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Deutscher Apothekertag 2003
DAZ-RedaktionFlucht nach vorn (Bericht vom Deutschen
Wirklich Neues, was nicht vorher schon diskutiert worden war, war in Köln nicht zu hören. Konkrete Vorschläge für Konzepte suchte man vergeblich. Das einzig Überraschende war die Freischaltung des Internetportals aponet von einem Vorbestell- zu einem Zustellservice, worüber man geteilter Meinung sein kann, zumal die angeschlossenen Apotheken nicht darüber informiert und nicht gefragt wurden, ob sie ausliefern wollen, und weil die uneingeschränkte Zustellung streng rechtlich gesehen schon mehr als am Rande der Legalität ist.
Immerhin, diese Aktion kann auch symbolisch gesehen werden: als Flucht nach vorn, als Kehrtwende weg von der Verweigerungshaltung, hin zum aktiven Gestalten der Änderungen, die mit dem Gesetz auf uns zu kommen werden.
In den Grußworten der Politiker offenbarte sich: die Regierung verteidigt die künftige Reform als schwierigen Kompromiss, Verständnis für die Sorgen der Apotheken zeigte die parlamentarische Staatssekretärin der SPD Caspers-Merk nicht. Der CDU-Abgeordnete Storm meinte, ein Scheitern des Kompromisses wäre für die Apotheker schlimmer gewesen. Nur der FDP-Politiker Thomae nahm kein Blatt vor den Mund, er warnt vor dem Verlust der Freiberuflichkeit und vermutet hinter den Aktivitäten von Rot-Grün den Weg in Fremd- und Mehrbesitz, damit die Gewerkschaften Zugriff hätten.
In seiner Grundsatzrede ging ABDA-Präsident Friese davon aus, dass die Apothekerinnen und Apotheker unter dem Vorzeichen "Jetzt erst recht" getreu dem Motto des Apothekertags "die Herausforderungen annehmen" und "die Zukunft gestalten". Nur das Wie blieb in der Rede offen. Der Berufsstand müsse zusammenhalten und dürfe sich nicht entzweien. Das GMG werfe viele offene Fragen auf. Der Mehrbesitz sei keine Bedrohung, wenn es bei der geplanten Beschränkung auf drei Apotheken bleibe. Die Teilnahme an der integrierten Versorgung sei mit großen Hoffnungen verbundenen. Das Kombimodell hält die ABDA für die richtige Zukunftsstrategie. Die Preisfreigabe für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel sei allerdings der falsche Weg. Trotz schwieriger Zeiten forderte Friese dazu auf, den Kopf nicht in den Sand zu stecken.
ABDA-Hauptgeschäftsführer Braun verteidigte in seinem Geschäftsbericht das Kombimodell als einzige Lösung. Kritik aus den eigenen Reihen wies Braun zurück. Die Standesvertreter hätten die Politiker sehr wohl vor negativen Folgen durch das neue Gesetz, das Versandhandel und den begrenzten Mehrbesitz ab 2004 erlaubt, gewarnt. Dies habe jedoch quer zur rot-grünen Parteipolitik gelegen. Durch den jüngsten Gesetzentwurf sieht Braun sogar Erfolge im Gesetzestext. Beim Umgang mit der geplanten Preisfreigabe bei OTC-Präparaten rief der ABDA-Hauptgeschäftsführer zu einem vernünftigen Verhalten auf.
Dass das GKV-Modernisierungsgesetz für die Institution Apotheke weitreichende Folgen hat, machte Lutz Tisch, Geschäftsführer Apotheken- und Arzneimittelrecht, in seinem Vortrag zum Thema "Versorgungsmanagement" auf der Hauptversammlung deutlich. Einerseits bietet das neue Gesetz die Chance für den freien Heilberuf des Apothekers, sich zukünftig in weiter gefächerten Ordnungsrahmen seinen Aufgaben gegenüber Patient und Gesellschaft zu widmen. Allzu viel Spielraum gibt es dabei dennoch nicht. Denn bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Grenzen doch eng gesteckt sind. Der Versandhandel unterliegt vielfältigen Auflagen. Der Botendienst aus der Apotheke ist für Tisch die bessere Alternative. Grenzen gibt es auch beim Mehrbesitz, bei vier Apotheken ist Schluss. Noch viele offene Fragen gibt es bei der Einbindung von Krankenhausapotheken und Krankenhaus versorgenden Apotheken in die ambulante Versorgung.
Die Arzneimittelversorgung und die qualifizierte pharmazeutische Dienstleistung standen im Mittelpunkt des zweiten Arbeitskreises. Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie der ABDA, informierte darüber, wie sich der Apotheker als Experte für das Arzneimittel bei der Vorbeugung und Vermeidung arzneimittelbedingter Risiken einbringen kann. Im Mittelpunkt stand dabei die systematische Erfassung aller relevanten Patienteninformationen in einer so genannten Patientendatei. Der Medikationsbericht ist ein Instrument, das der Transparenz in der Arzneimitteltherapie dient und das Vertrauen in den Apotheker und seine pharmazeutische Kompetenz stärkt.
Vertraglich vereinbarte Versorgungsformen führen in Deutschland ein Schattendasein. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wird sich dies ändern. Pessimisten sehen schon das Ende für die deutsche Apothekenlandschaft kommen – quasi durch die Hintertür. Optimisten betrachten die Neuerungen dagegen als Chance und sehen im Hausapothekenmodell das passende Instrument, um die Apotheken hier gut zu positionieren. Einen Überblick über dieses vielschichtige Thema und andere Aspekte des verstärkten Wettbewerbs im Gesundheitswesen gab Dr. Schmitz, Geschäftsführer für Wirtschafts- und Vertragsrecht und Personalangelegenheiten der ABDA. Einen klaren Systemwechsel durch das neue Gesetz sieht Schmitz in der Zulassung von Einzelverträgen in "vertraglich vereinbarten Versorgungsformen". Dazu zählen Modellvorhaben, Strukturverträge, strukturierte Behandlungsprogramme (DMP) und die integrierte Versorgung.
Schwierige Vergütungsregelungen, komplizierte und personalintensive Arbeitsabläufe und die Zurückhaltung der Versicherten gegenüber Angeboten mit begrenzter Wahlfreiheit dürften Hindernisse für die Ausbreitung solcher Versorgungsformen sein. Ungewiss ist auch, wie sich die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung auswirken wird. Und zum Versandhandel: Während er sich innerhalb Deutschlands wirtschaftlich kaum attraktiv gestalten lassen wird, könnte sich dies beim Versand aus dem Ausland anders darstellen. Apotheker sollten dem Versandhandel mit besseren Alternativen entgegentreten, z. B. mit dem Home-Service-Konzept oder dem Hausapothekenmodell.
Zu den Arbeitskreisen, den Diskussionen zu den Anträgen, zur gesundheits- und berufspolitischen Lage insgesamt, zur Zukunft der Apotheke und nicht zuletzt zu den Erwartungen an diesen Apothekertag hat sich die Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung in zahlreichen Kommentaren und Meinungsbeiträgen viele Gedanken gemacht. Wir möchten Sie einladen, sich mit unseren Beiträgen auseinander zu setzen, und würden uns freuen, wenn sie zu Ihrer eigenen Meinungsbildung beitragen.
Den vollständigen Bericht vom Deutschen Apothekertag 2003 finden Sie in Kürze iim "Kongessbereich".
Es sollte ein besondere Apothekertag werden. Alle Anzeichen im Vorfeld deuteten darauf hin, zum einen die gesundheitspolitische Lage, das bevorstehende Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, seine Auswirkungen auf die Apotheken und der Systemwechsel, zum andern der Unmut der Basis über Gesundheits- und Berufspolitiker, über Versäumtes und Nicht-Erreichtes und über die Fragwürdigkeit des ABDA-Konstrukts überhaupt. Doch alle diese Themen ließen keine Wogen hochschlagen. Statt dessen: artiger Beifall für die Politiker, Verständnis für die fehlende Durchsetzungskraft der Berufspolitik, harmonische Diskussion meist lauer Anträge und Hinnehmen dreier sachlicher Referate, genannt "Arbeitskreise", zum Status quo und was uns in Zukunft erwartet. Konkrete Vorschläge für Konzepte suchte man vergeblich. Das einzig Überraschende war die Freischaltung des Internetportals aponet von einem Vorbestell- zu einem Zustellservice.
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