600 000 bis 650 000 Euro, obwohl Herr M. bereits kostenmäßig, wie oben beschrieben, deutlich gegengesteuert hat. Sonst wären die Verluste noch größer (so sind sie es bei seinen Lieferanten und beim Personal, gefolgt wiederum beim Staat!). Im letzten Stagnationsmodell würden sich die Steuern für die Zeit des Stillstands sogar beinahe halbieren.

Es sei abschließend noch folgende Vergleichsrechnung angestellt:

Herr M. hätte nicht 425 000 Euro in die Apotheke gesteckt, sondern er würde dieses Kapital arbeiten lassen – mit angenommen 5 % Verzinsung p.a. netto nach Steuern für die betrachteten 25 Jahre. Weiterhin ginge er einer Angestelltentätigkeit nach, die ihm 32 500 Euro netto im Jahr einbringen soll, mit Steigerungen von 1,5% pro Jahr (in 25 Jahren würde er damit rund 47 000 Euro p.a. verdienen).

Über 25 Jahre hinweg hätte er damit knapp 1,0 Mio. Euro netto verdient. Aus seinem Startkapital von 425 000 Euro würden stolze 1,44 Mio. Euro. In der Summe ist dieses Ergebnis nicht schlechter als das der unternehmerischen Tätigkeit. Bei höheren Kapitalrenditen lässt es die unternehmerische Variante sogar deutlich hinter sich. Man kann es auch so formulieren:

Das Unternehmerdasein (bzw. das hierfür eingesetzte Kapital) samt seiner Risiken verzinst sich augenscheinlich bei dieser Variante nicht besonders gut. Dumm nur, dass Herr M. das Startkapital nicht bar zur Verfügung hatte, sondern dieses lediglich zum Kauf der Apotheke bewilligt bekam ...

Dies alles sind Modellrechnungen, gewiss. Die Realität wird im Detail immer anders aussehen. Die Rechnung lässt sich auch noch weiter verfeinern – durch Berücksichtigung weiterer Investitionen und Anlagen z. B. in Immobilien, oder durch Einpreisung der gesamten Rentenproblematik.

Auch individuelle Ereignisse und Biografien – angefangen von Hausbau über das Aufwachsen der Kinder bis hin zum Eintritt in das Rentenalter – beeinflussen der erforderlichen Grundbedarf und den möglichen Vermögensaufbau (Abb. 5). Doch zeigt bereits das oben gezeigte, einfache Lebenseinkommensmodell sehr schön, was im Verlaufe der aktiven Berufszeit erreichbar erscheint. Es zeigt ebenfalls, wie externe Störeinflüsse dieses Modell ins Wanken bringen können. Deshalb macht es unbedingt Sinn, sich darüber Gedanken zu machen.

Doch nicht nur Gedanken, auch ausgeprägte Vorsicht ist angebracht: Vorsicht vor Fehlinvestitionen. Einen Fehltritt durch die Wahl eines falschen, nicht zukunftsträchtigen Standortes können Sie nur schwerlich wieder wettmachen: Apotheker K. hat vor zehn Jahren eine Apotheke mit einem Umsatz von damals 1,2 Mio. DM (also rund 0,6 Mio. Euro) zu einem Preis von seinerzeit noch 175 000 DM zuzüglich 100 000 DM Warenlager übernommen.

Er war damals 35 Jahre alt. Heute ist der Umsatz durch Verschiebungen der Standortwertigkeit immer noch in der gleichen Größenordnung (650 000 Euro). Durch einen sehr hohen, persönlichen Einsatz gelang es ihm bisher, ein Einkommen zu erwirtschaften, das bei sparsamer Wirtschaftsweise einigermaßen gut zum Leben für eine Familie reicht (rund 35 000 Euro netto p.a.). Hingegen kann er davon nur in relativ bescheidenem Umfang zusätzliches Kapital zurücklegen: rund 5000 Euro pro Jahr.

Mietvertragsbedingt ist er mindestens 15 Jahre an die Apotheke gebunden – der Pferdefuß schlechthin. Denn reformbedingt wird sein Einkommen auf etwa 22 000 bis 23 000 Euro im Jahr sinken. Nur durch weiteren Abbau von Personal – bei bisher bereits 8,0 Umsatz-% Personalkostensatz nicht leicht – wird er das Einkommen auf den erforderlichen, minimal für ihn erforderlichen Satz von 30 000 Euro stabilisieren können. Und das auch nur, sofern die Renditen nicht noch weiter abrutschen. Er wird dann weitgehend alleine in der Apotheke stehen.

Seine Bilanz: An einen Verkauf ist nicht mehr zu denken, vielmehr werden nach Ablauf der 15 Jahre Entsorgungskosten anfallen. Jährlich 5000 Euro zu 5% angelegt ergaben die letzten 10 Jahre immerhin ein Kapital von ca. 65 000 Euro. Diese Rücklage fällt die nächsten fünf Jahre voraussichtlich flach, ansonsten wären über die gesamte Laufzeit von 15 Jahren immerhin 110 000 Euro möglich gewesen.

In der gleichen Zeit wurden zwar immerhin auch die Kredite für die Apotheke getilgt – doch diese Tilgungen waren für die Katz', die Apotheke hat keinen Wert mehr. Über die Jahre hat Herr K. zudem selbst bei dem zinsgünstigsten Modell der Kreditabtragung mit konstant hohen Tilgungsraten bei angenommen 6 % Zinsen p.a. über 60 000 Euro Zinsen bezahlt, die wenigstens steuerlich absetzbar waren. Fazit: Bei Herrn K. haben vor allem Andere verdient – Banken, Verkäufer, Vermieter.

Seine Perspektive: Wenn er aus dem Mietvertrag herauskommt, wird er fünfzig Jahre alt sein. Mit nur wenig Startkapital gesegnet, wird er sich nach einem neuen Objekt umsehen müssen. Das wird, auch vor der zu erwartenden, restriktiveren Kreditvergabepraxis, nicht leicht. Oder wird er auf seine alten Tage noch "Filialleiter" in einer Apothekenkette?

Sie sehen: Wie man sich bettet, so liegt man – und zwar leider oft unangenehm lange! Deshalb ist die richtige Wahl einer Apotheke heute das A & O. Fehltritte sind kaum mehr aufzuholen – das Geld für den Neuanfang fehlt, und die Lebensjahre verrinnen unbarmherzig ...

Um hingegen die Grundlage derart weitschweifender Betrachtungen zu legen, benötigen Sie jedoch vor allem kurz- und mittelfristig wirksame, wesentlich detailliertere Planungsansätze. Diese werden uns in der nächsten Folge beschäftigen.

Nicht wenige Apotheken stecken, das zeigen die Auswertungen des laufenden Jahres, in ernsten Schwierigkeiten. Die Zukunftsaussichten sind durchwachsen. Welches uns zugedachte Modell Sie auch nehmen: Die Renditesituation wird keinesfalls besser. Vielleicht muss gar die Sicherung des jetzigen "Nach-BSSichG"-Niveaus bereits als Erfolg gesehen werden. Um mit dieser neuen Situation umgehen zu können, hilft nur eines: scharfes Rechnen, klare Kostenkontrolle, ein gutes Zahlenverständnis. Im Rahmen dieser Serie möchten wir Ihnen einige Ansatzpunkte für eine ökonomischere Apothekenführung geben. In Teil 1 soll die Finanzplanung und die langfristige Aufstellung eines "Lebenseinkommensmodells" im Vordergrund stehen.

Wer selbst rechnen möchte ... Möchten Sie, zumindest überschlägig, wissen, was aus Ihrem Geld werden könnte – hier finden Sie die Grundlagen: Fall 1: Sie besitzen ein Startkapital K. Dieses legen Sie zu konstant y Prozent Zinsen pro Jahr über n Jahre an. Dann haben Sie am Ende (Zinseszins-Formel) ein Endkapital E von E = K x (1 + p)n wobei der Zinsfuß p sich aus p = y/100 errechnet (es wird also von Prozent auf den relativen Anteil heruntergerechnet). Fall 2: Sie legen konstant über n Jahre hinweg einen Betrag K an, wiederum zu einem Zinssatz von konstant y Prozent Zinsen pro Jahr. In diesem Falle eines Sparplans verfügen Sie am Ende über ein Endkapital E von E= K x (1 + p)n – 1/p

wobei p sich aus p = y/100 errechnet, s.o. Es wurde hier davon ausgegangen, dass Sie das Geld zum Jahresende (nachschüssig) anlegen, die erste Rate also zum Ende des ersten Jahres. Bei monatsweiser Anlage bzw. vorschüssiger Betrachtung verschieben sich die Werte etwas.

Hinweis: Mehr zum Thema Standort und Fragen zur richtigen Standortwahl beantwortet das Buch "Erfolgsfaktor Standort – Entwickeln, Sichern, Verlegen" vom Autor dieser Serie. Erscheint im Herbst 2003.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.