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Gesetzliche Krankenversicherung: Bundesrat stimmt Gesundheitsreform zu

BONN (im). Die neue Gesundheitsreform mit ihren weitreichenden Regelungen wie der Erlaubnis zum Versandhandel mit Arzneimitteln oder dem begrenzten Mehrbesitz von Offizinen kann am 1. Januar 2004 in Kraft treten. Der Bundesrat hat am 17. Oktober in Berlin dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zugestimmt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte das Gesetz "eine umfassende Strukturreform", die im Arzneibereich "etwas Neues" bringe, der baden-württembergische Sozialminister Dr. Friedhelm Repnik (CDU) bezeichnete das GMG als "ausgewogen". Ministerin Birgit Fischer (SPD), Nordrhein-Westfalen, setzt große Erwartungen in die integrierte Versorgung.

Die Bundesgesundheitsministerin rief alle Akteure – darunter die Apothekerschaft – auf, die neuen Spielräume zu nutzen, nachdem nun der Bundesrat und zuvor der Bundestag (am 26. September) dem Gesetz zugestimmt hatten. Für sie ist das GMG eine Weichenstellung hin zu mehr Qualität, Mitsprache und Effizienz im Gesundheitswesen.

Schmidt erwartet positive Folgen durch das GMG. "Verkrustete Strukturen" würden aufgebrochen, die Krankenkassenbeiträge gesenkt und die Ausgaben gebremst. Im Arzneimittelbereich wiederholte die SPD-Politikerin ihre bekannten Äußerungen, dass zu viele Medikamente verschrieben würden, deren Nutzen für die Patienten nicht immer ersichtlich sei. Künftig würden daher patentgeschützte Arzneimittel ohne nennenswerte therapeutische Verbesserung in die Festbetragsregelung einbezogen.

Wettbewerb um OTC

Für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel werde es in Zukunft einen Preiswettbewerb geben, kündigte die Ministerin an. Apotheker entschieden selbst darüber, welches Medikament sie zu welchem Preis verkauften. Patienten könnten Preisvergleiche anstellen und zum Beispiel Kopfschmerzmittel oder den Hustensaft dort kaufen, wo er am billigsten sei, schlug Schmidt vor. Die Versicherten müssten allerdings die Kosten dafür selber tragen.

Bekanntlich gelten als Ausnahme von dieser Regelung die Verordnungen für Kinder bis zwölf Jahre, Jugendliche mit Entwicklungsstörungen sowie die Behandlung schwerer Krankheiten, wenn nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel zum Therapiestandard gehören.

Neue Zuzahlung

Bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten erinnerte die SPD-Gesundheitspolitikerin in einer Pressemitteilung an die geänderten prozentualen Zuzahlungsregelungen, mindestens fünf Euro und maximal zehn Euro pro Packung, jedoch nicht mehr als die Kosten eines Präparats.

Versand und Mehrbesitz

Als positive Details der Reform erwähnte Schmidt den Versandhandel mit Arzneimitteln und die Erlaubnis zum begrenzten Mehrbesitz von Apotheken. Für Versandapotheken gälten die gleichen Standards an Qualität, Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit wie in den Apotheken vor Ort. Vor dem Versenden eines Medikaments durch eine Versandapotheke müsse ihr das Rezept vorliegen. Das Zuschicken per Post sei ein großer Vorteil für ältere und immobile Patienten, glaubt Schmidt.

Mit dem neu zu gründenden Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen würden unter anderem Arzneimittel auf ihren Nutzen untersucht und Empfehlungen für die Behandlung abgegeben.

Sinkende Beiträge

Nach Ansicht von Schmidt werden die Beitragssätze in der GKV im nächsten Jahr auf durchschnittlich 13,6 Prozent und bis 2006 deutlich unter 13 Prozent sinken. Das entlaste die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber. Die gesetzlichen Krankenkassen soll das GMG in 2004 um zehn Milliarden Euro entlasten, von denen die Kassen drei Milliarden Euro zur Tilgung ihrer Schulden verwenden sollen.

Gut: Integrierte Versorgung

Birgit Fischer, Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, nannte in der Debatte die Integrierte Versorgung als bedeutsamste Regelung des GMG. Die Betreiber integrierter Versorgungsketten würden auf Wirtschaftlichkeit achten, konkret darauf, dass keine Doppeluntersuchungen erfolgen, preisgünstige Arzneimittel verschrieben und unnötige Überweisungen und Krankenhausaufenthalte vermieden werden.

Den Krankenkassen werde erlaubt, Ersparnisse an diejenigen ihrer Versicherten weiterzugeben, die die neuen Versorgungsformen annehmen, in Form von besonderen Tarifen oder Boni. Ein Schritt zur besseren Integration der Versorgung sei auch die Zulassung der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung schwerer Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs, meinte Fischer weiter.

Auch bei der Arzneimittelversorgung seien "einige Durchbrüche zu mehr Effizienz und Effektivität gelungen". Künftig werde sich die Forschung der Pharmaindustrie auf den therapeutischen Nutzen konzentrieren, prognostizierte die Sozialministerin des bevölkerungsreichsten Bundeslands.

"Keine reine Kostendämpfung"

Nach Ansicht von Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU), Baden-Württemberg, ist der Kompromiss besser als sein Ruf und keinesfalls eine reine Kostendämpfung. Das GMG nannte er ausgewogen, da jeder seinen Beitrag leiste, der Arzneimittelsektor, Ärzte und Apotheker, die Krankenkassen und die Versicherten.

Die Kritik, die neue Reform gehe zu Lasten der Patienten, nannte Repnik unberechtigt. Zwar belasteten die neuen Zuzahlungen die Kranken, niemand werde jedoch über seine Möglichkeiten hinaus herangezogen. Im Gegenzug kämen ihnen sinkende Beiträge zugute.

Auch Wolfgang Böhmer (CDU), Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, wies Kritik zurück. Ziel sei gewesen, die Finanzen der GKV für eine überschaubare Zeit zu konsolidieren. Ein Jahrhundertwerk sei nicht angestrebt worden, meinte Böhmer.

Die neue Gesundheitsreform kann am 1. Januar 2004 in Kraft treten. Der Bundesrat hat am 17. Oktober in Berlin dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zugestimmt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte das Gesetz "eine umfassende Strukturreform", die im Arzneibereich "etwas Neues" bringe, der baden-württembergische Sozialminister Dr. Friedhelm Repnik (CDU) bezeichnete das GMG als "ausgewogen". Ministerin Birgit Fischer (SPD), Nordrhein-Westfalen, setzt große Erwartungen in die integrierte Versorgung.

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