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- DAZ 40/2003
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Die Seite 3
Wie zu erwarten hat der Bundestag am 26. September das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung mit nur wenigen Nein-Stimmen verabschiedet. Auch die nächste Hürde, die Abstimmung im Bundesrat am 17. Oktober, dürfte der Gesetzentwurf, der bekanntlich aus Konsensgesprächen zwischen Rot-Grün und den Oppositionsparteien zustande gekommen ist, ohne große Überraschungen oder gar Änderungen nehmen.
Wir werden uns jetzt also auf die bereits intensiv diskutierten Neuerungen einstellen müssen – der Systemwechsel kommt. Sie kennen die wichtigsten Änderungen: Versandhandel für Arzneimittel, Mehrbesitz (maximal 3 Filialapotheken), Kombimodell der Arzneimittelpreisverordnung (Fixhonorar von 8,10 Euro plus 3 Prozent Aufschlag auf den Arzneimitteleinkaufspreis), Freigabe der Preise für OTC-Arzneimittel und keine Verordnung von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der GKV. Daneben wird die Apotheke mit weiteren strukturellen Veränderungen im GKV-Bereich konfrontiert wie z. B. Disease Management Programme und integrierter Versorgung, deren Auswirkungen auf die Apotheken selbst von Fachleuten nur sehr schwer vorsehbar sind.
Zu den spannendsten Fragen gehört: Wie wird sich der OTC-Markt entwickeln? Denn ab 1. Januar wird er, wie bereits angedeutet, von zwei Parametern nachhaltig beeinflusst werden: zum einen darf der Apotheker die Preise der OTC-Arzneimittel frei kalkulieren, die Preisbindung ist aufgehoben, zum andern dürfen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, OTC-Arzneimittel nicht mehr auf Rezept verordnet werden. Beide Neuregelungen bergen Vor- und Nachteile für die Apotheke.
Für den Apotheker als Heilberufler bot die Preisbindung für OTC-Arzneimittel bisher eine gewisse Sicherheit. Er musste sich um die Preiskalkulation keine Gedanken machen (der Wettbewerber hatte den gleichen Preis), er konnte sich bei der Beratung auf die Inhaltsstoffe und Wirkungen des Präparates konzentrieren. Ab Januar müssen wir hier kaufmännisch tätig werden. Kann ich die unverbindliche Preisempfehlung der Industrie übernehmen? Bietet mein lieber Kollege an der nächsten Ecke das Präparat günstiger an? Wird der Kunde Preisvergleiche überhaupt durchführen (können)? Wie weit kann ich Preisreduktionen vornehmen? Kann ich zu bestimmten Zeiten sogar Preiserhöhungen am Markt durchsetzen, z. B. Grippemittel während der Erkältungszeit? Inwieweit muss ich meine Sicht- und Freiwahl umgestalten und optimieren?
Ganz abgesehen davon, dass es für den einen oder anderen kaufmännisch Ambitionierten eine nette Herausforderung sein kann, hier den Kaufmann zu spielen und sogar einige Cents mehr als mit einer Preisbindung zu erwirtschaften. Doch allzu viel Spielraum (nach unten) sollten wir uns da nicht genehmigen – und sind letztendlich auch nicht drin. Betriebswirtschafter und Marketingfachleute warnen bereits davor, das OTC-Geschäft als wilde Spielwiese zu missbrauchen und aggressive Preisstrategien mit Dumpingpreisen zu fahren. Die Zeiten, in denen man versuchte, mit niedrigen Preisen im Randsortiment Kunden mit teuren Rezepten anzulocken, sind vorbei, zumal auch hochpreisige Arzneimittel ab Januar für die Apotheke kein Geschäft mehr sind.
Außerdem sollten wir hier auf Experten hören: eine Preissenkung von 9 auf 8 Euro verringert die Marge so stark, dass nahezu doppelt so viele Packungen verkauft werden müssen, um den gleichen Rohgewinn zu erzielen. Ganz abgesehen von den Zusatzkosten für Werbung, um Kunden auf die abgesenkten Preise aufmerksam zu machen. Preisdumping bei Arzneimitteln bringt auch deswegen nichts, da Arzneimittel in der Regel nur bei Bedarf gekauft werden. Wenn der Kunde keine Obstipation hat, wird er kaum noch so günstige Laxanzien kaufen. Für den Heilberufler im Apotheker ist es ärgerlich, dass er im Gegensatz zu früher wertvolle Zeit in diese Überlegungen stecken muss statt in fachliche Fortbildung oder Beratung.
Das Fazit aus solchen Überlegungen: es wird vom vernünftigen Verhalten von uns allen abhängen, wie sich die Preisfreigabe bei den OTCs auswirken wird. Ich hoffe nur, dass sich in diesem Bereich nicht das Gleiche abspielen wird wie bei den apothekenexklusiven Kosmetika, wo einige "Dumping-Spezialisten" den Markt fast systematisch kaputt gemacht haben.
Vielleicht fördert folgende Erkenntnis einen moderaten Umgang mit der neuen Freiheit: Der Rohgewinn aus dem GKV-Bereich wird in Zukunft nur noch die Betriebskosten der Apotheke einspielen. Den Gewinn für den Apothekenbetrieb oder den Unternehmerlohn des Apothekers werden wir in Zukunft aus dem Bereich Privatrezepte, OTC-Ertrag und Randsortiment erwirtschaften müssen.
Peter Ditzel
Keine wilde Spielwiese
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