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Heimversorgung: Aufpassen bei Details im Vertrag
Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es rund 2700 Heime, berichtete der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein Thomas Preis in seinen Eröffnungsworten, und der prognostizierte Anstieg der über 60-Jährigen von derzeit 22% auf 33% im Jahr 2030 mache deutlich, dass hier noch mit weiteren Zuwächsen zu rechnen sei.
Aus Preis’ Sicht befindet sich die Apotheke heute auf einer dritten Stufe der Entwicklung. Nach der Phase der Herstellung in den fünfziger Jahren und der der Händler in den Siebzigern sei man heute in der Phase der Versorgung angekommen und werde damit dem ureigenen Auftrag von § 1 des Apothekengesetzes tatsächlich gerecht. Vor diesem Hintergrund mahnte er, die mit den Heimen abzuschließenden Verträge auch nicht als reine Belieferungsverträge zu verstehen.
Frie: ABDA-Muster bietet gute Grundlage
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Heimversorgung mit Arzneimitteln umriss der zuständige Referent im Nordrhein-Westfälischen Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie Walter Frie. Er sieht die Neuregelungen zur Heimversorgung als großen Gewinn für die Apothekerschaft an, "wenn man es richtig macht". Über die rahmengebenden gesetzlichen Vorschriften, das heißt § 12a ApoG und das Heimgesetz hinaus hätten die Länder bereits gemeinsame Beschlüsse über die näheren Einzelheiten zur Genehmigung der Versorgungsverträge gefasst, die den Apothekerverbänden zur Kenntnis gegeben worden seien.
Hiernach biete der ADBA-Mustervertrag bereits eine genehmigungsfähige Grundlage, allerdings mit einigen Modifikationen. So fordern die Behörden unter anderem ein größeres Schwergewicht auf der Verantwortlichkeit der Apotheke und eine Vertragslaufzeit von mindestens einem Jahr. Eine kurzfristige turnusmäßige Versorgung von Heimen durch mehrere Apotheken soll demnach nicht möglich sein.
Was kostet die Genehmigung?
Für die Genehmigung von Verträgen in Nordrhein-Westfalen kündigte Frie Gebühren in Höhe von 200 bis 1500 Euro an, was aus dem Publikum mit einigem Raunen und Unmutsäußerungen bedacht wurde.
Vertrag für einen einzigen Heimbewohner?
Die Bedingungen für die Genehmigung von Versorgungsverträgen kommentierte Amtsapotheker Raimund Stahl aus dem Hochsauerlandkreis, Kreis Soest. Die Behörde habe diese daraufhin zu überprüfen, ob sie den gesetzlichen Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 ApoG (siehe Kasten) und § 11 Abs. 3 Nr. 5 Heimgesetz entsprechen und außerdem nicht gegen weitere Vorschriften, wie etwa des Apotheken- und Arzneimittelrechts, verstoßen.
Ein Vertrag sei ohnehin nur dann nötig, wenn ein Arzneimittelmanagement für den betreffenden Heimbewohner durch Dritte erforderlich sei, das heißt, wenn dieser sich nicht selbst versorgen könne. So müsse es nicht zwangsläufig – wie bereits verschiedentlich geschehen – zu der misslichen Situation kommen, dass ein Heim bzw. eine Apotheke gezwungen würde, für einen einzigen Patienten einen individuellen Versorgungsvertrag abzuschließen.
Serviceleistungen am liebsten kostenfrei
Seine Erfahrungen aus der Praxis trug Apotheker Manfred Krüger aus Krefeld zur Diskussion bei. Er beliefert seit langem zwei Wohnanlagen für Behinderte mit einem sehr komplizierten Medikationsmanagement, das heißt bis zu zwölf Arzneimitteln pro Patient und Tag, Selbstmedikation nicht eingeschlossen, ein für ihn als verantwortlichen Apotheker "kaum mehr überschaubarer Bereich".
Weitere Probleme macht Krüger darüber hinaus in der Überwachung der Vorräte, der Lagerung und Entsorgung aus. So würden in der Heimdokumentation häufig Medikamente geführt, die gar nicht mehr genommen würden. Insgesamt wünscht Krüger sich auf Seiten der Heime mehr Transparenz.
Er beklagte zudem, dass der Kostenaufwand der Apotheken für Botendienste, für die Fortbildung des Heimpersonals sowie für die Dokumentation und das Datenmanagement von den Heimen vielfach unterschätzt würde, ein Grund für die Weigerung der Heime, Zusatz-Service auch entsprechend zu honorieren.
Auch aus verschiedenen Äußerungen aus dem Publikum wurden Klagen über Heime laut, die von der Apotheken unentgeltliche Hilfsdienste erwarteten, die mit pharmazeutischer Betreuung allenfalls am Rande etwas zu tun hätten, wie auch über Kollegen, die versuchten, Heime mit allerlei wettbewerbswidrigen Angeboten zu ködern.
Wo ist Wettbewerb möglich?
Gerade in heilmittelwerberechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Hinsicht sieht Stahl ebenfalls noch viel Diskussions- und Klärungsbedarf. Auf dem Sektor Arzneimittelpreise sei Wettbewerb jedenfalls derzeit nicht möglich, genauso wenig, wie in Bezug auf die Präparate-bezogene Information, denn diese sei im Arzneimittelpreis inbegriffen. Mehr Spielraum bestehe dagegen bei zusätzlichen Serviceleistungen, wie etwa bei regelmäßiger Überprüfung der Arzneimittelbestände oder auch bei der Schulung des Heimpersonals.
An dieser Stelle, so kündigte der Amtsapotheker an, wollen auch die Genehmigungsbehörden durchaus ein Wörtchen mitreden: "Wir werden keinen Vertrag ohne Kostenregelung genehmigen", bekräftigte er.
Problembereich "Stellen"
Aus Heimträger-Sicht werde die Neuregelung insgesamt positiv gesehen, berichtete die Vorsitzende des AWO-Bezirksverbandes Niederrhein Hilke Buchholz. Die rudimentäre Ausbildung des Pflegepersonals mit 60 Stunden zum Thema Arzneimittelversorgung unterstreicht ihrer Meinung nach den dringenden Bedarf nach einer größeren Verantwortung der Apotheker in diesem Bereich.
Sie begrüßte vor diesem Hintergrund nachdrücklich die halbjährlichen Überprüfungen und sprach sich darüber hinaus für eine erheblich stärkere Beteiligung des Apothekenpersonals an der Verteilung und Verabreichung der Arzneimittel an die Heimbewohner aus, eine Vorstellung, die von anderen Heimträgern nicht unbedingt geteilt wird.
Soweit das "Stellen" der Arzneimittel an die Apotheke delegiert werde, bedürfe dies im übrigen einer Genehmigung durch den Landesverband, ergänzte Stahl. Gleichwohl bleibe das Heim in solchen Fällen verantwortlich für die Abgabe und könne die Apotheke lediglich im Innenverhältnis in Regress nehmen. Auch aus haftungsrechtlichen Gründen hegt er daher erhebliche Vorbehalte gegen solche Lösungen.
Problembereich Verblistern
Ebenso wenig hält der Amtsapotheker vom Verblistern außerhalb des Heims. Erstens komme dies nur für die Dauermedikation in Frage, zweitens werde hierfür eine eigene Herstellungserlaubnis erforderlich, drittens müsse dafür Sorge getragen werden, dass ärztliche Verordnungen stets fehlerfrei ausgeführt würden, viertes dürfe die Qualität der Arzneimittel hierdurch nicht beeinträchtigt werden, fünftens müssten die Heimbewohner sich mit der Verblisterung einverstanden erklären, und des weiteren sei auch hierfür ein angemessenes Entgelt zu zahlen, aus Stahls Sicht genügend Gründe, die Verblisterung wegen mangelnder Praktikabilität rundweg abzulehnen.
Überdurchschnittliches Engagement gefordert
Last but not least hatte Dr. Uta Renn von der Landesseniorenvertretung NRW die Gelegenheit, die Vor- und Nachteile der Heimversorgung aus der Sicht der Heimbewohner darzulegen. Sie warnte vor übertriebenen Hoffnungen in die Zukunft. Derzeit würden die Gefahren der Arzneimittelversorgung in Heimen noch viel zu häufig ignoriert oder bagatellisiert.
Unverschlossene Medikamentenschränke, lückenhafte und unzeitgemäße Dokumentation, etwa auf Karteikarten, Fehler beim "Stellen" der Arzneimittel, Medikationsirrtümer legten Zeugnis ab von der vielerorts desolaten und damit dringend verbesserungsbedürftigen Situation. Die bestehenden Probleme können ihrer Einschätzung nach nur dann gelöst werden, wenn die Apotheker sich vor allem in der Schulung des Pflegepersonals überdurchschnittlich engagieren.
Renn erinnerte daran, bei den Zielgruppen für die Beratung und Information auch die familiären bzw. amtlich bestellten Betreuer der Patienten nicht zu vergessen. Schließlich seien in vielen Heimen bis zu 80 % der Bewohner desorientiert und kämen somit als Ansprechpartner für die Beratung ohnehin nicht mehr in Frage.
Aus Apothekersicht besonders erfreulich war die Einsicht Renns, dass zusätzliche Leistungen der Apothekerschaft auf dem Gebiet der Heimversorgung auch angemessen zu honorieren seien.
Ab dem 28. August diesen Jahres dürfen Apotheken Heime mit Arzneimitteln und Medizinprodukten nur noch nach Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrags beliefern. Der Vertrag bedarf der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Bei einer Veranstaltung des Apothekerverbandes Nordrhein und dessen wirtschaftender Tochter NORWINA am 10. Juli 2003 in Düsseldorf wurde deutlich, dass es trotz der einjährigen Übergangszeit für das Inkrafttreten der Neuregelung noch in vielen Punkten Unsicherheiten gibt.
Die Aufnahme der Versorgung muss der zuständigen Behörde vorher angezeigt werden, wie im übrigen auch Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages unverzüglich anzuzeigen sind.
Soweit Bewohner von Heimen sich aus öffentlichen Apotheken selbst mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten versorgen, ist kein Versorgungsvertrag erforderlich.
Nach § 12a ApoG (Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes vom 21. August 2002, abgedruckt in DAZ Nr. 36, S. 148 [2002]).
Johannes Pieck: Versorgungsverträge mit Heimträgern. DAZ Nr. 28, S. 65 – 70 (2003).
Welche Anforderungen stellt die Heimversorgung an die Apothekenpraxis. Bericht über ein Seminar auf der Interpharm 2003. DAZ Nr. 14, S. 46 – 49 (2003).
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