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ABDA: Alarmstufe 1 für Patienten und Apotheken
Friese kritisierte, dass noch immer das Vorurteil bestehe, im Arzneimittelvertrieb schlummerten erhebliche Einsparpotenziale. Er verwies darauf, dass der Berufsstand der Apotheker von 2001 bis 2003 bereits 1,5 Mrd. Euro zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebracht habe – mithin mehr als die Hälfte der insgesamt 2,7 Mrd. Euro, die in dieser Zeit im Arzneimittelbereich eingespart wurden. Auch der Hinweis auf die in den vergangenen Jahren gestiegenen Arzneimittelkosten in der GKV gehe ins Leere, wenn vermutet werde, dies habe bei Apothekern zu Umsatzsteigerungen geführt, so Friese. Zwar habe der Umsatz tatsächlich zugenommen – gleichzeitig erhöhte sich jedoch durch "dirigistische Maßnahmen des Staates" die Abschöpfung bei den Apothekern: Gegenüber dem Jahr 2002 erwartet die ABDA eine Verringerung des zu versteuernden Apotheken-Einkommens um rund 35 Prozent.
Darüber hinaus seien die GKV-Ausgaben für Arzneimittel im ersten Halbjahr des laufenden Jahres um 2,93 Prozent zurückgegangen (Rabatte abgerechnet). Der ABDA-Chef machte zudem auf den Arbeitsplatzabbau und die Schließung von Apotheken im vergangenen und laufenden Jahr aufmerksam. Letztes Jahr schlossen 104 Apotheken. In diesem Jahr sind bereits 10 000 Arbeitsplätze in Apotheken von den bislang beschlossenen Sparmaßnahmen der Regierung betroffen: Vollzeitstellen wurden zu Teilzeitstellen umgebaut oder die Arbeitsplätze fielen ganz weg. 10 000 weitere Stellen könnten in diesem Jahr noch folgen, so Friese.
Arzneimittel sind keine Lebensmittel
Als besondere existenzgefährdende Bedrohung nannte Friese vier Punkte des Gesundheitskompromisses: die Freigabe des Versandhandels, die Aufhebung des Mehrbesitzverbots, Einzelverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken und die Freigabe von Preisen für OTC-Präparate. Der ABDA-Präsident warf Politikern vor, sie verglichen Apotheken mit dem gewöhnlichen Einzelhandel und Arzneimittel mit Lebensmitteln, wenn sie vom "Aufbrechen verkrusteter Strukturen" sprechen. Er erinnerte daran, dass die einschlägigen Vorschriften des Apotheken- und Arzneimittelgesetzes, die etwa den Versandhandel mit Arzneimitteln und den Mehrbesitz verbieten, nicht zum Schutz der Apotheker, sondern zum Schutz der Verbraucher geschaffen wurden.
Türöffner zum unbeschränkten Mehr- und Fremdbesitz
Was die Zulassung des Versandhandels betrifft, stehe für die Apotheker eines fest, so Friese: Dass mit ihm der unbeschränkte Mehrbesitz und auch der Fremdbesitz durch die Hintertür, notfalls über den Klageweg, importiert wird – vielleicht sogar importiert werden soll. Denn die beiden Argumente der Befürworter – Versandhandel verbessere die Versorgung insbesondere älterer, immobiler und chronisch Kranker und senke Kosten – lässt die ABDA nicht gelten. Der Versand stelle keine wirkliche Alternative zur bewährten, persönlichen Arzneimittelabgabe dar. Zudem fehle jeglicher glaubwürdige Beweis einer Kostenersparnis durch den Versand, so Friese.
Die gegenüber dem Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz erfolgte Einschränkung des Mehrbesitzes auf drei Nebenstellen, kann die ABDA auch nicht milde stimmen: Warum drei? Warum nicht fünf, sieben, zehn Filialen? Friese ist skeptisch, ob die willkürliche Beschränkung verfassungsrechtlich haltbar ist. In einem aber ist er sicher: Mit diesem ersten Schritt zum Mehrbesitz wird auch der Weg zum Fall des Fremdbesitzverbots geebnet. Und welche Auswirkungen Mehr- und Fremdbesitz haben, sei in Norwegen zu beobachten: Innerhalb von 12 Monaten nach Aufhebung des Mehrbesitzverbots sind dort 80 Prozent der Apotheken in der Hand von zwei deutschen Großhandelsunternehmen. Das Preisniveau der Arzneimittel ist dabei nicht gesunken.
Die ABDA kritisiert weiterhin, dass neben der geplanten Einführung einer kombinierten Apothekenvergütung, in besonderen Versorgungsformen auch abweichende Einzelverträge mit Krankenkassen abgeschlossen werden sollen. "Das passt nicht zusammen", so Friese. Denn von dem fixen Honorar seien keine Rabatte möglich. Zudem könne es für die gleiche Dienstleistung auch nur einen Preis geben. Letztlich wendet sich die ABDA auch entschieden gegen die Ausgrenzung rezeptfreier Medikamente aus der GKV-Erstattung sowie die Freigabe der Preise für diese Mittel. Ein Spareffekt sei hierdurch nicht zu erwarten. Zudem sprächen unterschiedliche Preise für OTC-Präparate eindeutig gegen den Verbraucherschutz.
Friese resümiert: "Wir müssen Nein sagen zu einem Weg, der in die Irre und in den Abgrund führt". Man werde sich jedoch nicht der Verantwortung verweigern. Um das Gesundheitswesen zu stabilisieren und kostengünstiger zu gestalten, werde die ABDA im Laufe des nun anstehenden Gesetzgebungsverfahrens jederzeit zu Gesprächen und zur Mitarbeit bereit sein, betonte der ABDA-Chef.
Für die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA – ist es klar: Der parteiübergreifend gefundene Reformweg ist ein Irrweg. Am 5. August trat daher ABDA-Präsident Hans-Günther Friese in Berlin vor die Presse, um dem in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck entgegenzutreten, allein die Patienten seien die Verlierer des Kompromisses: Die Eckpunkte bedeuten sowohl für Patienten als auch für Apotheken "Alarmstufe 1", erklärte Friese. Friese kritisiert, dass noch immer das Vorurteil bestehe, im Arzneimittelvertrieb schlummern erhebliche Einsparpotenziale.
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