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DAZ aktuell
Betriebskrankenkassen gegen "Goldregen" für Apotheken
Für die seiner Ansicht nach "milliardenschwere Zuwendung" an die Apotheker durch die neue Gesundheitsreform, die ab kommendem Jahr in Kraft tritt, sah Schmeinck "keinen sachlichen Grund". Am 10. Oktober erläuterte der BKK-Repräsentant aktuelle Entwicklungen des Arzneimittelmarktes in Berlin.
Dort konstatierte er zumindest eine "grundsätzlich richtige Weichenstellung" durch das Kombimodell, das den Apotheken bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ein Fixum von 8,10 Euro auf den Einkaufspreis (EK) plus drei Prozent des EK minus zwei Euro Rabatt an die Kassen beschert.
Im schriftlichen Statement des BKK-Bundesverbands wurde der Wegfall der bisherigen Zuschläge nach der alten Preisverordnung je nach Herstellerabgabepreis begrüßt, da damit der Anreiz zur Abgabe möglichst teurer Medikamente genommen werde.
Dass nach Berechnungen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) das Kombimodell 2004 einen Verlust für die Offizinen von 550 Millionen Euro gemessen am Mengengerüst von 2002 bringt, wurde nicht hervorgehoben.
Freude über freie OTC-Preise
Echten Wettbewerb werde es künftig in weiten Teilen des OTC-Bereichs geben, da es keine Preisvorschriften mehr gebe, wird lobend im Positionspapier des BKK-Bundesverbands, an dem Apotheker Wolfgang Kaesbach als Abteilungsleiter Arzneimittel des Verbands mitgearbeitet hat, erwähnt.
Die Apotheken wurden zu "attraktiven Angeboten" an ihre Kunden aufgefordert, die Patienten zum Preisvergleich bei Medikamenten. Man hofft, dass dieser eng abgegrenzte Wettbewerbsbereich ein Vorbild für andere Sektoren werden könnte. Die Kassen teilen nach eigenen Angaben nicht die Sorge, dass Ärzte künftig auf verschreibungspflichtige Arzneimittel ausweichen.
Kassen und Ärzte müssten bei den Patienten das "Missverständnis" ausräumen, die Versorgung sei nicht gewährleistet. Viele OTC-Präparate seien ohne Einbußen medizinisch verzichtbar, glaubt der BKK-Bundesverband.
aponet.de bloß Kurierdienst
Dem ABDA-Angebot mit erweiterten Bestellmöglichkeiten beim Internetportal aponet.de können die Betriebskrankenkassen nicht viel abgewinnen. Das schaffe Umgehungsmöglichkeiten, heißt es. Anders als bei Versandapotheken, die erst nach Prüfung eines Rezepts auslieferten, könne die online-Bestellung erst an der Haustür mit dem Verordnungsblatt abgeglichen werden.
Der apothekerlichen Aufgabe würden bloße Kurierdienste nicht gerecht. Die BKK vermissen besonders, dass sich Effizienzvorteile des Versands nicht über Preis- oder Rabattvereinbarungen mit deutschen Apotheken auszahlen.
Ja zum Versand
Erwartungsgemäß wird der Versandhandel mit Arzneimitteln grundsätzlich begrüßt, weil damit Verbraucherwünschen nach flexiblem Arzneibezug entsprochen werde. Ein hoher Standard sei durch die Reform gewährleistet, so der BKK-Bundesverband, Versandapotheken seien den Offizinen vor Ort gleichgestellt, Qualität und Sicherheit der Versorgung seien gewährleistet.
Mehrbesitz bringt nichts
Einen volkswirtschaftlichen Nutzen durch die neue Mehrbesitzregelung für Apotheker sehen die BKK-Repräsentanten nicht. Das sei ohne Folge für die Qualität der Arzneiversorgung, da die Filialapotheken den gleichen Anforderungen wie die Offizin des Apothekenleiters genügen müssten. Wirtschaftliche Vorteile hätte ausschließlich der Apothekeninhaber, lautet die Bewertung der BKK.
Das ist insofern überraschend, da deren Verband in den vergangenen Jahren regelmäßig gegen die angeblich "atomistische Struktur" der Apothekenlandschaft gewettert und größere Einheiten gefordert hatte.
Die vorgesehene Öffnung der Krankenhausapotheken zur ambulanten Versorgung bei hochspezialisierten Leistungen wird gelobt, sie greift nach Ansicht der Kassen allerdings zu kurz. Die Arzneimittelabgabe auf die unmittelbare Anwendung in der Klinik zu beschränken, werde dem Gedanken der "Versorgung aus einer Hand" nicht gerecht, bemängeln sie.
Herstellerrabatte ohne Erfolg
Ein negatives Fazit zieht dieser Verband zu den bisherigen individuellen Verträgen über Herstellerrabatte zwischen Kasse und pharmazeutischem Unternehmer. In der Vergangenheit hatte hier der Vertrag zwischen dem AOK-Bundesverband und Hexal für Aufsehen gesorgt.
Nach Ansicht des BKK-Bundesverbands zeigen erste Erfahrungen mit solchen Vorhaben, dass die Verträge nicht gegen die Marktinteressen anderer Gruppen dauerhaft durchgesetzt werden könnten, wobei kein Hersteller namentlich genannt wurde.
In Richtung Apotheken wird vorsorglich mitgeteilt, mögliche Honorarwünsche bei neuen Versorgungsformen seien unrealistisch. Denn die Kassen sähen gerade nach Einführung des neuen Kombimodells den Honorierungsanspruch erfüllt. Die neuen Vertragsoptionen erweiterten nur die Organisationsmöglichkeiten, sie verbesserten aber nicht die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneiversorgung.
BKK sieht sinkende Ausgaben nicht
Die Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehen in diesem Jahr zurück, wozu unter anderem die hohen gesetzlichen Zwangsrabatte etwa der Apotheken und die Selbstbehalte der Patienten beitragen. Die BKK selbst nennen 320 Euro als Pro-Kopf-Ausgabe für Arzneimittel zu Lasten der GKV für 2003, was identisch wäre mit dem Wert von 2002 und nur leicht über 2001 läge (300 Euro).
Ungeachtet dessen thematisiert dieser Kassenverband den Anstieg bei Arzneimittelausgaben und nennt als Hochrechnung für die Arzneiverordnungen für 2003 rund 26,3 Milliarden Euro, worin die Zwangsrabatte und die Zuzahlungen enthalten sind, die aber die Kassen gar nicht belasten. Ohne diese beiden Posten erwarten die BKK für das laufende Jahr als Ausgaben zu Lasten der GKV rund 22, 7 Milliarden Euro, was dem Niveau von 2002 entspräche.
Kritisiert wird die zunehmende Verordnung patentgeschützter, zumeist teurer "Scheininnovationen" ohne Zusatznutzen. Pharmaverbände weisen diese Pauschalkritik regelmäßig zurück (siehe DAZ Nr. 41). Die künftig erlaubten Festbeträge für patentgeschützte wirkstoffgleiche Arzneimittel werden von den BKK begrüßt.
Drei Milliarden sparen
Nach Meinung von Schmeinck können die Kassen zwei bis drei Milliarden Euro im kommenden Jahr gemessen am geschätzten Ergebnis von 2003 sparen, wenn die neue Gesundheitsreform mit ihren Änderungen im Arzneisektor komme, hier nannte er die Ausgrenzung von OTC-Arzneimitteln aus der Erstattung, neue Festbeträge auch für patentgeschützte "Me-too-Präparate", den Versandhandel mit Arzneimitteln und die höheren Zuzahlungen der Patienten.
BKK zu aut idem
Enttäuscht zeigt man sich von der modifizierten Aut-idem-Regelung. Das Einsparpotenzial von vermutlich 170 Millionen Euro in 2003 bleibe hinter den Erwartungen des Gesetzgebers zurück. Neben Strategien der Hersteller, die Preislinien nach oben zu ziehen, werden die bürokratischen, schwer handhabbaren Bestimmungen für Ärzte und Apotheker durch aut idem genannt.
Hamstern Kranke?
Wegen der steigenden Zuzahlungen der Patienten von mindestens fünf Euro bis maximal zehn Euro pro Arzneipackung, jedoch nicht mehr als die tatsächlichen Kosten des Präparats, ab 2004 befürchten die Kassen einen Vorzieheffekt noch in diesem Jahr. Patienten könnten verstärkt Medikamente nachfragen, der Hamstereffekt könne bis Jahresende eine Größe von mehreren hundert Millionen Euro erreichen, so die Schätzung.
Steigende Belastung der Kranken
Insgesamt verweisen die BKK auf die steigende Belastung der Patienten durch die neue Reform. Sie gehen davon aus, dass das Zuzahlungsaufkommen für verschreibungspflichtige Medikamente um 600 Millionen Euro zunehmen wird. 2002 hätten sich die Versicherten mit 1,8 Milliarden Euro durch Selbstbehalte direkt an den Verordnungskosten beteiligt.
Die Betriebskrankenkassen kritisieren die neue Honorierung der Apotheker mittels Kombimodell ab 2004 und sprechen von einem "Goldregen" für Apotheken. Eine Milliarde Euro erhielten die Pharmazeuten durch die Neuregelung, glaubt Wolfgang Schmeinck, Vorstandsvorsitzender des BKK-Bundesverbands in Essen. Er hält darüber hinaus die Initiative der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA zum Versandhandel mit Arzneimitteln via aponet.de für unzureichend.
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