Arzneimittelhilfe

A. PetersenDas Ökomenische Pharmazeutische Netzwerk

In vielen wirtschaftlich armen Ländern ist die staatliche Gesundheitspolitik aufgrund von mangelnden Finanzen, mangelndem Know-how, mangelnder Infrastruktur, Bürgerkriegen, Naturkatastrophen usw. nicht sehr erfolgreich. So kommt es, dass heute in nicht wenigen afrikanischen Ländern die meisten Gesundheitseinrichtungen von kirchlichen Trägern verantwortet werden. Dort sind die Kirchen die einzigen Organisationen, deren Infrastruktur bis in die Dorfebenen permanent vorhanden ist, im Gegensatz zu den labilen Regierungsstrukturen, die immer wieder wechseln. Um das Problem der Arzneimittelversorgung kümmert sich das Ökumenische Pharmazeutische Netzwerk (EPN), dessen Vorstand am 28. Juni 2003 im Deutschen Institut für Ärztliche Mission (DIFÄM) in Tübingen zusammengekommen war.

Beispiel Kongo

In der Demokratischen Republik Kongo, die sieben Mal größer ist als Deutschland, liegen mehr als 50 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in den Händen von kirchlichen Trägern, doch reichen diese bei weitem nicht aus, um eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Tuberkulose-Sterblichkeitsrate ist die vierthöchste in ganz Afrika, einfache Infektionskrankheiten raffen die Menschen dahin. Hinzu kommt die AIDS-Epidemie: 60 Prozent aller Krankenhausbetten sind mit HIV/AIDS-Patienten belegt.

Arzneimittel sind, wenn überhaupt, in nur unzureichender Menge und Qualität vorhanden. Dr. Leon Kintaudi, Leiter der Gesundheitsarbeit der evangelischen Kirche im Kongo, der dort für 86 Krankenhäuser, 602 Gesundheitszentren und über 1000 Gesundheitsposten zuständig und damit für 12 Millionen Menschen verantwortlich ist, berichtet über die Hauptprobleme bezüglich Arzneimittel:

"Ein System zum Arzneimittelvertrieb fehlt völlig, die schlechte Infrastruktur verhindert, dass die Medikamente dorthin gelangen, wo sie benötigt werden. Die Medikamente werden von überall her importiert, und ihre Qualität ist oft fragwürdig. Außerdem sind die Arzneimittel zu hoch besteuert und vieles mehr."

Als Gründe für diese Situation nannte er u. a. die instabile politische Lage (Bürgerkrieg), Armut und das Fehlen von wichtigen Grundinformationen zu Gesundheit und Arzneimitteln in der Bevölkerung.

Leon Kintaudi ist Mitglied im EPN, "weil es uns brauchbare Erfahrungen anderer Länder vermitteln und uns mit Personen und Gruppen verbinden konnte, von denen wir vorher nichts wussten. Diese beraten und unterstützen uns jetzt, um Wege zu finden, wie wir unsere Probleme im Kongo lösen können".

Aufgaben, Ziele und Struktur des EPN

Das EPN hat eine 55-jährige Geschichte. Den Mitgliedern ist es wichtig, gerechte und nachhaltige Versorgungsstrukturen der kirchlichen Gesundheitssysteme zu entwickeln, insbesondere durch Gesundheitszentren oder bestimmte Programme. Dabei geht es auch um eine Verbesserung der Politik, des Managements und des Gebrauchs von Arzneimitteln.

Die Mitgliedschaft beim EPN ist offen für christliche Gesundheitsorganisationen, Beschaffungsstellen, kirchliche Gesundheitseinrichtungen, Lieferanten kostengünstiger unentbehrlicher Medikamente und mit der Kirche verbundene Spenderorganisationen.

Mitglieder kommen vor allem aus afrikanischen, aber zum Teil auch aus europäischen Ländern. Mitglieder aus Deutschland sind unter anderem die DIFÄM-Arzneimittelhilfe (AMH) in Tübingen, die Action Medeor und die Wirtschaftsstelle Evangelischer Missionsgemeinschaften.

Die Vorstandsmitglieder des EPN treten dreimal im Jahr zur engeren Projektbegleitung mit der in Kenia ansässigen EPN-Koordinatorin zusammen und nehmen den Arbeits- und Finanzbericht entgegen. EPN-Länderstützpunkte (Country Focal Points), die die Aktivitäten eines jeden Landes koordinieren, gibt es inzwischen in 15 Ländern (außerhalb Afrikas in Deutschland und in Moldawien). Die AMH ist der EPN-Stützpunkt in Deutschland. Der Leiter der AMH, Albert Petersen, nimmt seit Ende 2002 die Position des ersten Vorsitzenden des EPN-Vorstands wahr.

Das Netzwerk verbreitet Informationen über eine eigene Website www.epnnetwork.org und eine eigene Zeitschrift "Pharmalink".

Bekämpfung von HIV/AIDS

In den nächsten drei Jahren planen die Mitglieder des EPN insbesondere im Bereich HIV/AIDS gemeinsame Projekte: Bei den Kirchenleitungen möchte man ein Bewusstsein für eigene sofortige Kraftanstrengungen erreichen. Darüber hinaus sollen Schulungsprogramme für Gesundheitspersonal und Patienten durchgeführt werden, um eine sichere Grundlage für den Gebrauch antiretroviraler Präparate zu schaffen.

Es ist auch notwendig, politischen Druck auf die eigenen Regierungen in Süd und Nord auszuüben, um die lebensrettenden Präparate zu akzeptablen Preisen verfügbar zu machen. Das Ergebnis einer EPN-Umfrage (nicht repräsentativ) zur HIV/AIDS-Therapie zeigt, wie unterschiedlich die Situation in einzelnen Ländern ist und wie groß der Handlungsbedarf: zum einen im Bereich der Aus- und Fortbildung, zum anderen im Bereich der Verfügbarkeit von antiretroviralen Medikamenten.

All dies soll durch Maßnahmen begleitet werden, die die große Bedeutung der Prävention und das Überwinden des Stigmas in den Vordergrund stellen.

Schirmherrschaft der Landesapothekerkammer

Im Rahmen der Sitzung des EPN-Vorstands in Tübingen stellte man der Öffentlichkeit die Arbeit des EPN und die pharmazeutischen Probleme der Länder, die die Vorstandsmitglieder vertreten, vor. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg übernahm die Schirmherrschaft über den Abend, der unter dem Motto "Arzneimittelversorgung in wirtschaftlich armen Ländern" stand.

Als Vorstandsmitglied der LAK führte Apotheker Dr. Lutz Vogel, Zentralapotheke Ostfildern, in seinem Grußwort aus, wie sehr er selbst bei seiner zweijährigen Tätigkeit im Muhimbili Hospital Tansanias mit der Arzneimittelspendenpraxis konfrontiert worden war. Bergeweise Kartons mit unsortierten Arzneimittelspenden warteten dort auf ihn. Die allermeisten Arzneimittel waren nicht verwendbar. Sie waren entweder verfallen oder nicht für die Behandlung der vor Ort auftretenden Krankheiten geeignet.

Das DIFÄM hat durch viele Informationen und Faltblätter über dieses Thema maßgeblich dazu beigetragen, dass solche unsäglichen Praktiken im Großen und Ganzen der Vergangenheit angehören. Auch die LAK hat diese bewusstseinsbildenden Maßnahmen unterstützt und das Faltblatt "Arzneimittel spenden, aber wie?" für Privathaushalte mitherausgegeben (die Faltblätter können Sie unter amh@difaem.de bestellen).

Mehr pharmazeutische Aus- und Fortbildung

Dr. Eva Ombaka, eine tansanische Apothekerin, ist seit über zehn Jahren Koordinatorin des EPN in Nairobi, Kenia. Sie berichtete, dass das Netzwerk es als eine dringende Aufgabe ansieht, die pharmazeutische Ausbildung zu fördern – es unterstützt z. B. eine PTA-Schule in Nairobi und führt internationale Kurse zum rationalen Gebrauch von Arzneimitteln durch –, denn in den meisten afrikanischen Ländern gibt es nur sehr wenige Pharmazeuten.

Über 70 Prozent der Apotheken in den Missionskrankenhäusern Tansanias und Kenias werden von angelernten Krankenschwestern organisiert, wie eine EPN-Studie ergab.

Das EPN führte verschiedene Untersuchungen und Studien durch, unter anderem Medikamentenverbrauchsstudien in Swaziland, Nigeria und Kenia, eine Studie zum Bedarf von Pharmazeuten in Kamerun sowie eine umfangreiche Studie zu Strukturen des gemeinnützigen zentralen Vertriebs von Arzneimitteln in allen Ländern südlich der Sahara.

Um für die Problematik der Verfügbarkeit von Arzneimitteln zu sensibilisieren, ist die Zusammenarbeit mit Initiativen wie der Ecumenical Advocacy Alliance oder Kampagnen unerlässlich. Es bestehen auch enge Kontakte zu Health Action International (HAI) und der Weltgesundheitsorganisation sowie anderen Organisationen.

Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit sind

  • Schulungen der Kirchenleitungen zum Thema HIV/AIDS einschließlich der medikamentösen Therapie,
  • Vertrieb und Gebrauch von Arzneimitteln,
  • Stärkung der pharmazeutischen Kapazitäten in einzelnen Ländern und
  • Ausbau des EPN in den frankophonen Ländern.

Moldawien informiert ganz Osteuropa

Frau Dr. Natalia Ceboterenco, Chisinau (Kischinew), ist die Leiterin von "Drug Info Moldova", dem Medikamenteninformationsdienst von Moldawien und EPN-Stützpunkt für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Sie sagte: "Wir haben uns zahlreiche Ziele gesetzt. Wir möchten ein System des rationalen Gebrauchs unentbehrlicher Arzneimittel auf Basis einer breiten Information aufbauen, Maßnahmen zur Vorbeugung von HIV/AIDS und der Behandlung von AIDS-Kranken entwickeln und Untersuchungen zu Aspekten des Arzneimittelgebrauchs, HIV/AIDS und Basisgesundheit initiieren."

Um diese Ziele zu erreichen, hält das Netzwerk Seminare ab, z. B. zum Thema "Kirchliche Initiativen in Basisgesundheitsarbeit, HIV/AIDS und Tuberkulose".

Über E-Mail ist "Drug Info Moldova" mit über 300 Medizinern und Pharmazeuten in russischsprachigen Ländern verbunden und versorgt sie mit relevanten Informationen zum Beispiel von der WHO, EPN, HAI und dem Internationalen Netzwerk zum Rationalen Arzneimittelgebrauch.

Spenden für das EPN Das Ökumenische Pharmazeutische Netzwerk (EPN) bittet die deutsche Apothekerschaft um ihre Unterstützung.

Spenden mit dem Vermerk "EPN" werden erbeten an: Deutsches Institut für Ärztliche Mission, Spendenkonto 406660 (BLZ 600 606 06), Evangelische Kreditgenossenschaft

Zuwendungsbestätigungen werden selbstverständlich ausgestellt.

DIFÄM-Arzneimittelhilfe

Das Deutsche Institut für Ärztliche Mission (DIFÄM, www.difaem.de) ist eine Fachstelle für weltweite Gesundheitsarbeit, die sich gezielt für Menschen einsetzt, die keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Sie berät Hilfswerke und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit bei der Umsetzung von Gesundheitsprojekten und unterstützt und führt selbst Hilfsprojekte für Menschen mit AIDS, Tuberkulose, Malaria, Lepra und Behinderungen durch.

Der Arbeitszweig der Arzneimittelhilfe wurde 1959 gegründet und versorgt seitdem Gesundheitsdienste in über 90 Ländern der Welt mit unentbehrlichen Medikamenten und medizinischem Material. Damit die Medikamente zu einer wirksamen Hilfe werden, orientiert sich das DIFÄM an den Leitlinien für Arzneimittelspenden der Weltgesundheitsorganisation.

Der direkte Kontakt zu den Empfängern und die Klärung des Bedarfs stehen dabei an erster Stelle. Als staatlich anerkannte "Zentrale Beschaffungsstelle für Arzneimittel" kann das DIFÄM fehlende Basismedikamente besonders günstig einkaufen. Darüber hinaus unterstützt die Arzneimittelhilfe die lokale Arzneimittelherstellung in wirtschaftlich armen Ländern mit Rohstoffen, Geräten und Ausbildung und leistet so Hilfe zur Selbsthilfe.

Für einen effizienten und bestimmungsgerechten Einsatz seiner Spenden hat das DIFÄM das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstitutes für Soziale Fragen (DZI) erhalten.

EPN – eine 55-jährige Geschichte 1948 wurde in Genf der Ökumenische Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, World Council of Churches, WCC, Conseil oecuménique des Eglises, COE) gegründet. Ihm gehören heute 342 verschiedene Kirchen aus über 120 Ländern an. 1963 und 1967 fanden im DIFÄM in Tübingen auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen und des Lutherischen Weltbundes zwei Konsultationen statt.

Internationale Experten aus kirchlichen und medizinischen Institutionen diskutierten über Fragen nach der Rolle der Kirche in den Bemühungen um Gesundheit, Heilung und Ganzheit. Die Ergebnisse wurden als "Tübingen 1" und "Tübingen 2" weltweit verbreitet.

1968 gründete der Weltkirchenrat aufgrund der Tübinger Konsultationen die Abteilung "Christliche Medizinische Kommission" (CMC). Sie dient als Koordinationsstelle der weltweiten kirchlich getragenen Gesundheitsarbeit (die Zeitschrift "contact" ist zum Teil online abrufbar unter www.wcc-coe.org/wcc/news/contact.html). Heute ist diese Abteilung eingegliedert in die Sektion "Mission und Evangelisation, Abteilung Gesundheit, Heilen und Ganzheit".

Seit 1981 tagt das pharmazeutische Beratungsgremium (Pharmaceutical Advisory Group, PAG) aus Vertretern kirchlicher Spendenorganisationen, Arzneilieferanten und überseeischer Organisationen einmal jährlich in Genf. Im Laufe der Zeit entwickelte es sich zum Ökumenischen Pharmazeutischen Netzwerk (Ecumenical Pharmaceutical Network, EPN).

1982 – 1985: Erfahrungsaustausch und Entwicklung von Projekten zur Förderung der Versorgung mit unentbehrlichen Arzneimitteln.

1987 – 1991: Förderung des WHO-Konzeptes "Unentbehrliche Arzneimittel".

1992 – 1995: Konzentration auf Fragen zum rationalen Gebrauch von unentbehrlichen Medikamenten in wirtschaftlich armen Ländern. Aufbau einer stabilen Personalstruktur in den einzelnen kirchlichen Programmen.

1996 – 2002: Lobbyarbeit für die Umsetzung des Menschenrechts auf Gesundheitsversorgung, das eine Grundversorgung mit unentbehrlichen Arzneimitteln einschließt.

Ab 2002: Zunehmende direkte Beteiligung der südlichen Partner, die ihre eigenen Programme entwickeln.

Die allgemeine Gesundheitssituation im Kongo ist katastrophal. Das staatliche Gesundheitssystem ist vollständig zusammengebrochen. Über die Hälfte der Bevölkerung von rund 55 Millionen Menschen hat keinen Zugang zur Basisgesundheitsversorgung. Die einzigen Aktiven auf dem Gebiet sind nur noch die Kirchen und einige Hilfsorganisationen. Wenn auch wir die Arbeit einstellten, würde sich in diesem großen Land niemand mehr um die Kranken kümmern. Dr. Leon Kintaudi, Kongo

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