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Arzneimittel und Therapie
Bronchialkarzinom: Neue Chemotherapien in fortgeschrittenen Tumorstadien
Histologisch werden kleinzellige und nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome unterschieden. Kleinzellige machen etwa 20% aller Bronchialkarzinome aus; ihre Häufigkeit sinkt. Zu den nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (non-small cell lung cancer, NSCLC) zählen Adeno- (36%), Plattenepithel- (33%) und großzellige Karzinome (11%). Die Inzidenz der Adenokarzinome nimmt zu. Dies scheint im Zusammenhang mit dem zunehmenden Verbrauch von Light-Zigaretten zu stehen.
Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome werden jeweils zu etwa einem Drittel in frühen Stadien (I oder II), in lokal fortgeschrittenen Stadien mit Lymphknotenbefall (III) oder in metastasierten Stadien (IV) entdeckt.
Das Stadium bestimmt die Prognose
Die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom reicht von über 60% im Stadium I bis hinab zu nur 1% im Stadium IV. Weltweit konnte die mittlere Fünf-Jahres-Überlebensrate von NSCLC-Patienten seit 1970 von 7% auf 13% erhöht werden. Deutschland schneidet allerdings mit 8% im internationalen Vergleich schlecht ab.
Ab Stadium IIIa nicht auf lokale Maßnahmen verlassen
Tumoren im Stadium IIIa sind zwar technisch operabel. Von der Operation profitieren jedoch nur Patienten ohne vergrößerte Lymphknoten, bei denen nur ein einziger Lymphknoten infiltriert ist. Sie haben mit Operation und anschließender Strahlentherapie eine Langzeit-Überlebensrate von etwa 35%.
Alle übrigen Patienten mit einem Tumor im Stadium IIIa weisen nur eine Langzeit-Überlebensrate zwischen 3 und 15% auf. Ab dem Stadium IIIa liegt offensichtlich eine systemische Erkrankung vor, die mit lokalen Maßnahmen nur selten heilbar ist. Die Patienten versterben überwiegend an Fernmetastasen in Knochen, Leber, Nebennieren oder Gehirn.
Verbessert adjuvante Chemotherapie die Prognose?
Es gibt unterschiedliche Ergebnisse zur Frage, ob eine adjuvante Chemotherapie die Prognose von NSCLC-Patienten mit Lymphknotenbefall verbessern kann. In einer 1995 veröffentlichten Metaanalyse konnte kein Vorteil der adjuvanten Chemotherapie zusätzlich zur Strahlentherapie gezeigt werden.
In der kürzlich in den USA vorgestellten IALT-Studie bekamen NSCLC-Patienten in den Stadien I bis IIIa nach der Operation entweder Cisplatin in Kombination mit Etoposid, Vinorelbin, Vinblastin oder Vindesin gefolgt von einer Strahlentherapie (n = 932) oder wurden nach der Operation nur bestrahlt (n = 935). Die zusätzliche Chemotherapie erhöhte die Fünf-Jahres-Überlebensrate signifikant.
Gute Prognose nach präoperativer Chemotherapie
Ein wesentlicher Nachteil der adjuvanten Chemotherapie beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom ist, dass nur etwa die Hälfte bis drei Viertel der geplanten Dosis appliziert wird, weil die Patienten postoperativ nicht mehr tolerieren. Sinnvoller erscheint es, die Chemotherapie bereits präoperativ einzusetzen. Dadurch wird der Tumor verkleinert und Mikrometastasen werden behandelt.
In einer kürzlich veröffentlichten Phase-II-Studie bekamen 90 Patienten im Stadium III a dreimal eine Docetaxel-Cisplatin-Kombination mit 85 mg Docetaxel/m² und 95 mg Cisplatin/m². Die Patienten hatten eine mediane Überlebenszeit von 27,6 Monaten und eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 38%. Diejenigen Patienten, deren Lymphknotenbefall durch die Chemotherapie auf höchstens hilären Lymphknotenbefall verringert wurde ("nodales Down-Staging"), hatten sogar eine mediane Überlebenszeit von 33 Monaten und eine Langzeit-Überlebensrate von 60%.
Platinkomplex-haltige Kombinationen bei Fernmetastasen
Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom im Stadium IV (Fernmetastasen) können palliativ mit einer Chemotherapie behandelt werden. Standard sind Platinkomplex-haltige Kombinationen. In der TAX-326-Studie bekamen NSCLC-Patienten im Stadium III b oder IV eine der folgenden Substanzkombinationen intravenös:
- Docetaxel 75 mg/m² plus Cisplatin 75 mg/m² alle drei Wochen (n = 408)
- Docetaxel 75 mg/m² plus Carboplatin AUC 6 alle drei Wochen (n = 406)
Beide Kombinationen wurden mit Vinorelbin plus Cisplatin (Vinorelbin 25 mg/m² an Tag 1, 8, 15, 22 und Cisplatin 100 mg/m² alle vier Wochen; n = 404) verglichen.
Docetaxel plus Cisplatin erzielte eine höhere Remissionsrate (32% vs. 25%), eine etwas längere mediane Überlebenszeit (11,3 vs. 10,1 Monate) und eine höhere Zwei-Jahres-Überlebensrate (21% vs. 14%) als Vinorelbin plus Cisplatin. Beide Docetaxel-haltigen Kombinationen wurden besser vertragen als die Vinorelbin-haltige Kombination. Für Docetaxel plus Carboplatin konnte keine Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt werden.
Auch Ältere profitieren
Eine Subgruppenanalyse der TAX-326-Studie kam zu einem überraschenden Ergebnis: Patienten ab 65 Jahre profitierten mindestens ebenso von der Docetaxel-Cisplatin-Gabe wie Jüngere: Sie überlebten im Median 12,6 Monate (gegenüber 9,9 Monaten unter Vinorelbin plus Cisplatin). Die Jüngeren überlebten unter Docetaxel plus Cisplatin im Median 11,0 Monate. Gleichzeitig waren die Alten nicht wesentlich häufiger von Grad-3- oder -4-Toxizitäten der Behandlung betroffen (53% vs. 51%).
Der Altersgipfel beim Bronchialkarzinom liegt bei etwa 70 Jahren. Von den NSCLC-Patienten im Stadium IV, die über 70 Jahre alt sind, erhalten bislang viel weniger eine Chemotherapie als von den Jüngeren: in einer epidemiologischen Feldstudie in der Region Halle beispielsweise 26% gegenüber 41%. Das liegt vermutlich an der Vorstellung, dass Ältere Chemotherapien schlechter vertragen und weniger davon profitieren. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie sollten jedoch der Allgemeinzustand und die Begleiterkrankungen des Patienten viel wichtiger als das Alter sein.
Docetaxel zuerst oder später?
In einer Cross-over-Studie bekamen NSCLC-Patienten im Stadium IV eine sequenzielle Chemotherapie, in der Docetaxel als First- oder Second-line-Therapie gegeben wurde. 239 Patienten bekamen zunächst randomisiert bis zu sechs Zyklen Docetaxel plus Cisplatin oder Vinorelbin plus Cisplatin. Bei stabiler Erkrankung/partieller Remission wurde mit Docetaxel oder Vinorelbin weiterbehandelt (Erhaltungstherapie), bei fortschreitender Erkrankung wurde auf die jeweils andere Substanz gewechselt.
Als First-line-Therapie erzielte die Docetaxel-haltige Kombination bei 34% der Patienten eine Remission, die Vinorelbin-haltige bei 26%. Als Second-line-Therapie bewirkte Docetaxel immer noch bei 11% der Patienten eine Remission, Vinorelbin bei keinem Patienten. Beim medianen Überleben bestand kein signifikanter Unterschied (Docetaxel zuerst gegenüber später 8,3 vs. 9 Monate). Im ersten Behandlungsjahr war die Überlebensrate gleich. Danach hatte die Docetaxel-haltige First-line-Therapie jedoch bessere Ergebnisse: Die Zwei-Jahres-Überlebensrate betrug 17% gegenüber 10%, die Drei-Jahres-Überlebensrate 13% gegenüber 6%.
Rauchen und Lungenkrebs
90% aller Bronchialkarzinome treten bei Rauchern auf. Das Risiko eines Rauchers, Lungenkrebs zu entwickeln, beträgt 10%, das einer Raucherin sogar 17%. Warum rauchende Frauen ein höheres Lungenkrebsrisiko haben als rauchende Männer, ist unklar. Während die Zahl der Raucher in den USA bei Männern und Frauen zurückgeht, ist dies in Europa noch nicht der Fall. In Deutschland rauchen jeweils 37% der Männer und der Frauen.
- Gruppe 1: Docetaxel 75 mg/m² plus Cisplatin 100 mg/m² alle 3 Wochen, max. 6 Zyklen Bei stabiler Erkrankung oder partieller Remission: Docetaxel 100 mg/m² alle 3 Wochen Bei Progression: Vinorelbin 30 mg/m² an Tag 1 und 8 alle 3 Wochen
- Gruppe 2: Vinorelbin 30 mg/m² an Tag 1 und 8 plus Cisplatin 100 mg/m² alle 3 Wochen, max. 6 Zyklen Bei stabiler Erkrankung oder partieller Remission: Vinorelbin 30 mg/m² an Tag 1 und 8 alle 3 Wochen Bei Progression: Docetaxel 100 mg/m² alle 3 Wochen
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