- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 32/2003
- Akutes Koronarsyndrom: ...
Arzneimittel und Therapie
Akutes Koronarsyndrom: GPIIb/IIIa-Rezeptor-antagonisten auch bei instabiler Angi
Hinter dem Begriff "akutes Koronarsyndrom" verbirgt sich entweder eine instabile Angina pectoris oder ein Myokardinfarkt. Zum typischen klinischen Beschwerdebild gehören charakteristische pektanginöse Schmerzen, die mindestens 20 Minuten anhalten. Entscheidend für die Differenzialdiagnose ist der Blick auf das EKG: Eine persistierende ST-Streckenhebung weist auf den kompletten Verschluss einer großen Koronararterie hin. Der Patient hat einen klassischen akuten Myokardinfarkt (STEM: ST-Strecken-Hebungsinfarkt; ST-elevation myocardial infarction), der eine sofortige Reperfusionstherapie notwendig macht. Troponin T und I, die spezifischen Marker für einen Myokardschaden, sind deutlich erhöht, ebenso die weniger spezifischen "Herzenzyme" Creatinkinase CK und ihr Isoenzym CK-MB.
Ohne persistierende ST-Streckenhebung spricht das Beschwerdebild für eine instabile Angina pectoris bzw. einen Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEM). Der Patient erhält eine Basistherapie mit ASS, niedermolekularem Heparin, Clopidogrel, Betablockern (sofern nicht kontraindiziert) und Nitrate.
Bei NSTEM: risikoorientiert therapieren
Zusätzlich, so die aktuelle Empfehlung, sollte eine Risikostratifizierung vorgenommen und entsprechend weiterbehandelt werden. Hochrisikopatienten benötigen zusätzlich zur Basistherapie einen GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten wie Tirofiban (Aggrastat®) mit anschließender Koronarangiographie. Als Parameter für ein erhöhtes Risiko gelten insbesondere persistierende oder rezidivierende Ischämie, ST-Streckensenkung oder -hebung und erhöhte Troponinspiegel. Aufgenommen als Risikofaktor wurde auch der Diabetes mellitus, sodass bei Diabetikern mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung eine frühzeitige invasive Intervention indiziert ist.
Ein niedriges Risiko geht einher mit flachen T-Wellen oder normalem EKG, insbesondere ohne ST-Streckenhebung oder -senkung, und negativem Troponin-T-Test. Um ganz sicher zu gehen, sollte er nach sechs bis zwölf Stunden wiederholt werden. Ist das Ergebnis zweimal negativ, wird die Basistherapie fortgeführt, Heparin kann abgesetzt werden.
Frühzeitig invasiv therapieren
Die Änderung der Empfehlung basiert auf Studien zur frühzeitigen Intervention bei Hochrisikopatienten, die gezeigt haben, dass die Gabe von Tirofiban gefolgt von einer perkutanen Koronarintervention das Risiko von Komplikationen im Vergleich zu konservativen Vorgehensweisen deutlich reduziert. So zeigte die TACTICS-Studie (Treat angina with Aggrastat and determine Cost of Therapy with an Invasive or Conservative Strategy), einen deutlichen Vorteil für die frühinvasive Therapie: Todesfälle, nicht-tödliche Myokardinfarkte und erneute Klinikaufnahmen wegen eines akuten Koronarsyndroms waren im Vergleich zu konservativem Vorgehen deutlich niedriger, nämlich 19,4 gegenüber 15,9 Prozent innerhalb von sechs Monaten.
Ischämischer Apoplex als neue Indikation
Als mögliches neues Indikationsgebiet für GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten ist der ischämische Hirninfarkt in der Diskussion. So lassen sich mit Tirofiban zerebrale Mikroembolien unterbrechen. Kernspintomographische Untersuchungen zeigen, dass sich bei Patienten mit akutem Schlaganfall unter GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten kleinere Läsionen ausbilden als in einer Kontrollgruppe. Und: Die Rate wiedereröffneter Gefäße scheint unter einer Kombination aus niedrig dosiertem Thrombolytikum plus GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonist ebenso effektiv wie die Hochdosislyse. Abzuwarten sind nun die Ergebnisse größerer prospektiver Studien wie beispielsweise SaTIS.
Die European Society of Cardiology (ESC) hat ihre Empfehlungen für die Behandlung bei akutem Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung geändert. Demnach sollen alle Hochrisikopatienten mit erhöhtem Troponin-T-Spiegel zusätzlich zur Basistherapie einen Glykoprotein(GP)IIb/IIIa-Antagonisten erhalten.
GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten hemmen die Thrombozytenaggregation
Das akute Koronarsyndrom beruht auf der Ruptur eines atherosklerotischen Plaque. Es kommt zur Bildung eines Thrombus, der an der Rupturstelle adhäriert und der die Herzkranzgefäße verschließen kann: eine Angina pectoris oder ein akuter Myokardinfarkt können die Folge sein. Die Thrombusbildung hängt dabei von der Adhäsions- und Aggregationsneigung der zirkulierenden Thrombozyten ab.
Die Adhäsion der Thrombozyten kann sowohl über die Fibrinogenrezeptoren, als auch über andere Oberflächenepitope vermittelt werden, die Aggregation beruht ausschließlich auf der Interaktion von Thrombozyten über eine Fibrinogenbrücke, die sich zwischen den Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptoren der Thrombozyten bildet. Eine Blockade der thrombozytären Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptoren durch Rezeptorantagonisten kann die Thrombozytenaggregation bei entsprechender Rezeptorbesetzung komplett unterdrücken. Derzeit stehen in Deutschland drei GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten zur Verfügung:
- Abciximab (ReoPro®) ist das Fab-Fragment eines chimären monoklonalen Antikörpers gegen GPIIb/IIIa, das irreversibel an diesen sowie an andere Rezeptoren bindet
- Eptifibatid (Integrilin®), ein synthetisch hergestelltes cyclisches Heptapeptid, ist ein spezifischer GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonist
- Tirofibran (Aggrastat®) ist ein nicht peptidischer GPIIb/IIIa-Hemmer, der den Rezeptor reversibel blockiert
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.