Arzneimittel und Therapie

Osteoporosetherapie: Nicht nur die Knochen profitieren von Raloxifen

Osteoporose ist alles andere als eine "Modeerscheinung", als die sie von manchen Seiten bezeichnet wird. Sie tritt häufig auf und ist in einem hohen Prozentsatz mit gravierenden Folgeschäden assoziiert. Eine gezielte, physiologisch orientierte Therapie ist mit dem Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen (Evista®, Optruma®) möglich. Er senkt nicht nur die Frakturrate, sondern hat auch positive Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko und die Inzidenz invasiver Mammakarzinome.

Das Risiko einer jetzt 50-jährigen Frau, im Laufe ihres Lebens eine osteoporotisch bedingte Fraktur zu erleiden, liegt bei 40 Prozent. Meist handelt es sich dabei um vertebrale Kompressionsfrakturen oder Oberschenkelhalsbrüche.

Die Folgen beschränken sich nicht nur auf Einschränkungen des Bewegungsapparates, wie chronische Schmerzen, Verlust an Mobilität bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Auch Lungenfunktionsstörungen und ein komprimiertes Abdomen können damit assoziiert werden. Entscheidend aber: auch die Mortalität ist erhöht. Gründe genug aus Patientensicht, aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht aktiv zu werden.

Das Kind im Brunnen

Fragt sich nur, wann. Derzeit wird eine Therapie erst nach der ersten Fraktur von der GKV bezahlt, also dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Dabei rechnet sich eine präventive Therapie bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko durchaus. Die Knochendichtemessung als Screening für alle verbietet sich aus ökonomischen Gründen und wegen der geringen Sensitivität dieser Methode.

In den evidenzbasierten Leitlinien des Dachverbandes deutschsprachiger Fachgesellschaften wurden für postmenopausale Frauen inzwischen aber klare Risikokonstellationen definiert, bei denen die Knochendichte per DXA abgeklärt werden sollte:

  • Frauen, die bereits einen peripheren Bruch ohne Hochenergietrauma erlitten haben (Verdacht auf osteoporotische Fraktur)
  • Frauen mit einem BMI unter 20kg/m2,
  • Frauen mit hohem Sturzrisiko (mindestens zwei häusliche Stürze in den letzten sechs Monaten),
  • Frauen, deren Körpergröße in den letzten 25 Jahren um mehr als 4 Zentimeter geschrumpft ist (Hinweis auf Wirbelfraktur),
  • Frauen mit bestimmten Grunderkrankungen oder eine Dauermedikation, die zu schweren Formen der sekundären Osteoporose führen können (beispielsweise systemische Steroide)

Die Knochendichtemessung muss jedoch in eine klinische Gesamtbewertung eingeschlossen werden. Liegt der T-Score dann unter – 2,5, sollte gezielt behandelt werden.

Mikroarchitektur des Knochens erhalten

Neben der Basisversorgung mit Calcium und Vitamin D sind die Bisphosphonate sowie der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen erste Wahl. Raloxifen wirkt als Estrogenagonist im Knochengewebe, dagegen antagonistisch auf Estrogenrezeptoren im Brust-oder Endometriumgewebe. Dadurch bietet er die Möglichkeit einer physiologischen Hemmung des Knochenumbaus.

Im Gegensatz zu Bisphosphonaten, die die knochenabbauenden Osteoklasten effektiv hemmen, steuert Raloxifen den Aufbau der Mikroarchitektur des Knochens ähnlich wie Estrogen. Es drosselt die Osteoklastenaktivität über die vermehrte Synthese des Wachstumsfaktors TGF-beta. Die Hemmung von Zytokinen wie Interleukin 1 und 6 unterbindet die Reifung von Präosteoklasten.

Auch bei langfristiger Anwendung von Raloxifen scheint sich die Mikroarchitektur des Knochens nicht zu verschlechtern. Bei Bisphosphonaten wird dagegen diskutiert, dass es bei jahrelanger Anwendung möglicherweise zu einer Übermineralisierung und in deren Folge zu einer Verschlechterung der Knochenqualität kommen könnte.

Nach vier Jahren noch immer wirksam

Wie lange bei Osteoporose behandelt werden sollte, darüber sind die Bücher noch nicht geschlossen. MORE (Multiple Outcomes of Raloxifene Evaluation), die klinische Therapiestudie zu Raloxifen, zeigte zumindest, dass auch im vierten Jahr der Behandlung die Wirkung ähnlich gut ist wie in den Jahren vorher. Dabei profitierten osteoporotische Frauen mit und ohne prävalente Frakturen von dem SERM.

Hatten die Patientinnen bereits einen Wirbelbruch erlitten, wurde das Risiko einer erneuten vertebralen Fraktur in den Jahren 0 bis 3 um 30 Prozent gesenkt, im vierten Jahr um 38 Prozent. Bei Patientinnen ohne vorangegangenen Bruch war in den ersten drei Jahren eine Risikoreduktion um 55 Prozent, im vierten Jahr um 50 Prozent zu verzeichnen.

Diskutiert wird derzeit eine Therapiedauer über zunächst drei Jahre. Während dieser Zeit sollte auch versucht werden, das Frakturrisiko durch mehr Bewegung, Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, aber auch eine passende Brille zu reduzieren. Gegen eine Langzeittherapie mit Raloxifen gibt es momentan keine Einwände.

Weniger invasive Mammakarzinome

Doch nicht nur brüchige Knochen scheinen von einer Raloxifentherapie zu profitieren. Die Estrogen-ähnliche Wirkung auf Herz und Gefäße schlägt sich in einer Reduktion des kardiovaskulären Risikos nieder, möglicherweise als Folge reduzierter Cholesterinspiegel. Interessant auch der Blick auf den CRP-Wert: Dieser Entzündungsmarker steht zunehmend auch bei den Kardiologen im Blickpunkt des Interesses, da beispielsweise bei einem Myokardinfarkt die CRP-Spiegel häufig erhöht und mit einer schlechten Prognose assoziiert sind.

Während unter einer Hormonersatztherapie ein massiver Anstieg des CRP (+ 84%) zu verzeichnen ist, geht der Marker unter Raloxifen geringfügig zurück (– 6%). Die Estrogen-antagonistische Wirkung wiederum schlägt sich in einer Senkung invasiver Mammakarzinome um 76 Prozent, der Rate Estrogenrezeptor-positiver invasiver Mammakarzinome um 90 Prozent nieder.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Stephan Scharla, Bad Reichenhall; Priv.-Doz. Dr. Peyman Hadji, Marburg: Fachpressegespräch "Gut gerüstet: Osteoporose eine Frage der Mikroarchitektur", Starnberger See, 14. August 2003, veranstaltet von der Merckle GmbH, Blaubeuren.

Osteoporose ist keine Modeerscheinung! Priv.-Doz. Dr. Stephan Scharla, Bad Reichenhall

Knochenmineraldichte BMD BMD ist die Abkürzung für die Knochenmineraldichte (bone mineral density). Eine Knochendichtemessung gibt Auskunft über den Mineralgehalt des Knochens, nicht aber über die Struktur des Knochens. Sie wird angegeben in g/cm2 Die Knochendichtemessung ist ein Surrogatmarker, der Aussagen zur Reduktion des Frakturrisikos ermöglicht.

Doppelröntgen-Absorptiometrie DXA Als Methode zur Bestimmung der Knochenmasse zur Einschätzung des Frakturrisikos hat sich die Doppelröntgen-Absorptiometrie (DXA, dual energy X-ray absorptiometry) durchgesetzt. Sie gilt als ein aussagekräftiges und genaues Verfahren, um die Osteoporose möglichst frühzeitig zu erkennen.

Zunahme der Knochendichte ist es nicht allein!

MORE zeigte auch, dass die unter Therapie erreichte Zunahme der Knochendichte nicht das allein Entscheidende für die Senkung der Frakturrate ist. So steigt die Knochenmineraldichte unter Raloxifen deutlich weniger an als unter Bisphosphonaten. Die Abnahme vertebraler Frakturen ist jedoch in etwa vergleichbar. Veränderungen in der Knochen-Remodelling-Rate oder der Knochenarchitektur könnten dabei eine Rolle spielen.

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