Ausland

R. Manning et al.Pharmacy Down Under – Das aus

Die Disease Related Groups (DRG), welche seit Jahresbeginn die Ausgaben der Krankenhäuser in Deutschland begrenzen sollen, sind eine australische Erfindung. Einige der im Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz vorgesehenen Pläne sind gleichfalls in Australien seit Jahren Realität. Insofern kann angesichts der australischen Gegenwart in mancher Hinsicht auf die mögliche Zukunft der deutschen Apotheke und des entsprechenden Berufsbildes des Apothekers geschlossen werden.

Allgemeines

Australien ist seit 1901 ein selbstständiger Bundesstaat und gehört mit seinen 19,6 Millionen Einwohnern zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde. Durchschnittlich leben nur etwa 2,6 Menschen auf einer Fläche von einem Quadratkilometer (Deutschland: 230).

Die Bevölkerung wohnt größtenteils in den Millionenstädten Sydney, Melbourne, Brisbane und Perth an der Küste. Weite Teile Zentral-, Nord- und Ostaustraliens sind nahezu unbewohnt.

Das Bevölkerungswachstum liegt bei etwa 1 % pro Jahr (Deutschland: 0,4 %). Australien ist ein Einwanderungsland. Etwa ein Drittel der Australier ist nicht dort geboren. Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind ein Lebensalter unter 45 Jahren sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im Jahre 2002 pro Kopf 22 900 US$, bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 3 % (D: 22 500 US$ bzw. 0,2 %). Australien gehört damit zu den wachstumsstärksten OECD-Ländern. Die Arbeitslosenquote wird gegenwärtig mit 6 % angegeben.

Gesundheitswesen

Australien hat ein mit den anderen Industrieländern vergleichbar hoch entwickeltes Gesundheits- und Sozialwesen. Die Lebenserwartung beträgt bei Frauen durchschnittlich 73,3 und bei Männern 69,6 Jahre. Damit belegt Australien weltweit vordere Positionen (Rang 6 bzw. 3). Allerdings liegt die Lebenserwartung der Aborigines (Ureinwohner) mit 61,7 bzw. 56,9 Jahren deutlich unter dem Durchschnitt.

Im Jahr 2001 wurden pro Kopf der Bevölkerung 2211 US$ für Gesundheit ausgegeben (D: 2740 Euro); das entspricht 8,5 % des BIP (D: 10,9 %).

Einer Studie des Center of Strategic and International Studies zufolge hat Australien von allen Industrieländern das geringste Finanzrisiko in Verbindung mit der Alterung der Bevölkerung zu erwarten. Gründe hierfür liegen in den vergleichsweise niedrigen staatlichen Beihilfen und Renten sowie einer günstigen demographischen Entwicklung.

Das steuerfinanzierte National Health System (NHS, Medicare) sichert jedermann gegen die Kosten für ärztliche Behandlung, Krankenhausaufenthalte und Medikamentenbedarf ab. Zusätzlich freiwillig privat versichert werden Zahnbehandlung, Sehhilfen und das Krankengeld. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gibt es nur für etwa zehn Tage.

In den staatlichen Krankenhäusern werden lebensbedrohliche Erkrankungen bevorzugt behandelt. Für andere Eingriffe gibt es Wartelisten und Privatkrankenhäuser. Für die Behandlung durch einen Allgemeinarzt (General Practitioner, GP) sind Eigenbeteiligungen in Höhe von 38 bis 42 AUS$ zu leisten, wobei etwa 25 AUS$ (1 Euro = 1,66 AUS$) von Medicare erstattet werden. Fachärzte liquidieren überwiegend beim Patienten.

Die Selbstbeteiligung für Arzneimittel beträgt im Regelfall 23,10 AUS$ pro Position, bei Rentnern und Arbeitslosen 3,70 AUS$. Für Markenmedikamente werden häufig zusätzliche Zahlungen fällig.

Ab einer geleisteten Zuzahlung von über 708,40 AUS$ pro Jahr greift für die verbleibenden Monate eine verminderte Gebühr von 3,70 AUS$; Rentner und Arbeitslose werden ab einer geleisteten Zuzahlung von 192,40 AUS$ pro Jahr von weiteren Zuzahlungen befreit. Die Apotheker sind dafür zuständig, die Eigenbeteiligung der Patienten zu dokumentieren und gegebenenfalls eine Ermäßigungsbescheinigung oder einen Befreiungsausweis auszustellen.

Der Arzneimittelmarkt

In Australien sind nur 4000 bis 5000 Arzneimittel im Handel. Im Vergleich zu Deutschland fehlen einige hier weit verbreitete Wirkstoffe. So findet man kein Ambroxol und kaum Phytopharmaka im Arzneibuch. Auch Acetylcystein-Brausetabletten fehlen im Sortiment. Von den zugelassenen Wirkstoffen gibt es zudem weniger Stärken und Darreichungsformen. So finden Zäpfchen selbst in der Pädiatrie wesentlich seltener Anwendung als in Europa. Der Marktzugang für ausländische Firmen wird durch ein langwieriges Zulassungsverfahren und zahlreiche bürokratische Hemmnisse erschwert.

Die Arzneimittel und chemischen Ausgangsstoffe sind in verschiedene Kategorien (1 bis 8) eingeteilt. Neben den in Deutschland bekannten Kategorien freiverkäuflicher, apothekenpflichtiger und verschreibungspflichtiger Arzneimittel gibt es zusätzlich eine Kategorie beratungspflichtiger Arzneimittel.

Hierbei handelt es sich um ehemals verschreibungspflichtige Arzneimittel, welche die Behörden nur eingeschränkt für den freien Verkauf zulassen. Zu diesen gehören Salbutamol, einige Antihistaminika und Antiphlogistika, Sulfacetamid-Augentropfen, Kombinationen von Paracetamol, Codein und Doxylamin sowie Adrenalin-Ampullen. Nur einem Apotheker ist gestattet, sie nach eingehender Beratung und Einweisung des Patienten abzugeben. Bei unsicherer Handhabung (z. B. von Asthmasprays) und Missbrauchverdacht ist der Verkauf grundsätzlich abzulehnen.

Neben Apotheken führen auch Supermärkte, Tankstellen und Cafés Arzneimittel. Aspirin, Paracetamol, Nasentropfen, Hustensäfte, Abführmittel und Einreibungen sind hier in kleinen Abpackungen erhältlich. Es gibt eine Tendenz, die Apothekenpflicht aufzuweichen. So sind kürzlich auch Zovirax und Voltaren Emulgel davon ausgenommen worden. Bei Ibuprofen 200-mg-Tabletten ist dies gegenwärtig in Vorbereitung.

Eine vertraglich festgesetzte Preisbindung gibt es nur für Arzneimittel, die zu Lasten des NHS verschrieben werden können. Freiverkäufliche Medikamente dagegen werden generell frei kalkuliert, ebenso die nicht erstattungsfähigen verschreibungspflichtigen (Non NHS) zu Lasten privater Kassen. Eine Mehrwertsteuer wird auf Arzneimittel in Australien nicht erhoben.

Der australische Arzneimittelmarkt weist seit Jahren ein starkes Wachstum auf (Abb. 2). Die Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich werden offiziell vor allem mit der Einführung von Innovationen in Zusammenhang gebracht. So wird der starke Zuwachs in 2000/01 mit der Markteinführung von Celebrex und Zyban erklärt. Die Eigenbeteiligung der Patienten an den Arzneimittelausgaben ging von 19,1 % (1994/95) auf 16,1 % (2001/02) zurück.

Apothekenbetrieb

Die Zahl der Apotheken im Verhältnis zur Bevölkerung ist mit der in Deutschland vergleichbar. In den meisten Bundesstaaten versorgt eine öffentliche Apotheke etwa 4000 Einwohner. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Einzuggebiet einer Apotheke in dünn besiedelten Gebieten durchaus 1000 km entfernte Ortschaften einschließen kann.

Es gibt Niederlassungsfreiheit für Apotheken, jedoch erteilt das NHS nur dann eine Zulassungsnummer, wenn ein öffentlicher Bedarf nachgewiesen wird. Dies bedeutet praktisch ein Konzessionsrecht und führt in der Realität zu einem behördlich geduldeten Handel mit Zulassungsnummern.

Hinsichtlich der Räumlichkeiten und Ausstattung der Apotheke gibt es kaum gesetzliche Vorschriften. Der Mehrbesitz an Apotheken ist in einigen Bundesstaaten weitgehend ausgeschlossen (New South Wales), in anderen beschränkt (Queensland) oder völlig freigegeben (Canberra). Voraussetzung zum Besitz einer Apotheke ist eine gültige Registrierung als Apotheker. Der Fremdbesitz an Apotheken ist generell verboten.

Viele Apothekenketten werden in der Rechtsform einer OHG geführt. Die Besitzer haben keinerlei Präsenzpflicht zu erfüllen. Leiter einer solchen Apothekenfiliale ist ein "managing partner" oder angestellter "managing pharmacist". Während der Öffnungszeiten muss immer ein Apotheker anwesend sein.

Kauf und Verkauf bestehender Apotheken werden häufig über Pharmagroßhändler und Makler abgewickelt. Vor allem bei Besitzerwechsel von wirtschaftlich interessanteren Apotheken in den Großstädten haben jüngere und kapitalschwächere Apotheker fast nie eine Chance gegen die Inhaber der Kettenapotheken.

Neben approbierten Apothekern gehören Pharmacy Technicians und Dispensary Assistants zum pharmazeutischen Personal. Die Qualifikation für diese zumeist von Frauen ausgeübten Berufe kann man durch eine etwa sechsmonatige Fernausbildung erlangen.

Wichtigste Aufgaben sind das Zusammensuchen, Bestellen und Verpacken der Medikamente und die Speicherung von Rezeptdaten. Die Pharmacy Technicians dürfen keine Rezepturen herstellen. Auch die Abgabe von verschreibungspflichtigen und beratungspflichtigen Medikamenten ist ihnen nicht erlaubt.

Hilfs- und Reinigungsarbeiten werden von ungelernten Kräften, den Pharmacy Assistants, ausgeführt.

Die Belieferung eines Rezeptes erfordert einen relativ hohen Aufwand und ist mit dem Ausdrucken diverser Etiketten, Dosierungsanleitungen und Informationen verbunden. In modern eingerichteten Apotheken sitzen sich Kunde und Patient dabei gegenüber ("forward pharmacy", Abb. 1).

Häufig wird dem Patienten ein Medikament für einen längeren Zeitraum, z. B. 6 Monate, verschrieben, von dem er jeweils eine Packung für den monatlichen Bedarf in der Apotheke erhält; der Arzt stellt dann ein Rezept mit fünf Wiederholungen aus, und die Apotheke gibt bei jeder Arzneimittelabgabe ein neues Rezept aus, auf dem vermerkt ist, wie viel Packungen der Patient schon erhalten hat (Abb. 3).

Das Auseinzeln aus Großpackungen ist erlaubt, wird aber selten praktiziert.

Nebensortiment und Dienstleistungen

Das Nebensortiment ist sehr vielfältig und schließt lediglich Zigaretten und alkoholische Getränke aus. Hierbei ist erwähnenswert, dass es in Australien weniger Fachgeschäfte gibt als hierzulande, sodass Apotheken häufig lokale Marktlücken ausfüllen.

Während eine breite Palette an Drogerieartikeln sowie Postkarten und Sonnenbrillen auch in anderen angelsächsischen Ländern zu den apothekenüblichen Waren zählen, dürften Elektrogeräte, Werkzeuge, Textilien und Schuhe australische Besonderheiten darstellen.

Für manche Apotheken ist das Nebensortiment überlebenswichtig. Allerdings macht das vielfältige Warenangebot australische Apotheken auch attraktiv für Diebe. Durchschnittlich 16 % aller Ladendiebstähle ereignen sich in Apotheken.

Vielfältig sind auch die Dienstleistungen der Apotheken. Neben Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckermessung werden bei Bedarf medizinische Untersuchungen, z. B. der Ohren oder der Atemwege, durchgeführt (Abb. 4).

Besondere Bedeutung hat das Ausdrucken von Arzneimittelinformationen, da es keine gesetzlich vorgeschriebenen Beipackzettel gibt. Jedes Medikament, das in australischen Apotheken abgegeben wird, erhält zuvor einen Aufkleber mit Anwendungshinweisen (Abb. 5).

Zu den ungeliebten Realitäten des Apothekenalltages gehören Beratungen zu im Supermarkt gekauften Arzneimitteln.

Häufig werden kosmetische Behandlungen, Massagen, Ohrlochstechen, Piercing oder naturheilkundliche Therapien in Apotheken angeboten. Schließlich sind auch Fotoentwicklung, Kopieren und Unterschriftsbeglaubigungen in vielen Apotheken möglich.

Die Öffnungszeiten der Apotheken sind keinem Ladenschlussgesetz unterworfen und liegen meist zwischen 8 und 21 Uhr. In Großstädten übernehmen Nacht-Apotheken und Krankenhäuser die Notversorgung der Bevölkerung. Einen regulären Apothekennotdienst gibt es nicht. Viele Apotheken verweisen aber in einem Aushang auf eine Servicenummer für Notfälle.

Wirtschaftliche Probleme der Apotheken

Im Jahre 2002 machten die australischen Apotheken 67,2 % ihres Gesamtumsatzes von 8,6 Mrd. AUS$ mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Bei einem Rezeptumsatz von 5,8 Mrd. AUS$ wurden 208 Mio. Verordnungen beliefert, davon 161,2 Mio. zu Lasten des NHS. Im Durchschnitt belieferte eine Apotheke demnach 42 259 Rezepte.

Die in der Abbildung 1 dargestellte Ausgabenentwicklung in den Apotheken (PBS) wird als bedrohlich angesehen, und als Reaktion darauf werden Deregulierungen des Arzneimittelhandels diskutiert. So gibt es Pläne, Fremdbesitz zuzulassen und Apotheken in Supermärkte zu integrieren. Auch ein Fixzuschlag für die Arzneimittelabgabe ohne prozentuale Beteiligung am Preis wird als mögliche Sparmaßnahme in Erwägung gezogen.

Der Arzneimittelversand ist seit fünf Jahren erlaubt und wird von der ländlichen Bevölkerung, die traditionell viele Waren über den Versand bezieht, in wachsendem Maße genutzt. Indessen hat sich der Versandhandel, insbesondere in dünn besiedelten Regionen, als existenzbedrohende Konkurrenz für die öffentlichen Apotheken erwiesen, die mit nur 20 % ihres Sortimentes 80 % des Umsatzes erwirtschaften.

Die Zahl der öffentlichen Apotheken ist seit Jahren rückläufig und hat sich seit 1990 von 5625 auf 4925 im Jahre 2002 verringert. Innerhalb kurzer Zeit kann sich die Situation weiter zuspitzen. Indessen scheinen die Apothekenschließungen durchaus in das politische Konzept zu passen, weil dieser Prozess durch Prämienzahlungen teilweise sogar unterstützt wird.

Ausbildung der Apotheker

Nach Angaben der Pharmaceutical Society of Australia werden zuwenig Pharmazeuten ausgebildet. Es herrscht seit Jahren ein Mangel an Apothekern.

Das Hochschulstudium der Pharmazie dauert vier Jahre. Im Unterschied zu der Ausbildung in Deutschland wird den medizinischen Kenntnissen größere Bedeutung beigemessen. Anatomie einschließlich Leichenpräparation gehört ebenso zum Ausbildungsplan wie Psychiatrie. Der medizinische Unterricht beinhaltet auch leichtere medizinische Untersuchungen.

Im Fach Innere Medizin erlernen die angehenden Pharmazeuten, wie z. B. Geschlechtskrankheiten, Malaria oder Typhus erkannt werden können. Obligatorische Praktika in Krankenhäusern, die auch die Teilnahme an Visiten einschließen, runden die Ausbildung ab.

Nach einem einjährigen Praktikum erfolgt die Eintragung als "registered pharmacist". Viele Berufsanfänger zieht es für einige Zeit nach Großbritannien oder Irland. Ein angestellter Apotheker mit zehn Berufsjahren bekommt einen Stundenlohn von etwa 15 bis 18 Euro brutto.

Umfragen zufolge gehören die Apotheker zu den Berufsgruppen in Australien, denen die Bevölkerung das größte Vertrauen entgegenbringt.

Apotheker als Gesundheitsmanager

Apothekern in Australien ist es gestattet, Diagnosen von Bagatellerkrankungen, z. B. Otitis, Konjunktivitis, Hals- und Hauterkrankungen, selbst zu stellen und eine Therapie einzuleiten. Das Verhältnis der Apotheker zu den Ärzten wird durch diese Befugnisse nicht belastet. Im Gegenteil, es wird darin eine willkommene Entlastung der Praxen gesehen.

Bei psychisch auffälligen Patienten kann der Apotheker eine Überweisung an einen Arzt mit Schilderung von Vorkommnissen und Verdachtsmomenten ausstellen. In bestimmten Notfällen – z. B. wenn einem Patienten das Reisegepäck gestohlen wurde – ist es den Apothekern erlaubt, Medikamente ohne Rezept für höchstens zwei Tage auszuliefern.

Ein interessanter Beitrag der australischen Apotheker zur Arzneimittelsicherheit ist der Home Medicines Review (HMR). Bei einem Hausbesuch durch den Apotheker werden sämtliche eingenommene Medikamente erfasst und während eines ausführlichen Gespräches mögliche Wechselwirkungen und Nebenwirkungen dokumentiert.

Auch die Hausapotheke wird kontrolliert und verfallene Arzneimittel aussortiert. Ebenso werden Hinweise auf mangelnde Compliance sowie Arzneimittel- oder Drogenmissbrauch erfasst. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dem anfordernden Arzt als Bericht zur Verfügung gestellt und mit umgerechnet 70 Euro vom NHS honoriert.

Ziel der Apothekerschaft ist es, die fachliche Kompetenz der öffentlichen Apotheke als gesellschaftlichen Wert stärker zu etablieren. Durch freiwillige "Quality care" sollen einheitliche Qualitätsstandards durchgesetzt werden. Dieses mit dem QMS vergleichbare Konzept beinhaltet Regelungen für das Verhalten in Notsituationen ebenso wie für die Kundenberatung und Rezeptbearbeitung sowie regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen.

Apotheke im Wandel

Management und Marketing gewinnen zunehmend an Bedeutung. Dazu gehört auch der Zusammenschluss zu einheitlich auftretenden Marketinggemeinschaften unabhängiger Apotheken (z. B. Pharmacist advice, AMCAL) sowie Spezialisierung auf bestimmte medizinische Dienstleistungen (z. B. The Medicine Shoppe®).

Diese Spezialisierungen betreffen sowohl das Sortiment als auch die Mitarbeiterqualifikation und Kooperationen mit Ärzten. So halten auf Diabetes spezialisierte Apotheken ein größeres Sortiment an entsprechenden Arzneimitteln, Messgeräten und Zubehör vorrätig. Geschulte Mitarbeiter übernehmen die Beratung und führen in Zusammenarbeit mit Diabetologen eine PC-gestützte Überwachung des Blutzuckers durch.

Auf Asthmatiker spezialisierte Apotheken bieten neben Spezialkenntnissen und Sortiment regelmäßige Atemtests (z. B. Spirometer) an. Sportmedizinisch orientierte Apotheken übernehmen die Versorgung mit Pflastern und Bandagen, Massagen sowie Physiotherapie. Erwähnenswert sind schließlich noch die Schwerpunkte Inkontinenzversorgung, Phytopharmaka sowie Homöopathie. Die Möglichkeiten, auch medizinische Behandlungen in Apotheken anzubieten, werden kaum eingeschränkt, solange die Zusammenarbeit mit den ansässigen Ärzten reibungslos funktioniert.

Einen hohen Stellenwert genießen Mitarbeitermotivation und Fortbildung. Aufgrund des Pharmazeutenmangels soll die Ausbildung der Dispensary Assistants nach europäischem Vorbild (z. B. PTA) verbessert werden. Dadurch sollen die Apotheker weniger mit organisatorisch-logistischen Problemen belastet werden und sich stärker auf ihre fachlichen Aufgaben konzentrieren können.

Erfolgreiche Zusatzverkäufe der Mitarbeiter werden häufig extra honoriert; ihnen werden Fortbildungsmaßnahmen – zum Teil sogar im Ausland – bezahlt, und einige angestellte Apotheker fahren sogar einen Dienstwagen.

Gegen die Aufhebung der Apothekenpflicht bestimmter Arzneistoffe, z. B. von Ibuprofen, sammelt der australische Apothekerverband (Pharmacy Guild of Australia) gegenwärtig landesweit Fallbeispiele, in denen durch die Beratung in Apotheken Nebenwirkungen und Zwischenfälle verhindert werden konnten. Ziel solcher öffentlichkeitswirksamen Aktionen ist es, die Bevölkerung vor den Folgen einer weiteren Aufweichung der Apothekenpflicht zu schützen.

Die Regierung sucht verstärkt Apotheker in Programme einzubinden, um die Bevölkerung freiwillig zu einem sparsameren Umgang mit Arzneimitteln zu bewegen. So soll durch die Angabe des Abrechnungspreises auf den Arzneimittelpackungen bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Kosten der Arzneimittelversorgung entwickelt werden.

Die Apotheken beteiligen sich an diesem Vorhaben, wenden sich jedoch zunehmend gegen die andauernde unentgeltliche staatliche Inanspruchnahme und verlangen ihrerseits mehr Mitspracherechte bei der Umsetzung von Reformen.

Zusammenfassung

Australien erlaubt den Mehrbesitz an Apotheken und eine freie Preiskalkulation für freiverkäufliche Arzneimittel. Die Abrechnung zu Lasten des NHS erfolgt auf der Grundlage einheitlicher Preise.

Eine Mehrwertsteuer wird auf Arzneimittel nicht erhoben.

Das australische Gesundheitswesen steht aufgrund wirtschaftlicher und demographischer Faktoren auf einer vergleichsweise soliden Grundlage. Das Wachstum der Gesundheitsausgaben wird jedoch als Bedrohung für die künftige wirtschaftliche Entwicklung angesehen, und aufgrund der kräftigen Zuwachsraten bei Medikamenten stehen insbesondere die Apotheken, trotz fortgeschrittener Liberalisierung, im Fokus von Reformanstrengungen. Doch weder die Einführung des Versandhandels vor fünf Jahren noch die Einschränkung der Apothekenpflicht konnten bisher etwas an der Ausgabenentwicklung ändern.

Neuerdings sollen in Supermärkte integrierte Apotheken, Fremdbesitz und ein vom Preis unabhängiger Fixzuschlag Abhilfe schaffen. Der angestrebte Erfolg wird wohl auch damit nicht zu erreichen sein, aber es darf als sicher angenommen werden, dass sich die Zahl öffentlicher Apotheken weiter verringern wird.

Die australischen Apotheker treten der existenziellen Bedrohung ihres Berufes jedoch entgegen. Sie suchen durch Kampagnen gegen die Abschaffung der Apothekenpflicht die Institution Apotheke gegen die Supermärkte zu verteidigen. Durch Quality care und den Home Medicines Review soll die Fachkompetenz des Berufes im öffentlichen Bewusstsein fester verankert werden. Durch Marketinggemeinschaften und Kooperationen versucht man die wirtschaftliche Basis zu festigen.

Aufgrund ihrer fundierten medizinischen und praxisbezogenen Ausbildung sind die australischen Apotheker außerdem zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Ärzten in der Lage, was ihre Position als Heilberufler stärkt.

Die Autoren

Robert Manning, geboren 1969 in Sydney, Studium in Brisbane, 1989 Bachelor of Pharmacy, 1992 bis 1999 angestellter Apotheker in Hamburg, seit 1999 angestellter Apotheker in verschiedenen Städten Australiens. Christoph Schümann, geboren 1965 in Rostock, Studium in Greifswald, 1989 Pharmazeutisches Staatsexamen, 1994 Promotion, 1994 bis 1996 angestellter Apotheker, seit 1996 selbstständig, seit 2003 Vizepräsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern.

Australien hat aufgrund einer günstigen demographischen Struktur eine bessere Prognose für die Sozialversicherungen als Deutschland, aber wegen der überproportional wachsenden Kosten machen sich auch dort alle Beteiligten Sorgen um die Zukunft des Gesundheitswesens. Die Probleme sind allerdings frühzeitig erkannt und reformfreudiger angegangen worden, sodass schon eine gewisse Umstrukturierung stattgefunden hat. Ein Blick nach Australien zeigt uns, was morgen auch bei uns Realität werden könnte.

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