Arzneimittel und Therapie

Mammakarzinom: Neue Leitlinien der St. Galler Konsensus-Konferenz

Wie soll Brustkrebs behandelt werden? Bei welcher Patientin ist eine Chemotherapie erforderlich? Wer profitiert von einer Hormontherapie, und wann kann auf eine medikamentöse Therapie verzichtet werden? Diese Fragen wurden im Rahmen einer internationalen Expertenkonferenz diskutiert und in Therapieempfehlungen und Leitlinien zusammengefasst.

Im März dieses Jahres fand die achte St. Galler Konsensus-Konferenz statt, an der 3200 Teilnehmer aus 75 Ländern teilnahmen. Ziel dieser seit 1978 bestehenden und alle zwei Jahre abgehaltenen Konferenz ist das Überarbeiten und Aktualisieren einer Leitlinie für die adjuvante (d. h. mit kurativem Ansatz) Therapie des frühen Mammakarzinoms.

Dazu werden die Ergebnisse Evidenz-basierter klinischer Studien mit großem Patientenkollektiv und langjährigem Follow-up analysiert, gewertet und hinsichtlich ihrer biologischen, klinischen, sozialen und persönlichen Relevanz für Brustkrebspatientinnen erörtert. Die Ergebnisse des Kongresses wurden durch eine Expertenkommission kritisch bewertet, aktualisiert und Anfang September als "St. Galler-Konsensus 2003" publiziert. Neben diesen Leitlinien wurden bei dem Kongress neue Erkenntnisse vorgestellt und ihre Bedeutung für die Therapie und Prognose diskutiert.

Leitlinien zur Primärtherapie

Die Leitlinien befassen sich mit der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms und geben keine Auskunft über die Behandlung im palliativen (metastasierenden) Stadium. Bei der Therapieauswahl sind der Menopausenstatus (prä- oder postmenopausal), der Rezeptorstatus (Estrogen-Progesteron-Rezeptor) sowie die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe (drei Risikogruppen in Abhängigkeit vom Alter, der Tumorgröße und dem Lymphknotenbefall) von Bedeutung.

Bei einem negativen Hormonrezeptorstatus wird eine Chemotherapie durchgeführt, bei rezeptorpositivem Status in Abhängigkeit vom Menopausenstatus und den Risikofaktoren eine Hormontherapie, eine Ovarsuppression oder eine Kombination der Hormontherapie mit einer Chemotherapie (s. Tab.). Neu ist, dass bei postmenopausalen Frauen unter bestimmten Voraussetzungen Tamoxifen durch Anastrozol (Arimidex®) ersetzt werden kann.

Neu ist auch die Abfolge der Therapien: Werden eine zytotoxische und eine endokrine Behandlung durchgeführt, muss die Chemotherapie abgeschlossen sein, bevor die Hormontherapie beginnt. Ferner wurde in den Leitlinien der Stellenwert der GnRH-Analoga (Zoladex®) in der Prämenopause (ER+) bestätigt.

Medikamentöse Therapie

Die Therapie richtet sich unter anderem nach dem Rezeptorstatus (Estrogen- und ProgesteronRezeptoren): Patienten mit negativem Status erhalten eine Chemotherapie. Die zusätzliche Gabe endokrin wirksamer Stoffe wäre hier im besten Fall nutzlos; sie könnte aber auch zu Nebenwirkungen und Interaktionen mit den eingesetzten Zytostatika führen.

Patientinnen mit extrem hoher Rezeptorexpression können bei niedrigem Risikoprofil ausschließlich endokrin behandelt werden, brauchen also keine Chemotherapie. Zwischen diesen beiden Extremen – dem Fehlen von Rezeptoren und einem sehr hohen Rezeptorstatus – sind Kombinationen von Ovarialsuppression, Hormon- und Chemotherapie möglich.

Für die Chemotherapie gilt zur Zeit Folgendes: Bestimmte anthrazyklinhaltige Kombinationen sind der ehemaligen Standardtherapie mit CMF (Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-FU) gleichwertig oder überlegen. Vier Zyklen AC (Doxorubicin und Cyclophosphamid) sind dem CMF-Schema ebenbürtig, einige anthrazyklinhaltige Dreierkombinationen (CEF und CAF; Cyclophosphamid, Epirubicin, 5-FU bzw. Cyclophosphamid, Doxorubicin, 5-FU) sind ihm überlegen.

Bei Hochrisikopatientinnen kann der Einsatz von Taxanen sinnvoll sein; ihr Stellenwert ist allerdings noch nicht definitiv geklärt. Eine Hochdosistherapie wird zurzeit nicht weiterverfolgt. Im Rahmen von Studien wird der Nutzen einer präoperativen Chemotherapie untersucht. Dosisdichte Therapie sind ebenfalls Gegenstand mehrerer Studien.

Weitere Diskussionspunkte

Während der Konsensuskonferenz wurden weitere Fragen diskutiert und neue Ergebnisse zu mehreren Themenkomplexen festgehalten. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Epidemiologie und Chemoprävention Mithilfe chemopräventiv wirksamer Substanzen kann das Risiko für ein rezeptorpositives Mammakarzinom gesenkt werden. Um die Chemoprävention sinnvoll einzusetzen, müssen Risikofaktoren für den rezeptorpositiven Brustkrebs evaluiert werden.

    Zu diesen Risikofaktoren zählen wahrscheinlich eine frühe Menarche und eine verzögerte Menopause, die langjährige Hormonersatztherapie, eine hohe Mammographiedichte und bei postmenopausalen Frauen Übergewicht. Bei der Entwicklung eines rezeptornegativen Mammakarzinoms scheinen genetische Faktoren (BRCA1-Mutationen) eine Rolle zu spielen. Eine Chemoprävention ist bei dieser Art von Brustkrebs nicht wirksam.

  • Genetisch bedingter Brustkrebs
  • Therapie des duktalen Karzinoms in situ
  • Radiotherapie
  • Chirurgie bei invasivem Mammakarzinom
  • Neoadjuvante systemische Therapie
  • Biologische Therapien und Antikörper
  • Steroidrezeptoren und Resistenz
  • Prädiktionsfaktoren
  • Psychosoziale Aspekte und Belange des Patienten

    Den psychosozialen Aspekten einer Brustkrebserkrankung wird in jüngster Zeit vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt, und die Bedeutung von Patientenkompetenz, sozialem Umfeld, Information und Selbsthilfegruppen rückt stärker ins Bewusstsein.

    Literatur

    Goldhirsch, A.; et al.: Meeting highlights: Updated international expert consensus on the primary therapy of early breast cancer. J. Clin. Oncol. 21, 3357 – 3365 (2003).

  • Hormonrezeptoren Man unterscheidet Estrogen (ER)- und Progesteron- (PgR)- Rezeptoren, die immunhistochemisch oder biochemisch bestimmt werden können. Prämenopausal weisen ungefähr 50 bis 60% der Patientinnen, postmenopausal 70 bis 80% Estrogenrezeptoren auf. Ein rezeptorpositiver Status ist prognostisch günstiger als ein negativer Status.

    Der Hormonrezeptor-Status ist unter anderem entscheidend für die Wahl der Therapie; ein hoher Rezeptorstatus bedeutet eine höhere Ansprechwahrscheinlichkeit auf Hormone. Das Ansprechen auf die endokrine Therapie lässt sich noch genauer vorhersagen, wenn ER und PgR bestimmt werden. Sind beide Rezeptoren positiv, liegt die Ansprechrate bei rund 70 bis 80%.

    Ein doppelt positiver Rezeptorstatus bedeutet ein funktionell intaktes Rezeptor- und Aktivierungssystem, denn der Progesteronrezeptor wird als Produkt des aktivierten Estrogenrezeptors gebildet.

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