Rechtsprechung aktuell

Einfuhr und Handel mit chinesischen Pflanzenteilen: Arzneimittel erst nach Zweck

Aus China importierte unbehandelte oder nur grob vorbehandelte getrocknete Pflanzenteile, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zu Heilzwecken verwendet werden, stellen als solche keine Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG dar. Diese Zweckbestimmung erhalten sie erst dann, wenn mehrere unterschiedliche Pflanzenteile in der Apotheke aufgrund ärztlicher Verordnung gezielt zusammengestellt und vermischt werden. (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Okober 2002, Az.: 11 LC 207/02 [rechtskräftig])

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte über die Frage zu befinden, ob ein Importeur, welcher getrocknete Pflanzenteile einführt, die in ihrem Ursprungsland China traditionell zu Heilzwecken (TCM) verwendet werden, der allgemeinen Anzeigepflicht nach § 67 AMG unterliegt.

Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei den Pflanzenteilen auf der Vertriebsstufe des Importeurs um Arzneimittel gemäß § 2 AMG oder zumindest um Wirkstoffe gemäß § 4 Abs. 19 AMG handelt.

Dies lehnte das Oberverwaltungsgericht ab: Die importierten Stoffe seien bloße Roh- oder Grundstoffe, welche bei der Herstellung von Arzneimitteln Verwendung fänden und damit als Vorstufen von Arzneimitteln noch nicht der Kontrolle des Arzneimittelgesetzes unterfielen.

Insoweit fehle es an einer nach objektiven Merkmalen zu beurteilenden Zweckbestimmung der Produkte als Arzneimittel, zumal die Aufmachung der Importsendung und die Angebotslisten des Importeurs dem äußeren Anschein nach nicht den Eindruck einer medizinischen Zweckbestimmung erweckten.

Die importierten Pflanzenteile befanden sich im Rohzustand ohne besondere, über botanische Angaben hinausgehende Kennzeichnung. Sie waren zur Belieferung für Endverbraucher weder bestimmt, noch aus Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers geeignet.

Roh- und Grundstoffe sind in der Regel keine Arzneimittel

Roh- und Grundstoffe sind keine Arzneimittel, weil nicht sie, sondern erst die aus ihnen hergestellten Mittel eine Zweckbestimmung nach § 2 Abs. 1 erhalten. Die Zweckbestimmung als Arzneimittel können solche Stoffe nur dann erlangen, wenn sie ausschließlich zur Verwendung als Arzneimittel geeignet sind und keiner wesentlichen weiteren Bearbeitung bedürfen. Dies ist bei den hier zur Diskussion stehenden Pflanzenteilen nach Auffassung des OVG Niedersachsen nicht der Fall.

Wesentlicher Herstellungsschritt vor Anwendung durch Patienten erforderlich

Die Pflanzenteile finden in der Traditionellen Chinesischen Medizin nur nach gezielter Zusammenstellung mehrerer Pflanzenteile für den jeweiligen Patienten aufgrund ärztlicher Verordnung Anwendung.

Dazu bedarf es eines wesentlichen Herstellungsvorgangs, nämlich des Mischens oder der Herstellung durch Abkochung. Mithin erhalten die vertriebenen Pflanzenteile ihre arzneiliche Wirkung nach der traditionellen Chinesischen Medizin erst nach den genannten Herstellungsvorgängen, so dass nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für die erstmalige Zweckbestimmung als Arzneimittel zuerst diese wesentliche weitere Bearbeitung auf der Produktionsstufe des Apothekers stattzufinden habe.

Keine Wirkstoffe

Das Oberverwaltungsgericht stufte die Pflanzenteile auch nicht als Wirkstoffe im Sinne des § 4 Abs. 19 AMG ein. Dies sind solche Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden. Als solche Bestandteile seien sie erst vorgesehen, wenn sie in die Verfügungsgewalt des Herstellers, also des Apothekers gelangten und dort zur Verwendung in der Traditionellen Chinesischen Medizin bestimmt seien.

Konsequenzen

Die praktische Bedeutung der Entscheidung für die Einfuhr chinesischer Pflanzenteile reicht über die Frage der Anwendbarkeit des § 67 AMG (Anzeigepflicht) hinaus. Sind diese Kräuter keine Arzneimittel, so können Apotheker die Stoffe direkt aus dem Ausland beziehen, um sie sodann gemäß den Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung insbesondere in Bezug auf ihre Qualität (§ 11 ApBetrO) zu prüfen. Drittlandsinspektionen sind entbehrlich.

Entscheidungen im Wortlaut bei DAZ online Den Wortlaut des Urteils finden Sie – neben anderen apotheken- und arzneimittelrechtlichen Entscheidungen – im Internet unter www.deutscher-apotheker-verlag.de/DAZ in der Rubrik Recht,

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