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Podiumsdiskussion zur aktuellen Lage: Positive Signale für heilberufliche Zukun
Apotheken sind eine "Oase des Sachverstands"
Unter der Leitung von Peter Ditzel, Chefredakteur der Deutschen Apotheker Zeitung, diskutierten der Berliner Volkswirtschaftler Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke, der Leiter des Referats Arzneimittelversorgung im Bundesgesundheitsministerium Ulrich Dietz, ABDA-Geschäftsführer Dr. Frank Diener, Kammerpräsidentin Christel Johanns und Verbandsvorsitzender Dr. Gerhard Behnsen aus Mecklenburg-Vorpommern.
Henke sieht in der Apotheke eine "Oase des Sachverstands". Als "personalintensives Dienstleistungsunternehmen" gehöre ihr ohnehin die Zukunft, sofern sie ihre Chancen selbst aktiv gestalte: "Wenn sie es nicht selbst tun, machen es andere schlechter", warnte Henke. Der Volkswirtschaftler ist davon überzeugt, dass der Gesundheitsmarkt weiterhin wachse und dem mündigen Bürger eine Vielfalt an Möglichkeiten bieten müsse.
Auch Johanns sieht die Apothekenzukunft positiv: Ungeachtet der Vorwürfe, die ein Stern-Journalist in der vergangenen Woche auf zehn Seiten des Magazins ausgebreitet hatte, sieht sie die Apotheker "fit für eine gute Beratung". Belegt sei dies durch die positiven Ergebnisse der ZL-Ringversuche.
Schwarze Schafe gebe es immer und die neue Arzneimittelpreisverordnung werde ohnehin die Spreu vom Weizen trennen, stellte Johanns fest. Als Zukunftsthemen für die Apotheke nannte sie die Bereiche Prävention und Dienstleistung – hier müssten sich die Kolleginnen und Kollegen als Heilberufler profilieren und spezialisieren.
Barrabatte wären die dümmste Lösung
Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer darüber, dass ein Preiskampf bei OTC-Produkten nur Verlierer zur Folge haben werde. Behnsen empfahl eindringlich, die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller zu übernehmen.
Dennoch ist er Realist genug, um zu sehen, dass es – insbesondere in Laufgegenden – zu niedrigen OTC-Preisen als Kaufanreiz für die Kundschaft kommen werde. "Dies können wir als Standespolitiker nicht wollen", sagte er und warnte davor, dass sich die Apotheken "gegenseitig verdrängen" würden.
Johanns ergänzte, es könne wohl auch nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, wenn die Apotheken "Aspirin-Wochen" veranstalteten oder "Ausverkäufe" bestimmter Saisonarzneimittel anböten. Dem kranken Menschen seien ohnehin Preisvergleiche nicht zumutbar.
Diener stellte in den Raum, dass die Preisfreigabe bei OTCs auch teurere Preise als bisher produzieren könnte. Auf diese Idee sei bisher kaum jemand gekommen. Im Gegenteil, die Politiker hätten sich "besoffen gerechnet und geredet", dass die Preisfreigabe zu einer Verbilligung führen müsste.
Das "Dümmste", was die Apotheker nach Aussage von Diener tun könnten, wäre es, den Kunden zukünftig Barrabatte (in Form von Preisdumping) zu geben. Sinnvoll wäre jedoch – nach dem Vorbild anderer Vertriebskanäle – durch Kundenkarten und ähnliches stabile Bindungen zu erzeugen und zum Beispiel "Punkte sammeln zu lassen".
Dietz, der Arzneimittelexperte aus dem Bundesgesundheitsministerium, bezeichnete die Freigabe der OTC-Preise durch den Gesetzgeber als psychologische Einstiegshilfe in die Selbstmedikation.
Der neue Fixzuschlag ist kein "Beratungshonorar"
Auf den aktuell heiß diskutierten Stern-Artikel hinweisend, stellte Ditzel die Frage in den Raum: "Haben wir unser zukünftiges Beratungshonorar in Höhe von 8,10 bzw. 6,10 Euro eigentlich schon verdient? Oder müssen wir mit unserer Leistung noch besser werden?"
Johanns betonte, sie sei froh über die neue Arzneimittelpreisverordnung, die den Apotheker nicht mehr über den Preis des Arzneimittels definiere. Wenn man bedenke, dass mit dem Honorar nicht nur die Beratung, sondern auch vor- und nachbereitende Arbeiten der Arzneimittelabgabe sowie die Dokumentation abgedeckt werden müssten, sei die Höhe "sehr moderat".
Diener stellte mit großer Eindringlichkeit allerdings klar, dass der zukünftige Fixzuschlag kein Beratungshonorar sei, sondern ein Entgelt für fixe Betriebskosten – und die würden weitaus mehr als die Beratung einschließen. (Der Begriff "fixe Betriebskosten" steht den "variablen Betriebskosten" gegenüber, die bekanntlich durch den 3%-igen Aufschlag auf den Einkaufspreis abgedeckt werden.) Fixe Betriebskosten – das seien alle Kosten, die im Rahmen der Aufrechterhaltung und Organisation anfallen.
Kein Massenansturm auf Filial-Apotheken
Gestreift wurden in der Diskussionsrunde auch die Themen Versandhandel, Mehrbesitz und integrierte Versorgung. Dietz erläuterte die im GMG vorgesehenen Liberalisierungen mit dem Hinweis, man wolle den mündigen Bürger nicht mehr als nötig einschränken.
Mit dem Versandhandel werden die Möglichkeiten der Versorgung ausgeweitet, der Verbraucher erhalte mehr Freiheit und Freizügigkeit innerhalb Europas – so wie er eben auch zukünftig überall in der EU zum Arzt gehen könne.
Auf die Nachfrage, dass im Zusammenhang mit den vom Gesetzgeber vorgesehenen Filialapotheken noch viele Ausführungsbestimmungen unklar seien, mahnte Dietz, behördlicherseits keine unnötigen Hürden aufzubauen, sondern Schutz und Regelung nur dort zu veranlassen, wo sie unvermeidlich seien.
Noch in vieler Hinsicht unklar sei auch, was die vom Gesetzgeber gewünschten "integrierten Versorgungsformen" bringen werden. Behnsen stellte fest, es seien in diesem Bereich noch "gewaltige Hürden zu überwinden", die Apotheker sollten das Thema "langsam an sich herankommen lassen". Als eher verhalten schätzt Behnsen das Interesse der Apotheker an Filialapotheken ein. Auch Diener glaubt, dass es nicht zu einem "massenhaften" Andrang bei dem Wunsch nach Filialisierung kommen werde.
Kooperationspartner gründlich prüfen
Einig waren sich alle Diskussionspartner beim Thema "Kooperationen". Besonders drastisch formulierte Diener die Situation: Die bisher üblichen Einkaufsrabatte des Großhandels haben die Apotheker zu einem "bettelnden Volk" gemacht. Aus Sicht des Großhandels genial, denn "eine Bettler-Geber-Beziehung" habe eine "starke Bindungswirkung", so Diener.
Vom neuen Jahr an fallen nun die Großhandelsrabatte weg – der Großhandel habe dann keine Bettler mehr vor sich stehen, sondern müsse eine neue Bindungswirkung erzeugen. Die Lösung liege für viele Großhändler nun im Angebot von so genannten Kooperationen.
Diener: "Sie ziehen über Land und verbreiten Angst und Panik." Ist der Apotheker erst mal voll in Panik, biete man ihm eine "Lösung", die natürlich "ein bisschen was kostet". Diener empfahl: "Die besten Kooperationspartner sind die Apothekerkammern und Apothekerverbände unter dem Dach der ABDA."
Optimistisch in die Zukunft
"Bewerten Sie die Zukunftschancen der Apotheke auf einer Skala von 1 bis 10 – wobei 1 für hohes Risiko steht und 10 für volle Chance", forderte Ditzel die Podiumsteilnehmer am Ende der Diskussionsrunde auf. Das Ergebnis war "Optimismus pur": Mit 7 – 8 lag Johanns, die ihre Zahlen jedoch als erste nannte, noch im tiefsten Bereich. Henke setzte auf "8", Diener und Behnsen gar auf "9-10", vorausgesetzt, der Apotheker lebe und gestalte vor allem seine heilberufliche Seite.
Der Ministeriumsvertreter Dietz enthielt sich einer Zukunftsbewertung in Zahlen, ließ die Zuhörer jedoch wissen, dass die jetzige Ausgangssituation für die Apotheker "ein Signal zum Aufbruch" bedeute und er die Apotheker als Zukunftsgewinner sehe, wenn es diesen gelinge, ihr Umfeld für sich zu gewinnen und das Gesundheitssystem als Ganzes zu sehen.
Die bisherigen Einkaufsrabatte haben die Apotheker zu einem bettelnden Volk gemacht. Dr. Frank Diener
Jetzt hat der Großhandel keine Bettler mehr vor sich stehen, er muss eine neue Bindungswirkung erzeugen. Dr. Frank Diener
Die neuen Regelungen zum Mehrbesitz sind ein Zugeständnis an die Realität, an das Leben. Ulrich Dietz
Es gibt keinen Beruf, der unfehlbar ist. Dr. Gerhard Behnsen
Die Einführung des Versandhandels hat nichts mit Sparen zu tun, es gibt einen breiten Konsens dafür. Ulrich Dietz
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