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Kommentar: Harakiri
Wer trägt die finanziellen Risiken, wenn Apotheken massenhaft abgemahnt werden, weil sie im Internet auf ihren Zustelldienst hinweisen, so fragten wir im Rahmen unserer Berichterstattung über den diesjährigen Apothekertag in Köln (DAZ Nr. 39, S. 4938).
Mit anderen Worten: Vor einer massenhaften und flächendeckenden Abmahnaktion (von ihr sollen ca. 9500 Apotheken betroffen sein) hätte auch die ABDA gewarnt sein müssen. Zumindest für die Rechtsabteilung konnte und kann sie nicht überraschend sein.
Zur Chronologie: Zum Apothekertag hatte die ABDA auf allen Homepages von aponet-Teilnehmern den Arzneimittelzustellservice implementiert und hierauf hingewiesen. Dies geschah – und darin liegt der erste Aspekt des aponet-Skandals – ohne die davon betroffenen Apotheken vorab um ihre Zustimmung zu bitten. Erst wenige Stunden vor Freischaltung wurden die Teilnehmer bei aponet per Fax des ABDA-Präsidenten über die Homeservice-Aktion informiert.
Und dies bedeutet: Knapp die Hälfte aller öffentlichen Apotheken in Deutschland wurde – handwerklich und verfahrensrechtlich stümperhaft – sehenden Auges in eine kostspielige juristische Auseinandersetzung getrieben, deren Ausgang im besten Falle offen ist.
Dabei hätte das rechtliche Risiko der öffentlichen Werbung für das – berufspolitisch durchaus sinnvolle – Homeservicekonzept problemlos minimiert werden können, wenn auf den Zustellservice z. B. nur auf der aponet-Eingangsseite hingewiesen worden wäre (dann hätte allenfalls die ABDA abgemahnt werden können) und nicht auch auf Tausenden von Homepages der einzelnen aponet-Apotheken.
Dass man mit seinen Teilnehmern auch offener und sensibler umgehen kann, zeigt das ABDA-unabhängige Gesundheitsportal apotheken.de. Dort werden unter Hinweis auf die bestehenden rechtlichen Unwägbarkeiten alle Teilnehmer vorab gefragt, ob (und ggf. zu welchen Bedingungen und in welcher Art und Weise) sie ihren Kunden die Zustellung von Arzneimitteln auch schon heute im Internet anbieten möchten.
Bei Kammern, Verbänden und ABDA tagten am Montag und Dienstag die Krisenstäbe. Offensichtlich liegen die Nerven blank. Und hierzu besteht auch aller Anlass: Satte 620,02 Euro Rechtsanwaltskosten stellt der geschäftstüchtige (oder sollte man besser sagen: geldgeile?) Advokat des Acherner Apothekers Dietmar Frensemeyer jeder abgemahnten aponet-Apotheke in Rechnung.
620 Euro u 9500 Apotheken = ... Wer die geforderte Unterlassungserklärung nicht unterschreibt, läuft Gefahr, verklagt und – wenn alle Stricke reißen – verurteilt zu werden. Dann drohen noch höhere Kosten.
Empörten Apothekern, die Anfang der Woche zeitweise die Telefonleitungen der Berufsvertretungen lahm legten, wird empfohlen, zunächst (?) keine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Ein wohl richtiger Rat, zumal gegen die Abmahnungen formelle Gesichtspunkte ins Feld gezogen werden können.
Schadensbegrenzung soll auch durch so genannte Schutzschriften betrieben werden, die von einem zentral eingeschalteten ABDA-Rechtsanwalt bei allen deutschen Zivilgerichten hinterlegt werden. Unmittelbare Kosten entstehen betroffenen Apothekern dadurch nicht. Immerhin.
Aber welches politische (und auch finanzielle) Desaster droht der ABDA, wenn sie massenweise von Apothekern auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen wird?
Um nicht falsch verstanden zu werden: Bei allem Ärger über den ADBA-aponet-Dilettantismus – für die massenhafte Abmahnaktion zu Lasten zahlreicher Apotheker gibt es keine Rechtfertigung. Es ist der zweite Aspekt des aponet-Skandals, dass es ein Apotheker ist, der sich anschickt, seine Kolleginnen und Kollegen in mehrfacher Millionenhöhe zu schröpfen (was passiert eigentlich mit dem Geld?) – ein Apotheker übrigens, der nach eigenen Aussagen vor drei Monaten selbst wegen der Bewerbung seines Zustelldienstes abgemahnt worden war – von seiner Kammer ...Wir leben in verrückten Zeiten.
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