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Arzneimittel und Therapie
Chronisch-myeloische Leukämie: Imatinib als Ersttherapie bei CML in chronischer
Die chronisch-myeloische Leukämie (CML) ist eine klonale Störung der Blutbildung. Leukozyten in Knochenmark, Blut und verschiedenen Organen, wie Leber und Knochen, vermehren sich stark und unkontrolliert. Parallel dazu kommt es zu einer Linksverschiebung des Blutbilds mit zahlreichen unreifen Vorläuferzellen.
Das Philadelphia-Chromosom
In den meisten Fällen liegt der Erkrankung ein spezifischer chromosomaler Defekt zugrunde: Über 90% der CML-Patienten weisen in den leukämischen Zellen das so genannte Philadelphia-Chromosom (Ph) auf. Es ist nach dem Ort seiner Entdeckung benannt und bezeichnet das verkürzte Chromosom 22, das bei einer Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 entsteht.
Als Folge der Translokation bildet sich auf Chromosom 22 das Hybridgen BCR-ABL. Dieses chimäre Gen kodiert das BCR-ABL-Fusionsprotein. Das BCR-ABL-Protein ist aufgrund seiner erhöhten Tyrosinkinase-Aktivität für die Entstehung der Leukämie verantwortlich.
Behandlungsmöglichkeiten
Die chronisch-myeloische Leukämie verläuft üblicherweise in drei aufeinander folgenden Phasen:
- der chronischen Phase,
- der akzelerierten Phasen und
- der terminalen Blastenkrise. Die einzige nachgewiesenermaßen kurative Behandlungsmethode ist die allogene Stammzelltransplantation aus Knochenmark oder peripherem Blut.
Interferon alfa kann die Zahl der Zellen mit Philadelphia-Chromosom verringern; es erzielte in prospektiven, randomisierten Studien ein komplettes zytogenetisches Ansprechen (siehe Kasten) bei zirka 10% und ein komplettes oder partielles bei 11 bis 30% der Patienten.
Eine Metaanalyse von sieben Studien ergab gegenüber der sonst üblichen Hydroxyharnstoff- oder Busulfan-Therapie eine um 15% erhöhte 5-Jahres-Überlebensrate (57% gegenüber 42%). Von noch größerem Nutzen scheint die Kombination von Interferon alfa mit Cytarabin zu sein, die viele als Goldstandard der Therapie betrachten.
Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib
Imatinibmesilat (STI571, Glivec®) ist ein selektiver Hemmstoff verschiedener Tyrosinkinasen. Indem er die ATP-Bindungsstelle der Tyrosinkinasen besetzt, hemmt er kompetitiv die Tyrosinkinase-Aktivität. In einer Phase-II-Studie wurde Imatinib an CML-Patienten geprüft, bei denen Interferon alfa versagt hatte. Darin zeigte Imatinib eine hohe Rate hämatologischen und zytogenetischen Ansprechens. ^
Jetzt wurde der Tyrosinkinase-Hemmer als Ersttherapie bei neu diagnostizierter CML eingesetzt und mit der Kombination aus rekombinantem Interferon alfa und niedrig dosiertem Cytarabin verglichen.
Patienten mit Neuerkrankung
Die offene, randomisierte, prospektive Phase-III-Studie IRIS (International Randomized Study of Interferon and STI571) erfasste Patienten zwischen 18 und 70 Jahren, bei denen innerhalb der letzten sechs Monate eine Philadelphia-Chromosom-positive CML in chronischer Phase diagnostiziert worden war. Sie hatten keine Stammzellen transplantiert bekommen. Eine Vorbehandlung mit Hydroxyharnstoff und/oder Anagrelid war erlaubt.
Orale Einnahme
Die Behandlung erfolgte ambulant. Patienten der Imatinib-Gruppe nahmen pro Tag 400 mg Imatinib oral ein. Patienten der Kombinations-Gruppe bekamen Interferon alfa in steigender Dosierung (Ziel-Tagesdosis 5 Mio. I. E./m2 Körperoberfläche) subkutan injiziert. Nach Erreichen der maximal verträglichen Interferon-Dosis wurde ihnen zusätzlich niedrig dosiertes Cytarabin (täglich 20 bis maximal 40 mg/m2 Körperoberfläche) an 10 Tagen pro Monat subkutan injiziert. Die Behandlung dauerte, bis der Patient keinen Nutzen mehr daraus zog. In den ersten sechs Monaten war eine begleitende Hydroxyharnstoff-Gabe erlaubt.
Fortschreitende Erkrankung
Primärer Endpunkt war das Fortschreiten der Erkrankung, also:
- Tod
- Übergang in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise
- Verlust des vollständigen hämatologischen Ansprechens
- Verlust des teilweisen oder vollständigen zytogenetischen Ansprechens
- steigende Leukozytenzahl (Verdoppelung auf mehr als 20 000/µl)
Zu den sekundären Endpunkten zählten vollständiges hämatologisches Ansprechen, vollständiges oder teilweises zytogenetisches Ansprechen sowie Sicherheit und Verträglichkeit.
Cross-over war möglich
Ein Wechsel zur anderen Behandlung (Cross-over) war erlaubt, wenn die Patienten nicht oder nicht mehr ansprachen, einen Anstieg der Leukozytenzahl hatten oder die Therapie nicht vertrugen (nichthämatologische Toxizität mindestens vom Grad 3 oder jede lebensbedrohliche Nebenwirkung).
Auswertung nach 19 Monaten
Die Studie fand an 177 Kliniken in 16 Ländern statt. 1106 Patienten nahmen teil, 553 in jeder Behandlungsgruppe. Eine Auswertung im Sommer 2002 erfasste eine durchschnittliche Beobachtungszeit von 19 Monaten. Die Patienten der Imatinib-Gruppe nahmen eine mittlere Tagesdosis von 400 mg Imatinib ein. Die Patienten der Kombinations-Gruppe bekamen durchschnittlich 4,8 Mio. I. E. Interferon alfa pro Tag. 394 (71%) erhielten außerdem Cytarabin, im Mittel vier Zyklen. 79 Patienten der Imatinib-Gruppe (14%) und 493 der Kombinations-Gruppe (89%) brachen die Behandlung ganz ab oder wechselten zur anderen Behandlung.
Nach einem konservativen (also vorsichtigen) statistischen Ansatz wurden die Ansprechraten nach der Kaplan-Meier-Methode und die Progressionsraten nach dem Intention-to-treat-Prinzip ermittelt.
Höhere Ansprechraten und niedrigere Progressionsrate
Imatinib schnitt sowohl bei den Ansprech- als auch bei den Progressionsraten signifikant besser ab als die Kombination. 95% der Imatinib-Patienten und 55,5% der Kombinations-Patienten sprachen vollständig hämatologisch an. Gemäß Kaplan-Meier-Schätzung sprachen nach 18 Monaten 76% mit Imatinib und 14,5% mit der Kombination vollständig zytogenetisch an. Vollständig oder teilweise zytogenetisch sprachen 87% gegenüber 35% an.
Von den 318 Patienten, die Imatinib als Zweittherapie (also nach Cross-over) bekamen, zeigten 82% ein vollständiges hämatologisches Ansprechen, 40% ein vollständiges zytogenetisches und 56% ein vollständiges oder teilweises zytogenetisches Ansprechen.
Nach 12 Monaten war die Krankheit bei 97% der ursprünglich mit Imatinib und bei 80% der ursprünglich mit der Kombination Behandelten nicht fortgeschritten. Nach 18 Monaten galt dies für 92 bzw. 73,5% der Patienten. Zu diesem Zeitpunkt waren 97% der mit Imatinib Behandelten und 91,5% der mit der Kombination Behandelten noch immer in der chronischen Phase.
Kein signifikanter Überlebensvorteil
48 Studienteilnehmer starben: 20 in der Imatinib-Gruppe und 28 in der Kombinations-Gruppe, die meisten (14 bzw. 26) erst nach Therapieabbruch. Die Überlebensrate nach 18 Monaten wurde für die Imatinib-Gruppe auf 97% und die Kombinations-Gruppe auf 95% geschätzt. Der Unterschied war nicht signifikant.
Nebenwirkungen waren meist leicht bis mäßig (Grad 1 bis 2). Am häufigsten traten unter Imatinib oberflächliche Ödeme, Übelkeit, Muskelkrämpfe und Hautausschläge auf. Schwere Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) traten unter Imatinib selten auf; sie kamen in der Kombinations-Gruppe häufiger vor. Hier wurden beispielsweise Müdigkeit, Depression, Muskel- oder Gelenkschmerzen, Neutropenie und Thrombopenie gemeldet.
Die Auswertung zeigt, dass Imatinib der Kombination im Hinblick auf hämatologisches und zytologisches Ansprechen, Verträglichkeit und Krankheitsprogression dem bisherigen Goldstandard überlegen ist. Ein Überlebensvorteil ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erkennen. Das liegt vermutlich an der hohen Cross-over-Rate von der Kombination zu Imatinib.
Imatinib für alle CML-Patienten?
Die Studie soll mindestens fünf Jahre lang fortgesetzt werden. So sollen Langzeitverträglichkeit, Dauer des Ansprechens, Langzeitüberleben und die Frage, ob die Leukämie auf molekularer Ebene beseitigt wird, geklärt werden. Unklar ist zurzeit, ob Imatinib Ersttherapie der Wahl für alle Patienten sein sollte oder ob die Substanz die Ergebnisse einer späteren Stammzelltransplantation verschlechtern kann.
Der Tyrosinkinase-Hemmer Imatinib wurde in einer offenen Phase-III-Studie an Patienten mit neu diagnostizierter chronisch-myeloischer Leukämie in chronischer Phase eingesetzt. Eine Auswertung erfolgte nach rund 1,5 Jahren. Im Vergleich zur Kombination aus Interferon alfa und Cytarabin erzielte Imatinib höhere Ansprechraten. Die Substanz war besser verträglich, und die Erkrankung schritt seltener fort.
- komplettes zytogenetisches Ansprechen: 0% Ph-positive Metaphasen
- partielles: 1 bis 34%
- geringes: 35 bis 94%
- kein zytogenetisches Ansprechen: " 95%
- Spendertyp verwandt oder nicht verwandt
- Alter des Empfängers
- Stadium der Erkrankung
- Geschlecht von Spender und Empfänger übereinstimmend oder nicht
- Zeitspanne von der Diagnose bis zur Transplantation
Mittlerweile gibt es auch schonende Vorbehandlungen, die gezielt bestimmte Lymphozyten des Empfängers ausschalten. In dieser Form können auch ältere und komorbide Patienten Stammzellen transplantiert bekommen. Der genaue Stellenwert der Stammzelltransplantation mit schonender Vorbehandlung ist noch unklar.
Kaplan-Meier-Methode zur Analyse von medizinischen Lebensdauerdaten
Das Kaplan-Meier-Verfahren basiert auf individuellen Überlebenszeiten und eignet sich auch bei einer kleineren Anzahl von Stichproben. Die entscheidende Idee der Kaplan-Meier-Methode ist, dass die Ereignisse die Beobachtungsintervalle definieren, und nicht, dass die Beobachtungsintervalle fest vorgegeben sind.
Ein neues Zeitintervall wird dadurch definiert, dass ein Patient verstirbt. Für jedes Zeitintervall wird die bedingte Wahrscheinlichkeit berechnet, dass der Patient das Zeitintervall überlebt, falls er schon bis zum Beginn des neuen Zeitintervalls überlebt hat.
Mit Hilfe der Überlebenszeitanalyse lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass ein Ereignis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eintritt. Dieses ist mit der Kaplan-Meier-Methode auch dann möglich, wenn nicht alle Patienten identische Beobachtungszeiträume haben. Die Gesamtwahrscheinlichkeit dafür, einen bestimmten Zeitpunkt zu überleben, lässt sich dann darstellen als Produkt der entsprechenden bedingten Wahrscheinlichkeiten. Die Kaplan-Meier-Kurve ist hilfreich zum Ablesen spezifischer Überlebensraten oder Überlebenszeiten.
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