Arzneimittel und Therapie

Basistherapie bei COPD: Tiotropium: Einjahresbilanz und Perspektiven

Mit dem vor einem Jahr eingeführten lang wirksamen Muscarinrezeptor-Antagonisten Tiotropium (Spiriva®) ist nur noch eine compliancefördernde einmalige Inhalation zur Therapie der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) in allen Stadien notwendig. Bisher eingesetzte Anticholinergika wie Ipratropium erforderten wegen der begrenzten Wirkdauer eine viermal tägliche Applikation.

Eine Bilanz der klinischen Datenlage zu Tiotropium zeigt zudem eine verbesserte Lungenfunktion im Vergleich zur bisherigen bronchodilatorischen Therapie mit Ipratropium oder Salmeterol. Eine neue Langzeitstudie überprüft derzeit, ob Tiotropium in der Lage ist, den Rückgang der Lungenfunktion bei COPD langfristig zu verlangsamen.

Schleichend verlaufende Atemwegserkrankung

Mit einer Prävalenz zwischen 3 und 9 Prozent – Tendenz zunehmend – gehört die COPD zu den volkswirtschaftlich teuren Volkskrankheiten. Schätzungen zufolge wird die COPD im Jahre 2020 die dritthäufigste Todesursache sein. Sie ist eine schleichend verlaufende Atemwegserkrankung, die durch die Symptome Auswurf, Husten und Atemnot (AHA-Symptome) gekennzeichnet ist.

Der Betroffene ist schließlich nur noch eingeschränkt körperlich belastbar. Es kommt zu einer progressiven, nicht vollständig reversiblen Behinderung des Atemflusses, und zwar vor allem bei der Ausatmung, woraus ein erhöhtes Restluftvolumen resultiert.

Es folgt eine Abnahme der inspiratorischen Vitalkapazität, zudem beschleunigt sich kompensatorisch die Atmung (Tachypnö). Da zunehmend mehr Luft in der Lunge verbleibt, kann der Luftaustausch nur noch in sehr begrenztem Maße stattfinden. Es kommt zu einer Überblähung der Lunge. Eines der Hauptziele bei der Therapie besteht daher in der Reduzierung der Lungenüberblähung, wodurch die Belastungsfähigkeit der Patienten gesteigert werden kann, was letztendlich die Lebensqualität entscheidend verbessern hilft.

Frühzeitige Diagnose entscheidend für Prognose

Obwohl die COPD wesentlich häufiger als das Asthma bronchiale vorkommt, wird sie oftmals erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Dabei ist die Früherkennung für den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Je früher die Diagnose gestellt und eine Behandlung eingeleitet wird, desto besser ist die Prognose.

Werden einschränkende Beschwerden vom Patienten schon selber festgestellt, dann ist eine Lungenschädigung nicht mehr rückgängig zu machen. Neben einer ausführlichen Anamnese ist mithilfe der Spirometrie die Diagnose COPD treffsicher zu stellen. Dabei werden die inspiratorische Vitalkapazität und das forcierte inspiratorische Volumen in der ersten Sekunde (FIV1) gemessen.

Die Ergebnisse geben Aufschluss über den Grad der Atemwegsverengung. Auch im akuten Bronchospasmolysetest kann COPD eindeutig vom Asthma unterschieden werden. Während für ein Asthma die vollständige oder fast vollständige Besserung der Obstruktion nach Inhalation eines Bronchodilatators typisch ist, ist bei COPD eine nahezu fixierte Atemwegsverengung festzustellen.

Update der GOLD-Guidelines

Obwohl die Erkrankung prinzipiell irreversibel ist, kann mithilfe lang wirksamer Bronchodilatatoren bei den meisten Patienten eine substanzielle Erleichterung der Symptome, eine Reduktion der Verschlechterungsepisoden mit Husten, Auswurf und Dyspnoe (Exazerbationen) und eine Besserung der Belastungsfähigkeit sowie der Lebensqualität erzielt werden.

Internationale Studien konnten dies in den letzten drei Jahren evidenzbasiert dokumentieren. Die überarbeiteten internationalen Therapierichtlinien der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD-Guidelines, Update 2003) berücksichtigen die zentrale Bedeutung der Bronchodilatatoren als Basistherapie und empfehlen ihren frühzeitigen Einsatz zur Dauerbehandlung der COPD.

Dabei wird eine regelmäßige Behandlung mit lang anhaltenden Bronchodilatatoren als wirkungsvoller und einfacher in der Handhabung (bessere Compliance) als eine Behandlung mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren angesehen. Tiotropium wird mit Evidenzgrad A bewertet, d. h., es liegen randomisierte, kontrollierte Studien mit einer großen Zahl von Patienten vor. Die Substanz wird daher mit hoher Sicherheit empfohlen.

Kombinationstherapie

Bei ungenügender Besserung können lang wirksame Bronchodilatatoren mit lang wirksamen Beta-2-Adrenergika kombiniert werden – diese Kombination ist der gemeinsamen Gabe eines dieser Substanzen mit retardiertem oralem Theophyllin zu bevorzugen. Inhalative Steroide sollen nach den aktuellen GOLD-Guidelines nur bei schwerer COPD mit häufigen Exazerbationen eingesetzt werden, wobei Tiotropium als freier Kombinationspartner von Steroiden effektiver als ein lang wirksames Beta-2-Adrenergikum zu sein scheint.

Tiotropium als Basis einer modernen COPD-Therapie

Es kann eine bis zu 24 Stunden anhaltende bronchialerweiternde Wirkung mit Tiotropium erzielt werden. Als kompetitiver Antagonist des bronchokonstriktorisch wirkenden Neurotransmitters Acetylcholin hemmt es spezifisch die vagusinduzierte Reflexbronchokonstriktion durch Blockade cholinerger M3-Rezeptoren der glatten Bronchialmuskelzelle.

Wissenschaftliche Daten zu Tiotropium belegen eine Verbesserung der Lungenfunktion. Es kommt zu einer Lungenentblähung, sodass die körperliche Belastungsfähigkeit der Patienten gesteigert werden kann, wodurch sich die Lebensqualität verbessert. Zudem wurde eine Reduktion der Exazerbationsraten nachgewiesen, wodurch die Anzahl der Krankenhauseinweisungen verringert werden konnte.

Der zur Beurteilung der Reversibilität der Obstruktion herangezogene Lungenfunktionsparameter FEV1 (forciertes exspiratorisches Einsekunden-Volumen) kann bei "Initial-Respondern" im Akutversuch mit einem Anstieg von mindestens 12 Prozent gemessen werden.

Es gibt aber auch "verzögerte Responder" mit einem FEV1-Anstieg weniger als 12 Prozent, die langfristig von der Wirksamkeit des Medikamentes profitieren, da sich auch bei ihnen nach einem Jahr der FEV1 statistisch signifikant verbessert.

Hoffnung auf Langzeiteffekte

Retrospektive Analysen mit Tiotropium lassen eine Verringerung der jährlichen Verschlechterung des Lungenfunktionsparameters FEV gegenüber Plazebo vermuten. Positive Langzeiteffekte untersucht die derzeitig laufende UPLIFT-Studie (Understanding Potential Long-Term Impacts on Function with Tiotropium). Bei 6000 Patienten soll bis 2007 geklärt werden, ob Tiotropium den Rückgang der Lungenfunktion bei COPD langfristig verlangsamt.

Quelle

Prof. Dr. Gerhard Schultze-Werninghaus, Bochum; Prof. Dr. Helgo Magnussen, Großhansdorf; Dr. Peter Kardos, Frankfurt am Main; Dr. Thomas Hausen, Essen; Fachpressegespräch "Spiriva®: Die Basistherapie bei COPD – Einjahresbilanz und Perspektiven", Hamburg, 27. August 2003, veranstaltet von der Boehringer Ingelheim GmbH, Ingelheim, und der Pfizer GmbH, Karlsruhe.

Wirkmechanismus von Tiotropium Tiotropiumbromid ist ein lang wirksamer kompetitiver, reversibler Muscarinrezeptor-Antagonist. Durch die Bindung an die Muscarinrezeptoren der glatten Bronchialmuskulatur hemmt es die cholinergen bronchokonstriktiven Effekte von Acetylcholin, das aus den parasympathischen Nervenendigungen freigesetzt wird.

Die Wirkung ist dosisabhängig und hält länger als 24 Stunden an. Die lange Wirkungsdauer ist vor allem auf die sehr langsame Dissoziation von den M3-Rezeptoren zurückzuführen. Tiotropiumbromid steht als Pulverinhalat in Hartkapseln zur Verfügung und wird mit dem speziell für dieses Medikament entwickelten HandiHaler® verabreicht.

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