Management

R. HerzogAgieren in der Krise (Teil 3)

Eine aussagekräftige Bestandsaufnahme und der Check auf Herz und Nieren Ihres Betriebes erfordern klar definierte und mit vertretbarem Aufwand erhebbare Anhaltswerte und Kennzahlen. Idealerweise gestatten diese es dann, den Zustand des jeweiligen Unternehmens mit einem Blick zu bewerten. Durch laufende Fortschreibung auf der Zeitachse erkennen Sie sich abzeichnende Entwicklungen früher als andere und können gegebenenfalls gegensteuern. Ohne ein solches Schnelldiagnose- und Frühwarnsystem wird es heute immer schwieriger, eine Apotheke noch berechenbar zu führen Ų erst recht, wenn sie sich womöglich bald aus mehreren Filialen zusammensetzt. Grund genug also, sich näher mit dem Thema Kennzahlen zu beschäftigen.

Basisinstrumentarium

Die sauber abgegrenzte Erfassung aller wesentlichen Kostenpositionen absolut sowie in Umsatzprozenten ist der erste Schritt. Dieser ist in aller Regel bereits mit der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) getan. Über die Interpretation der teilweise erheblichen Schwankungen bei monatsweiser Auswertung ist bereits an früherer Stelle dieser Serie berichtet worden.

Für die einzelnen Kostenpositionen existieren mehr oder minder grobe Faustregeln, welchen Prozentsatz sie nicht überschreiten sollten (siehe Tabelle). Interessanter sind jedoch die "Benchmarks", die Marken der besonders ökonomisch arbeitenden Apotheken; ergiebig sind diese freilich nur für diejenigen Ausgaben, die Sie selbst beeinflussen können.

Zudem sind diese Benchmarks stark standort- und situationsabhängig. Deshalb hier der Rat, stets nur vergleichbare Betriebe in solche Kennzahlenanalysen miteinzubeziehen! Ideale Quellen sind Erfa-Gruppen oder die seitens einiger EDV-Hersteller angebotenen Foren und Management-Plattformen, in die das lebendige Zahlenmaterial aus den teilnehmenden Apotheken einfließt.

Dieser Austausch zwischen Gleichgesinnten wird, nicht nur seit von Kooperationen immer lauter gesprochen wird, immer wichtiger. Entscheidend ist es aber, wirklich Betriebe mit ähnlicher Zielsetzung und Unternehmensausrichtung zu finden, sonst vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.

Die Leistungen der Mitarbeiter umsatzbezogen auszuwerten, ist und bleibt ebenfalls sinnvoll. Der bekannteste Wert ist hier der Umsatz je Mitarbeiter, oder noch wichtiger, der Umsatz je Verkaufskraft (HV-Kraft). Um hier zu aussagestarken Werten zu gelangen, müssen die Werte sauber auf die jeweiligen Vollzeitstellen umgerechnet werden.

Dies geschieht über die Wochenstundenzahlen bzw. bei stark schwankenden Einsatzzeiten via effektiv geleistete Stunden. Alternativ arbeiten Sie mit Umsätzen je Stunde. Die allermeisten Warenwirtschaftssysteme gestatten eine mitarbeiterbezogene Auswertung und Erfassung aller Kassenvorgänge.

Bedenken Sie jedoch, dass diese Umsatzleistungen deutlich vom Typ der Apotheke abhängen; die entscheidenden Parameter sind der Korbumsatz (Umsatz je Einkauf), der durchschnittliche Wert der abgegebenen Packungen sowie die dafür aufgewandte Zeit. Ärztehausapotheken setzen demzufolge pro Kopf mehr um als Durchschnittsapotheken.

Centerapotheken können hohe Umsatzleistungen pro Kopf nur erzielen, wenn die Mitarbeiter auf raschen Abverkauf eingeschworen sind. Verfügt die Apotheke über einen Kommissionierautomaten, sollten ebenfalls erheblich höhere Umsatzleistungen je Mitarbeiter zu verzeichnen sein – 15% bis 20% mehr sollten es schon sein.

Die typische "Ein-Mann-Apotheke" weist in aller Regel die höchsten Werte auf – das überdurchschnittliche Engagement des Inhabers macht es möglich. Für einen Angestelltenvergleich taugen solche Zahlen daher nicht. Daher nochmals der Rat: Vergleichen Sie sich nur mit Betrieben, die eine ähnliche Lage und Umsatz- sowie Personalstruktur aufweisen!

Daneben ist der zeitliche Verlauf entscheidend: Entwickeln sich diese Leistungszahlen entsprechend dem eigenen Umsatz oder bleiben sie dahinter zurück? Zwangsläufig bringen Personalveränderungen auch Sprünge und Diskontinuitäten in diese Kennzahlen; allzu sehr sollten sie sich jedoch nicht verschlechtern, idealerweise sogar verbessern.

Doch selbst die schlichte Kundenzahl je HV-Mitarbeiter ist immer noch ein recht guter Anhaltspunkt, wobei hier wiederum auf die effektiv geleisteten Arbeitsstunden normiert werden muss. 100 Kunden pro ganzem Arbeitstag (à ca. 8 Stunden) haben sich als eine einigermaßen zutreffende Faustregel für den normalen Apothekenbetrieb herausgestellt, sofern die HV-Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen.

Individuell sind jedoch auch hier die Unterschiede beträchtlich. Zu guter Letzt sind die abgegebenen Packungen pro HV-Kraft eine Kenngröße, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnte. Die meisten Apothekenrechner erfassen diese Daten standardmäßig. Angesichts des Kombimodells mit seiner hohen Fixzuschlagskomponente kann es sinnvoller sein, eventuelle Leistungsprämien packungsbezogen auszuschütten (u Cent pro zusätzlich verkaufte Einheit, ausgehend von einer gewissen Basismenge).

Bezugsgröße Umsatz oder Rohgewinn?

Angesichts deutlicher Verwerfungen bei den Rohgewinnsätzen (Handelsspannen) ist es zwischenzeitlich erwägenswert, alle Kostenpostionen konsequent rohgewinnbezogen zu bewerten. Nachteil: An die viel höheren Prozentsätze, z. B. 42% Personalkosten oder 10% Raumkosten vom Rohgewinn, muss man sich erst einmal gewöhnen. Dennoch: Dies ist die ehrlichere Variante, auch wenn mathematisch nur der Faktor Handelsspanne dazwischenliegt.

Personalkosten genauer analysieren

Die Personalkosten stellen stets den größten Kostenblock dar. Deshalb ist es ratsam, diese Position äußerst genau, und nicht nur nach Gesamtkosten, zu analysieren. Sie sollten in jedem Falle wissen,

  • wieviele Arbeitsstunden tatsächlich im Jahr geleistet wurden (Ist-Stunden), untergliedert nach HV-Personal und "Back-office",
  • und dem gegenübergestellt die Zahl der Sollarbeitsstunden.

Die Differenz sind die Fehlzeiten, entschuldigt und bezahlt wie Krankheit oder Urlaub, oder in seltenen Fällen auch unentschuldigt und/oder unbezahlt.

Die Situation bei einer typischen Vollzeitstelle, auf das Jahr betrachtet, sieht so aus:

38,5 Wochenstunden mal 52 Wochen = theoretische Arbeitszeit = 2002 Std.

abzüglich Feiertage (statistisch rund 10 Tage) = ca. 78 Stunden

abzüglich Urlaub (ca. 5,75 Wochen) = ca. 220 Stunden

abzüglich Krankheitstage (statistisch ca. 10 Tage) = ca. 78 Stunden -------------------------------------------------------------------- verbleiben: ca. 1625 Stunden p. a. effektive Arbeitszeit

Rund 20% der theoretischen Arbeitszeit sind also Abwesenheitszeiten; ein wichtiges Kriterium, wenn es z. B. im Rahmen der jetzt möglichen "Kleinketten" darum geht, eine optimale Personalbesetzung zu finden. Denn die Öffnungszeiten richten sich bekanntlich nicht nach Urlaub und Krankheit.

Im Idealfall – keine Krankheit, keine Fortbildungen – können um 1700 Stunden jährlich erzielt werden. Längere Krankheitszeiten, zusätzliche Fortbildungen u. a. m. können den Wert aber auch schnell unter die 1500-Stunden-Marke drücken. Die Zahl dieser effektiv geleisteten Stunden sollte Ihnen in jedem Falle, zumindest auf etwa 1% bis 2% genau, bekannt sein. Daraus ergibt sich der durchschnittliche Stundensatz:

Stundensatz = Gesamt-Personalkosten p. a./ Gesamt-Stunden eff. geleistet Arbeit

Dieser Stundensatz, den Sie noch auf die jeweiligen Berufsgruppen und Funktionsbereiche (HV, Back-office) herunterrechnen können, ist eine valide Vergleichsbasis; zusammen mit der weiter unten diskutierten Absatzstruktur ergeben sich dann wesentlich schlagkräftigere Vergleichsdaten. So kann es sein, dass Apotheke A einen Stundensatz von 21,00 Euro aufweist, Apotheke B einen von nur 17,00 Euro – für die gleichen, geleisteten Arbeitsstunden.

Darin spiegelt sich natürlich das Verhältnis von teurerem, höherqualifiziertem zu niedriger bezahltem Hilfspersonal wider. Doch auch der Vergleich z. B. nur des HV-Bereiches kann erhebliche Unterschiede zutage fördern. Ein höherer Anteil Älterer, hohe, übertarifliche Gehälter und allerlei Zusatzleistungen, ein überproportionaler Anteil Approbierter – all diese Faktoren spielen hier hinein.

Wir wollen die Sinnhaftigkeit an dieser Stelle nicht weiter kommentieren – doch Sie sollten in diesen schwierigen Zeiten ganz nüchtern wissen, was Sie eine Stunde kostet und was Sie dafür erhalten. Möglicherweise ist dieses Geld ja gut investiert.

Spezifischere Kennzahlen

Die oben diskutierten Kennzahlen berücksichtigen verschiedene Betriebsbesonderheiten nur unzureichend. Die eine Apotheke setzt vor allem niedrigpreisige Artikel ab – in der Folge sind die Umsätze pro Verkaufskraft ebenfalls niedriger, der relative Personalaufwand steigt.

Im anderen Fall sorgen umfangreiche Heimbelieferungen für Verzerrungen. Und eine Ärztehaus-Apotheke mit hohen Verordnungswerten muss wiederum anders betrachtet werden. Deshalb sind die jeweiligen Durchschnittszahlen für einzelne Kostenpositionen für Vergleichszwecke mit Vorsicht zu betrachten.

Sinnvoller ist hier wiederum der Vergleich mit ähnlichen Apothekentypen, also Center-Apotheken, "Durchschnitts-Apotheken", typische Landapotheke, Ärztehaus-Betrieb und Apotheken mit einem hohen Belieferungsanteil für Heime bzw. Krankenhäuser.

Kennzahlen, die unabhängiger von diesen Unterschieden ein klareres Bild werfen, sind daher packungsbezogene Werte. Letztlich ist nämlich die Anzahl der abgegebenen Packungseinheiten maßgeblich entscheidend für den Arbeitsaufwand und damit die Kostenlage. Das kommende Kombimodell mit hoher Fixaufschlagskomponente macht solche Betrachtungen ebenfalls immer wichtiger.

Die entscheidenden Kennzahlen sind dann

  • die absoluten, abgegebenen Packungszahlen, und diese aufgeteilt in Arzneimittel bzw. Nicht-Arzneimittel sowie sektoral untergliedert in GKV-, PKV-, OTC- und Freiwahlbereich,
  • sowie die mittleren Packungswerte (und die Packungswertverteilung nach Wertklassen).

Davon lassen sich dann ableiten

  • die Gesamt-Personalkosten pro abgegebener Packungseinheit sowie
  • die HV-Personalkosten pro abgegebener Packungseinheit.

Bundesweit sind die Vergleichsdaten für den Arzneimittelmarkt recht leicht zu erhalten (z. B. von der ABDA im jährlich erscheinenden Faltblatt "Die Apotheke: Zahlen – Daten – Fakten" oder beim Institut für Medizinische Statistik [IMS Health] in Frankfurt, www.ims-int.com/de), während der Nicht-Arzneimittelmarkt, insbesondere der ganze Bereich der Freiwahl, bezüglich effektiv abgesetzter Packungen schwieriger zu fassen ist.

In der Apotheke selbst hingegen weisen die Apothekenrechner diese Mengenkomponente natürlich stückgenau aus. In 2002 wurden pro Apotheke rund 76 000 Arzneimittelpackungen abgesetzt; dies bedeutet Gesamt-Personalkosten von etwa 1,80 bis 2,00 Euro je Arzneimittel.

Wer nun 2,50 oder gar 3,00 Euro Personalkosten pro Packung aufweist, mag sogar, in den üblichen Umsatzprozenten ausgedrückt, im anzustrebenden Korridor von etwa 10% bis 12% liegen – spezifisch aber liegt er dennoch schlecht, denn er schlägt höchstwahrscheinlich eine deutlich unterdurchschnittliche Zahl an Packungseinheiten um, das allerdings mit durchschnittlichen Personalkosten. Dies illustriert, dass es mehr und mehr auf spezifische Kennzahlen ankommt, und nicht auf Pauschalvergleiche (Abb. 2).

Ergänzend dazu ist der Zeitaufwand je Packungseinheit zu betrachten. Hierzu nehmen Sie die gesamten, geleisteten Arbeitsstunden im betrachteten Jahr bzw. Zeitraum und dividieren diese Zeit durch die dort abgesetzten Packungen. Auch hier werden Sie möglicherweise überrascht sein, wie hoch dieser Wert ist (bundesweiter Schnitt: ca. 6 bis 7 Minuten).

Als dritten Wert können Sie noch die durchschnittlichen Gesamtkosten je geleisteter Arbeitsstunde (Stundensätze) erheben – siehe oben.

Alle diese Werte zusammen ergeben ein recht scharfes Bild Ihrer personellen Situation, insbesondere, ob Ihre Personalkosten auch im Hinblick auf die spezifische Auslastung angemessen sind.

Umsatzanalysen

Fast jede Apotheke macht mehr oder minder detaillierte Umsatzanalysen. Standard ist die separate Erfassung von GKV- bzw. Privatrezepten, von OTC-Umsatz und der Freiwahlverkäufe.

Der Korbumsatz, sprich der durchschnittliche Nettoumsatz je Einkauf eines Kunden, wird von den meisten Warenwirtschaftssystemen ausgegeben. Hohe Korbumsätze sind der Wunsch aller Kollegen. Da die Rezeptumsätze oft den größten Anteil stellen, ist der Korbumsatz jedoch zu einem guten Teil fremdbestimmt. Weiterhin ist Umsatz nicht gleich Ertrag.

Der Korbertrag, unter Einrechnung der Handelsspanne leicht aus dem Umsatz zu ermitteln, ist die aussagekräftigere Größe. Marketingmaßnahmen sollten daher primär zum Ziel haben, diesen Korbertrag signifikant zu steigern.

Noch eher selten wird eine ABC-Analyse der Umsatzbringer durchgeführt. Die Frage hierbei lautet: Wieviel Prozent der Kunden erbringen welchen Umsatz? Wer sind die A-Kunden (die Top-Performer), wieviele B-Kunden gibt es (die gesunde "Mittelklasse") sowie C-Kunden (Gelegenheitskunden, "Billigheimer"). Mit 10% der Top-Kunden machen manche Apotheken über 80% des Umsatzes!

Dazu ist es erforderlich, eine Zuordnung zu einzelnen Personen vorzunehmen. Wer für den Großteil seiner Patienten Kundenkarten ausgegeben hat, ist hier klar im Vorteil. Doch auch eine Rezeptanalyse kann helfen, macht aber recht viel Arbeit. Die besten 50 oder 100 Kunden sollten persönlich identifiziert und entsprechend marketingmäßig und durch entsprechenden Service bestmöglich bei der Stange gehalten werden.

Lager-Kennzahlen

Wenn es um Kennzahlen und einen Unternehmens-Check geht, darf die Betrachtung des Warenlagers nicht fehlen. Freilich bieten fast alle Warenwirtschaftssysteme heute so ausgefeilte Auswerteprogramme zur Optimierung an, dass es vor allem eine Frage der Zeit und Muße ist, sich hier intensiv hineinzuvertiefen. Deshalb an dieser Stelle nur einige Faustregeln:

Die bekannteste Kennzahl ist die Lagerdrehzahl, die sich aus dem Wareneinsatz (= Umsatz minus Rohgewinn) geteilt durch den Warenlagerwert ergibt. Eine vernünftige Größenordnung sind Werte zwischen 7 und 9. Sehr effektiv gemanagte Warenläger können Drehzahlen über 10 erreichen. Als wertmäßige Begrenzung nach oben kann der grobe Anhaltswert von maximal 10% des Nettoumsatzes gelten. Wer ein Warenlager von mehr als 10% seines Umsatzes hat, sollte wirklich genau hinschauen.

Der Kampf lautet stets Lieferfähigkeit versus Warenlagerwert. Die Lieferfähigkeit kann auf mehrerlei Weise definiert werden und ist gleichfalls eine wichtige Kennzahl, die zur Beurteilung des Warenlagers mit dazugehört. Einerseits können Sie sie auf die Kunden herunterbrechen, d. h., welcher Prozentsatz der Kunden kann vollständig ohne Nachlieferung bedient werden?

Ein weiterer Ansatz geht von den Packungen aus: Wieviel Prozent der gesamthaft abgegebenen Packungen sind Besorger? Was häufig in den Auswertungen fehlt, da nicht konsequent erfasst: Die Zahl der Kunden (bzw. der entsprechenden Artikelpositionen), die zwar nachgefragt, aber nicht befriedigt wurden, weil der Kunde die Apotheke unverrichteter Dinge wieder verlassen hat (Neinverkäufe).

Nur so ist es zu erklären, dass sich viele Kollegen mit einer Lieferfähigkeit von weit über 90% rühmen; nach meiner Anschauung liegt diese Quote im realen Alltag viel niedriger, insbesondere bei den Rezeptkunden. Speziell bei den Letzteren dürften vielerorts nur noch 70% bis 80% der Rezeptkunden auf den ersten Anlauf komplett beliefert werden.

In der momentanen Phase, in der der Versandhandel am Start steht, sollte der Lieferfähigkeit jedoch wieder größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Zuge des BSSichG haben manche Kollegen mit einer drastischen Reduzierung des Warenlagers reagiert. Das könnte sich rächen.

Im Zweifelsfall sollte Warenlagerbreite (= mehr Artikelpositionen) vor Warenlagertiefe (= viele Mehrfachpositionen mit mehreren Packungen von einer Sorte) gehen.

Nachdem nun die Zustellung von Arzneimitteln auch durch die öffentliche Apotheke der Regelfall werden dürfte (siehe die jüngste Wandlung des Aponet …), stellt sich die Frage nochmals anders. Sofern ein verlässlicher und regelmäßiger, sprich täglicher Lieferservice etabliert wird, haben Sie hier einen Fixkostenblock geschaffen, der sich durch eine vorsichtigere Warenlagerpolitik wieder relativieren kann.

Doch Achtung – die Akzeptanz durch die Kunden sollte sorgfältig beobachtet werden. Zumindest heute dominiert vielfach noch die Einstellung, dass man mit dem Verlassen des Geschäftes seine Einkäufe erledigt haben möchte. Nicht jeder ist einer Auslieferung nach Hause positiv gegenüber eingestellt – aus verschiedensten Gründen.

Wie weiter oben schon festgestellt, dürfen Sie auch beim Thema Warenlager nicht den Fehler machen, auf starre Zielmarken zu schauen. Eine Landapotheke mit nur wenigen und gut berechenbaren Hauptverordnern sowie einer höher ausgeprägten Bereitschaft der Kunden, Defekte zu akzeptieren, kann ganz anders kalkulieren als die sich in einem hochkompetitiven Umfeld befindende Apotheke einer städtischen Einkaufsstraße.

Finanz-Kompass

Zwar gibt es sehr viele Kennzahlen betreffend die finanzielle Situation eines Betriebes. Speziell für die Apotheke sind sie jedoch oft nicht mehr als schmückendes Beiwerk. Da eine Apotheke de facto so ohne Weiteres nicht Pleite geht – schließlich haftet der Inhaber mit seinem gesamten Privatvermögen, bevor der Schlüssel endgültig herumgedreht wird –, kommt es mehr darauf an, ein Instrumentarium zu entwickeln, welches anzeigt, wann es wirklich kritisch für Haus und Hof werden kann.

Dieses Erkennen einer Insolvenzgefahr ist hierbei die eine Seite. Die andere Seite ist die Beurteilung der Rentabilität des Betriebes, sprich eine fundierte Antwort auf die Frage, ob sich sowohl der Arbeitseinsatz als auch das eingesetzte Kapital hinreichend rentieren und ob Werte geschaffen oder abgebaut werden.

Der schlimmste Fall: Insolvenzgefahr!

Der kritischste Fall – und in der Praxis auch der häufigste – besteht darin, dass schlichtweg die Liquidität fehlt, um ausstehende Verpflichtungen zu erfüllen. Ist dann eine Ausweitung der Kreditlinien nicht mehr möglich und lassen sich auch sonst kurzfristig keine Geldmittel auftreiben, ist eine Insolvenz, sprich Zahlungsunfähigkeit, unausweichlich.

Das Drehbuch dazu folgt oft ähnlichen Mustern: Am Anfang steht eine unglückliche Gemengelage geschäftlicher und privater (!) Verpflichtungen. Es wurden in aller Regel (zu) hohe Investitionen getätigt, basierend auf optimistischen Annahmen der Geschäftsentwicklung, nicht selten verbunden mit überzogenen Privatentnahmen.

Kommt hingegen ein unerwarteter Einbruch – sei es eine Gesundheitsreform, seien es individuelle Faktoren vor Ort wie eine neue Konkurrenz, der Wegzug von Hauptverschreibern oder persönliche Probleme wie langandauernde Krankheitsausfälle des Inhabers –, sind massive Probleme quasi von heute auf morgen unausweichlich (Abb. 3).

Die üblichen Kennzahlen zur Liquiditätslage (Liquidität ersten oder höheren Grades) versagen häufig bei der Voraussage einer solchen Insolvenzgefahr. Einigermaßen präzise lässt sich die Situation nur durch ein komplettes Unternehmensdatenmodell, sprich die Abbildung aller relevanten Unternehmenszahlen im Verbund mit den privaten Verpflichtungen, dem nötigen Bedarf zum Lebensunterhalt sowie dem Vermögensstatus, vorausberechnen.

Dann ist es nämlich möglich, Szenarien nach dem Motto "Was bleibt, wenn der Umsatz bzw. die Rohgewinne um x % zurückgehen" aufzustellen und einen Sicherheitsgrad zu ermitteln. Das ist der Prozentsatz, um den der Umsatz zurückgehen darf, ohne dass Ihre Zahlungsfähigkeit infrage gestellt wird. Der kluge Unternehmer stellt rechtzeitig ein worst-case-Szenario auf, anhand dessen er überlegt und besonnen unter Ausschöpfung seiner Möglichkeiten und Reserven reagiert.

Wesentlich häufiger ist die Situation, dass der Schuldenstand den realen Wert der Investierungen überschreitet. Insofern liegt hier de facto eine Überschuldungslage vor (kaufmännisch ist eine Überschuldung gegeben, wenn die Schulden höher als die Aktivseite der Bilanz ausfallen).

Das konnte sehr schnell passieren, wenn z. B. ein Kollege eine gutgehende Apotheke vor wenigen Jahren zu einem aus heutiger Sicht weit überhöhten Preis übernommen hat. Seinerzeit waren die Forderungen jedoch üblich. Die Schulden auf dem Betrieb übersteigen dann den tatsächlich realisierbaren Wert erheblich. Ähnliches kann im Privatbereich ebenso passieren (überteuertes Eigenheim!).

Eine solche Überschuldungssituation allein muss jedoch per se nicht gleich zu Problemen führen. Solange die Umsatz- und Renditeentwicklung die Bedienung der Schulden zulassen, kann dieser Zustand sehr lange anhalten, ohne dass der wirtschaftliche Kollaps drohen muss.

Doch wird irgendwann einmal die eigene Lebensbilanz empfindlich davon getroffen, es wurden "umsonst" Schulden abgetragen, für etwas, was seinen Wert nicht mehr hat. Bei Autos und Konsumgegenständen aller Art ist dies bekanntlich ja die Regel.

Wünschenswert: Gutes Einkommen und gute Kapitalrentabilität

Fast gar nicht im Heilberufsbereich wird die Frage nach der Kapitalrentabilität gestellt, trotz der zum Teil exorbitanten Investitionssummen und ganz im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der meisten Kapitalgesellschaften, bei denen diese Größe eine zentrale Rolle spielt.

Die Fragestellung ist einfach: Welche Verzinsung des eingesetzten Kapitals wird überhaupt erwirtschaftet? Dazu muss sauber zwischen dem (nur kalkulatorisch anzusetzenden) Unternehmerlohn vor Steuern sowie dem dann noch verbleibenden Gewinn unterschieden werden.

Ggf. muss dem Unternehmerlohn auch noch eine kalkulatorische Miete in realistischer, marktüblicher Höhe zugeschlagen werden, wenn die Apotheke in eigenen Räumlichkeiten betrieben wird.

So errechnen Sie die Gesamtkapitalrentabilität:

Nehmen Sie das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Gewinn- und Verlustrechnung und addieren Sie die Zinsen für Fremdkapital wieder dazu (ermitteln Sie also das Ergebnis vor Steuern, außerordentlichen Aufwendungen bzw. Erträgen sowie vor Zinsen, Letztere oft als neutrale Aufwendungen bezeichnet). Ziehen Sie davon nun den realistischen Unternehmerlohn und ggf. eine kalkulatorische Miete ab.

Den verbleibenden Betrag setzen Sie in das prozentuale Verhältnis zum Gesamtkapital, welches im Betrieb steckt (ohne Immobilienwerte, deren Rentabilität ist bereits durch die kalkulatorische Miete eskomptiert worden). Der saubere Weg zur Ermittlung führt über die Auswertung der Aktivseite Ihrer Bilanz – die Summe der dortigen Werte (ggf. ohne Immobilien) ist die einzusetzende Bezugsgröße.

Alternativ kann in erster Näherung dieses Gesamtkapital als Summe aus Warenlager, Kassenbeständen, im Betrieb steckendem Eigenkapital sowie den noch auf der Apotheke lastenden Schulden mit effektivem Schuldenstand zum betrachteten Zeitpunkt x ermittelt werden.

Wenn Sie beurteilen möchten, ob sich z. B. eine Übernahme oder Neueröffnung im Hinblick auf die Kapitalrentabilität rechnen könnte, dann nehmen Sie einfach Ihre geplanten Gesamtinvestitionen in den reinen Apothekenbetrieb als Grundlage.

Ein Streitpunkt ist stets die Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerlohns. Durch überhöhte Ansätze gelingt es ohne weitere Mühe, im Grunde rentable Apotheken auf dem Papier als renditelosen "Zuschussbetrieb" dastehen zu lassen. Ein praktikabler Angang besteht darin, das gesamte Jahres-Angestellteneinkommen einer vergleichbaren Führungskraft z. B. im öffentlichen Dienst oder in der Industrie zugrunde zu legen und dem mindestens 20% als Ausgleich für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und sonstige Leistungen zuzuschlagen.

Vergleichbare Positionen wären z. B. die Besoldungsgruppe BAT II/Ib des öffentlichen Dienstes in mittlerer Dienstaltersstufe bzw. eine Gruppenleiterfunktion in der Industrie. Hier finden wir Gehaltssätze von etwa 50 000 bis hin zu deutlich über 60 000 Euro p. a.

Zuzüglich der erwähnten 20% liegt also ein realistischer Betrag für das kalkulatorische Unternehmereinkommen bei mindestens etwa 60 000 bis über 72 000 Euro p. a. Rechnen Sie mit der höchsten Tarifstufe des Apothekentarifs zuzüglich etwa 15% bis 25% übertariflich für Not- und Nachtdienste und zuzüglich des Sozialversicherungsausgleichs, kommen Sie übrigens in ähnliche Größenordnungen.

Ziel sollte sein, eine Gesamtkapitalverzinsung mindestens 3%- bis 5%-Punkte oberhalb der Verzinsung langlaufender, sicherer Staatsanleihen zu erzielen. Das sind dann im Moment etwa 7,5% bis 10% Rendite, die kaufmännisch aus dem eingesetzten Kapital herausschauen sollten. Bei kleineren Apotheken ist dies nur noch schwer zu erreichen, wenn dort größere Beträge investiert werden (Abb. 4).

Auch und gerade wenn Sie überlegen, die neue "Vier-Apotheken-Freiheit" zu nutzen, sollten solche Überlegungen der Kapitalrentabilität obenan stehen, vor allem wenn hohe Investitionen und stattliche Übernahmepreise zu entrichten sind.

Fazit

Kennzahlen wirken wie ein wirtschaftlicher Seismograph oder "Diagnosecenter" im Betrieb. Sie können Ihnen Stärken und Schwächen schnell aufzeigen (Abb. 5). Voraussetzung ist allerdings eine valide Datenerhebung. Ebenso wichtig wie die absoluten Werte – deren Vergleiche immer auf Apotheken mit ähnlicher Lage und Struktur zu beziehen sind – ist die zeitliche Entwicklung im Laufe der Monate und Jahre.

Solche betriebsinternen Zeitreihen zeigen Ihnen, ob Ihr Betrieb an Professionalität und rationeller Arbeitsweise zugelegt oder gar abgebaut hat. Kennzahlen sind auch immer in ihrer Gesamtheit zu sehen; nur selten wird Sie bei jeder Position eine optimale Performance erreichen. So vertragen sich eben eine renditestarke Lauflage und sehr günstige Raumkosten nun einmal sehr schlecht. Damit kommt es auf ein stimmiges Gesamtbild an, ohne Ausreißer, die den Betrieb an sich gefährden.

Eine aussagekräftige Bestandsaufnahme und der Check auf Herz und Nieren Ihres Betriebes erfordern klar definierte und mit vertretbarem Aufwand erhebbare Anhaltswerte und Kennzahlen. Idealerweise gestatten diese es dann, den Zustand des jeweiligen Unternehmens auf einen Blick zu bewerten. Durch laufende Fortschreibung auf der Zeitachse erkennen Sie sich abzeichnende Entwicklungen früher als andere und können gegebenenfalls gegensteuern. Ohne ein solches Schnelldiagnose- und Frühwarnsystem wird es heute immer schwieriger, eine Apotheke noch berechenbar zu führen – erst recht, wenn sie sich womöglich bald aus mehreren Filialen zusammensetzt. Grund genug also, sich näher mit dem Thema Kennzahlen zu beschäftigen.

Checkliste: Ist mein Betrieb insolvenzgefährdet? Je mehr Aussagen aus der folgenden Liste auf Sie zutreffen, um so höher ist Ihre Gefährdung, dass Sie in die Zahlungsunfähigkeit, zumindest aber in beträchtliche, finanzielle Schwierigkeiten geraten können. Doch jeder Fall liegt anders, Verallgemeinerungen sind schwierig!

Deshalb der dringende Rat, wenn Sie sich auf dieser Liste wiedererkennen: Erörtern Sie mit Ihrem Steuerberater vertrauensvoll und in voller Offenheit den Ernst der Lage und versuchen Sie die wirtschaftlichen Eckpfeiler herauszuarbeiten, um Ihren Betrieb weiterhin am Laufen zu erhalten. Schlimmstenfalls müssen Sie ein cleveres Ausstiegsszenario in Betracht ziehen.

Welche Aussagen treffen zu?

  • Konstant hohe Privatentnahmen, große, private Verpflichtungen.
  • Absehbare Rohgewinneinbrüche, die nicht durch zeitnahe Kostensenkungen aufgefangen werden können (neue Konkurrenz, Verschlechterung der Standortbedingungen, Auswirkungen von Reformen usw.).
  • Bereits hohe Inanspruchnahme von teuren Kontokorrentkrediten, Kreditlinien sind weitgehend ausgeschöpft und kaum mehr ausweitbar.
  • Hohe langfristige Verschuldung (deutlich über einem Jahresrohgewinn bzw. größer als etwa ein halbes Jahresnettoeinkommen vor Tilgungen mal der Anzahl der maximal noch vor Ihnen liegenden Berufsjahre bis zur Rente).
  • Schulden übersteigen die real noch erzielbaren Werte (Achtung – auch Privatbereich mit einbeziehen, wie aus heutiger Sicht überteuert erstandenes Eigenheim usw.).
  • Nur geringes privates Vermögen.
  • Hohe nicht ohne Weiteres senkbare Fixkosten (z. B. Raumkosten).
  • Hohe sonstige Kostenbelastungen stehen an (Steuernachzahlungen, Abfindungen an Personal, Prozesskosten, unvorhergesehene, große Reparaturen bzw. unabweisbare Umbaumaßnahmen usw., auch wiederum an den Privatbereich denken).
  • Schwierige persönliche Faktoren (Scheidung, Krankheit etc.).
  • Viele, verschiedene Gläubiger ("in der Hand von allen" und keiner fühlt sich verantwortlich ...).
  • Massive Probleme im Betrieb (Schwierigkeiten mit dem Personal, schlechtes Betriebsklima, zerrüttetes Verhältnis zu Hauptverordnern usw.).
  • Das eigene Alter: Lässt dieses das Abtragen der Schulden überhaupt noch zu?

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