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DAZ aktuell
Anhörung im Gesundheitsausschuss: Folgenloses Hearing zur Gesundheitsreform?
Viele Fragen rankten sich um die Neuerungen in der Arzneimitteldistribution. Etwa, ob die gefundene Regelung zum Versandhandel einen ausreichenden Verbraucherschutz gewährleiste. ABDA-Präsident Hans-Günter Friese verneinte dies.
Da eine Verknüpfung zwischen logistischer Zurverfügungstellung des Arzneimittels und der Beratungstätigkeit nicht gegeben sei, bestehe hier eine Lücke. Beim Versandhandel sei unnötigerweise ein Dritter zwischengeschaltet, der nicht über das Arzneimittel Bescheid wisse.
Der ABDA-Chef machte deutlich, dass es Apotheken möglich sei, Beratung und Lieferung eines Arzneimittel bis ans Krankenbett zu gewährleisten, ohne dass dabei derartige Lücken im Verbraucherschutz auftreten. Zudem warnte Friese vor Gefahren durch die Eröffnung des Versandes auch für andere – vor allem künftige – Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der "faire Wettbewerb", den die Konsens-Eckpunkte fordern, sei zwischen der deutschen und der ausländischen Versandapotheke nicht gesichert.
Die Vize-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ursula Engelen-Kefer hat weniger Bedenken: Sie erblickt im Versandhandel eine zweckmäßige Möglichkeit, den Qualitätswettbewerb zu stärken und zu verbessern. Es sei ein "vernünftiger Einstieg". Sollten sich in der ersten Zeit des Gesetzesvollzuges Lücken auftun, so könnten diese immer noch geschlossen werden.
Mehr- und Fremdbesitz
Gefragt nach der neuen Mehrbesitz-Regelung äußerte der ABDA-Präsident die Befürchtung, dass eine Erweiterung über die jetzt angedachten drei Filialen hinaus stattfinden könnte. Dies würde allzu schnell auch einen Fremdbesitz ermöglichen. Diesen müsse man jedoch gemeinsam mit der Politik verhindern. Denn der unabhängige Ratschlag des Apothekers dürfe keinesfalls die Interessen eines Kapitalgebers überlagern, so Friese.
Anders sieht es die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände: Grundsätzlich begrüßt der Verband die Liberalisierungen im Arzneimittelmarkt – allerdings hätte er sich gewünscht, dass der Gesetzgeber sowohl beim Mehr- als auch beim Fremdbesitz noch weiter gegangen wäre.
Problem Herstellerrabatte
Thematisiert wurden auch Herstellerrabatte für Apotheker. So kritisierte Wolfgang Kaesbach vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK), dass die neuen Regelungen zu Aut-idem den Rabattdruck erhöhen werden. Das Problem sei zwar nicht neu, da "Apotheker Generika-Hersteller schon immer an ihrem Rabattverhalten gemessen haben", so Kaesbach.
Es werde sich jedoch durch den Wegfall der Drittellinie verschärfen, weil der Apotheker nun zur Substitution verpflichtet werde. Sinnvoll wäre es daher, im Arzneimittel-Rahmenvertrag festzulegen, dass Apotheker jeweils immer nur das preisgünstigste Arzneimittel abgeben dürfen.
Allerdings räumte Kaesbach ein, dass sich die Vertragspartner wohl kaum auf eine solche Regelung verständigen werden. Da bereits für 85 Prozent der aut-idem-fähigen Arzneimittel Festbeträge gelten, fürchtet der Kassenvertreter zudem, dass Generika-Hersteller versucht sein könnten, auf einen Preiswettbewerb unterhalb des Festbetrags zu verzichten.
Weil sie nicht sicher sein könnten, dass ihre Arzneimittel von den Apotheken substituiert werden, bestehe die Gefahr, dass sie diese selbst aktiv "mit Rabatten zur Abgabe ihrer Arzneimittel ködern", so Kaesbach.
Auch im Zusammenhang mit der Einführung des Kombimodells kam Kritik an der Rabattpraxis auf: So fordert nicht nur der BKK-Bundesverband, sondern auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in der Arzneimittelpreisverordnung verbindlich festzulegen, dass der prozentuale Zuschlag auf den Netto-Herstellerabgabepreis aufzusetzen sei.
Importklausel
Auch die Neuerungen hinsichtlich der Importklausel waren Gegenstand der Anhörung. BKK-Chef Wolfgang Schmeinck begrüßte den künftig geltenden Mindestpreisabstand von 15 Prozent, da infolge der Preispolitik der Importeure mit der bisherigen Regelung bislang kaum Einsparungen erreicht werden konnten.
Auch mit der nun gefundenen Lösung werde der Importmarkt nicht zusammenbrechen. Die VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer unterstützte die Preisabstandsklausel im Grundsatz ebenfalls. Unschlüssig sei jedoch, dass gerade im hochpreisigen Bereich kein prozentualer Abstand, sondern ein absoluter Betrag gelte.
Erstattungsausschluss von OTC-Präparaten
Durch den Ausschluss nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der GKV-Erstattung fürchten weder die Kassenärzte noch die Spitzenverbände der Krankenkassen eine schlechtere Arzneimittelversorgung.
Der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Manfred Richter-Reichhelm und BKK-Chef Schmeinck zeigten sich zuversichtlich, dass der gemeinsame Bundesausschuss eine sinnvolle Liste mit Ausnahmemöglichkeiten für bestimmte Indikationen erstellen werde.
Schmeinck erwartet zudem, dass diese Liste dafür sorgen wird, dass Ärzten keine Anreize zur Substitution geschaffen werden.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) machte hingegen deutlich, dass er den grundsätzlichen Erstattungsausschluss für rezeptfreie Arzneimittel für nicht sachgerecht und therapeutisch nicht verantwortbar halte. Gerade Hersteller von Arzneimitteln für besondere Therapierichtungen seien überproportional von der Regelung betroffen.
Am 26. September wird das GMG abschließend im Bundestag beraten. Es ist nicht zu erwarten, dass die auf Drängen der FDP anberaumte Anhörung noch entscheidenden Einfluss auf den bisherigen Gesetzentwurf haben wird. Am 17. Oktober wird sodann der Bundesrat über das Gesetzeswerk entscheiden, das am 1. Januar 2004 in Kraft treten soll.
Auch wenn niemand mehr Änderungen am Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) erwartet: Am 22. September trafen erneut eine Reihe von Sachverständigen zum Hearing im Gesundheitsausschuss des Bundestags zusammen. Ein letztes Mal konnten Verbandsvertreter öffentlich ihre Kritik – und ihr Lob – an den angedachten Reformen äußern. Vier Stunden lang beantworteten sie die Fragen der Bundestagsabgeordneten. 45 Minuten waren der Arzneimittelversorgung gewidmet.
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