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- DAZ 33/2003
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Berichte
Pharmazeutisch-botanische Exkursion: Vulkaneifel und Hohes Venn
Kalktuff am Wasserfall
Unser erstes Exkursionsziel nach Ankunft in der Eifel war der Wasserfall von Dreimühlen, südlich der Ortschaft Ahütte. Er ist durch Kalksinterablagerungen von drei stark kalkhaltigen Quellzuflüssen des Ahbaches in wenigen Jahrzehnten entstanden. Eine botanische Rarität stellt das vom Kalksinterblock herabhängende Moos Cratoneuron commutatum dar. Das Moos vergrößert die Oberfläche, an der das Carbonat aus dem fließenden Wasser ausfallen kann; es wird daher schnell vom Carbonat überkrustet, stirbt dann ab und lässt die typischen Hohlräume im Kalksinter zurück. Durch ein schnelles Wachstum entgeht das Moos seiner Vernichtung, und der Prozess kann sich weiter fortsetzen. Wegen seiner Einmaligkeit wurde der Wasserfall von Dreimühlen – er ist das nördlichste Kalksintervorkommen in Europa – zum Naturdenkmal erklärt.
In der Umgebung des Wasserfalls wachsen einige pharmazeutisch interessante Pflanzen: die Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale), die in früherer Zeit als Gemüse verzehrt wurde und deren scharfer Geschmack durch Glucosinolate zustande kommt; größere Bestände der Pestwurz (Petasites hybridus) und des Huflattichs (Tussilago farfara), die zur Familie der Korbblütler gehören und manchmal miteinander verwechselt werden. Die arzneiliche Anwendung beider Pflanzen wurde wegen ihres hohen Gehaltes an Pyrrolizidinalkaloiden und deren karzinogener Metaboliten vom BfArM verboten. Durch Extraktion mit flüssigem Kohlendioxid gehen die gefährlichen Inhaltsstoffe aber nicht in den Extrakt über, und so werden nun pyrrolizidinalkaloidfreie Präparate der Pestwurz arzneilich genutzt.
Weiterhin sahen wir in der Nähe des Wasserfalls den Eingriffeligen Weißdorn (Crataegus monogyna), dessen Blätter und Blüten Flavonoide und oligomere Procyanidine enthalten und ein bewährtes Herz-Kreislauf-Mittel, z. B. bei altersbedingter Herzinsuffizienz, sind, sowie den blauen Eisenhut (Aconitum napellus), eine der giftigsten Pflanzen unserer heimischen Flora, die das Diterpenalkaloid Aconitin enthält. Heute noch wird der Eisenhut homöopathisch bei Neuralgien eingesetzt.
Magerrasen mit Orchideen
Bei Alendorf besichtigten wir einen mit Wacholder (Juniperus communis) bestandenen Magerrasen. Die Beerenzapfen des Wacholders werden wegen ihres Gehaltes an ätherischem Öl als Gewürz sowie als Diuretikum und Spasmolytikum eingesetzt. Zwischen den Wachholderbüschen entdeckten wir als botanische Besonderheiten einige Orchideen, so die Fliegenragwurz (Ophrys insectifera), das Brandknabenkraut (Orchis ustulata), das Mannsknabenkraut (Orchis mascula) und die Zweiblättrige Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) in voller Blüte. Die Knollen der Knabenkräuter wurden in früherer Zeit mit Hoden verglichen und nach der Signaturenlehre, die äußere Merkmale der Pflanze zur Wirkstofffindung heranzog, als Aphrodisiakum eingesetzt.
Ein aphrodisisch wirkender Inhaltsstoff ließ sich aber nicht finden. Andernfalls wäre eine Übernutzung und Ausrottung dieser seltenen Pflanzen wohl unausweichlich die Folge gewesen. Eine weitere, für den Alendorfer Trockenrasen charakteristische Pflanze stellt die Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris) dar.
Nährstoffarme Maare
Am zweiten Exkursionstag fuhren wir durch die Vulkaneifel. Dort kommt an vielen Stellen die violett blühende Lupine (Lupinus polyphyllus) vor, die aus Nordamerika stammt und sich in den letzten Jahrzehnten bei uns stark ausgebreitet hat. Während diese Art Chinolizidinalkaloide enthält, werden die Samenproteine alkaloidfreier Sorten anderer Lupinenarten (Süßlupinen) als Sojaersatz verwendet.
Die auffälligste Pflanze der Eifel ist der Besenginster (Cytisus scoparius), dessen leuchtend gelbe Blüten früher unter der Bezeichnung Flores Sarothamni scoparii offizinell waren. Heute wird das Kraut verwendet. Die hauptsächliche Wirksubstanz, das Spartein, ist in der Droge zu 0,2 bis 0,8% vorhanden. Es wirkt diuretisch, antiarrhythmisch und wehenfördernd.
Typisch für die Vulkaneifel sind die Maare, runde Seen in ehemaligen Vulkankratern. Am Windsborn-Kratersee bei Bettenfeld, der zur Mosenberg-Vulkangruppe gehört, studierten wir eine Verlandungszone mit prächtigen Fieberkleebeständen. Da es sich um ein nährstoffarmes Gewässer handelt, findet man dort nicht die üblichen Röhricht- und Schwimmblattgürtel. Dagegen beherbergt der See Seltenheiten wie den Fieberklee (Menyanthes trifoliata), das Blutauge (Potentilla palustris) und das Gemeine Helmkraut (Scutellaria galericulata). Im vorigen Jahrhundert wollte man das Wasser ableiten, um an die mächtigen Torflager zu kommen. Doch glücklicherweise wurde der Plan nicht realisiert.
Der Fieberklee trägt mit seinen langen Ausläufertrieben zur Verlandung des Kratersees bei. Er ist mit den Enziangewächsen nahe verwandt; seine Blätter enthalten Secoiridoid-Bitterstoffe und finden in der Volksmedizin als Amarum bei Magen- und Leberleiden Anwendung.
Osterluzei – eine Rarität
Zwischen den Maaren fuhren wir die mittelalterliche Burg Manderscheid an. Die 1794 im Revolutionskrieg zerstörte Niederburg wurde später vom Eifelverein als Ruine wieder aufgebaut. In ihr findet man eine sehr spezielle Flora, die an die extremen Temperaturschwankungen und Trockenheit angepasst ist. Wir stießen hier auf die seltene Osterluzei (Aristolochia clematitis), die als Immunstimulans bei Erkältungen eingesetzt wurde, aber heute nicht mehr verwendet wird, da sich die Aristolochiasäuren als karzinogen erwiesen haben. Trotzdem werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin weiterhin Pflanzen der Gattung Aristolochia eingesetzt (in Deutschland jedoch nicht erlaubt).
Der gelb-orangefarbene Milchsaft des ebenfalls auf der Burg wachsenden Schöllkrauts (Chelidonium majus) enthält die Isochinolinalkaloide Chelidonin und Berberin. Die Pflanze galt nach der Signaturenlehre als heilsam bei Leber- und Gallenerkrankungen. In diesem Fall deckt sich die Signaturenlehre mit den modernen pharmazeutischen Erkenntnissen – anders als bei den Orchideen.
Hochmoorvegetation
Eing ganz andersartige Vegetation erkundeten wir am dritten Exkursionstag: die Hochmoorvegetation des Bragvenns bei Ormont und des Hohen Venns. Hochmoore gehören heute zu den meistgefährdeten Pflanzengesellschaften Deutschlands. Im Gegensatz zu den Niedermooren sie sind sie rein ombrotroph (= regenwassergespeist), das heißt, sie beziehen ihre Nährstoffe nur aus dem Niederschlag. Sie wachsen durch die abgestorbenen Reste von Torfmoosen der Gattung Sphagnum in die Höhe und verlieren mit zunehmender Mächtigkeit den Kontakt zum geologischen Untergrund. Daher sind Hochmoore arm an Mineralien.
In den Randbereichen des Bragvenns fanden wir den seltenen Siebenstern (Trientalis europaea) und den weltweit verbreiteten Adlerfarn (Pteridium aquilinum). Die Jungtriebe des Adlerfarns wurden früher in Japan als Gemüse gegessen. Der Genuss ist jedoch nicht empfehlenswert, da der Inhaltsstoff Ptaquilosid kanzerogen ist. Das Aglykon dieses instabilen Glucosids bindet kovalent an Nukleotide, was Mutationen in der DNA hervorruft.
Im deutsch-belgischen Grenzgebiet zwischen Monschau, Eupen und Malmedy erstreckt sich die weiträumige Moorlandschaft des Hohen Venns, das sich um fast 250 m über die bei 450 Höhenmetern liegende Rumpffläche der Eifel heraushebt. Dort fanden wir die gelb blühende Osterglocke (Narcissus pseudonarcissus) und die Zwergsträucher Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea). Die feuchte Meeresluft, die über das belgische Flachland zieht, muss vor dem Venn-Massiv in größere Höhen aufsteigen, kühlt sich dabei stark ab und bildet Wolken, die über dem Venn abregnen. So ist das Venn eines der regenreichsten Gebiete in Mitteleuropa, was eine Vorraussetzung für die Entstehung von Hochmooren ist.
Nochmals: Orchideen
Am vierten Tag der Exkursion, auf der Rückfahrt nach Heidelberg, besichtigten wir den Kartstein oder Kakusfelsen bei Euskirchen, dessen vorderes Plateau ein 100 m langer, halbkreisförmiger Wall nach Westen hin abriegelt. Die gut erhaltene Anlage ist vermutlich in die jüngere vorrömische Eisenzeit zu datieren (500 – 0 v. Chr.). Weitere frühgeschichtliche Denkmäler an unserer Route waren der Klausbrunnen von Mechernich-Kallmuth und die römische Eifelwasserleitung nach Köln; mit 95,4 km war sie eine der längsten Fernwasserleitungen im Imperium Romanum und versorgte vom ersten bis dritten Jahrhundert n. Chr. die Römerstadt Köln.
Einen würdigen Abschluss des letzten Exkursionstages bildeten die Halbtrockenrasen bei Irrel nahe der luxemburgischen Grenze. Besonders beeindruckend waren die zahlreichen blühenden Orchideen wie Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum), Hummelragwurz (Ophrys holosericea) und Grüne Hohlzunge (Coeloglossum viride). Die Fruchtstände der im September blühenden Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) erinnerten uns wieder an die Pharmazie: Das Alkaloid der Herbstzeitlose, das Colchicin, ist ein Hemmstoff der Zellteilung; es wurde früher in der Tumortherapie verwendet und wird heute noch bei Gicht eingesetzt. Weiterhin fanden wir hier den Purgier-Lein (Linum catharticum), der früher in der Volksmedizin als Laxans Verwendung fand.
Vier Tage lang haben wir uns mit der heutigen und historischen Nutzung von Arzneipflanzen beschäftigt. Dabei wurden die Tagesexkursionen abends durch botanische Bestimmungsübungen ergänzt. So haben die Studenten eine Basis zum Erkennen und Bestimmen von Arzneipflanzen erhalten.
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