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Recht
C. Glökler, T. GraefeArzneimittelversand nach neuem
Das "alte" Heilmittelwerbegesetz
Das Heilmittelwerberecht, insbesondere das Heilmittelwerbegesetz (HWG) sieht seit jeher gravierende Einschränkungen bei der Arzneimittelwerbung vor. Für nicht rezeptpflichtige Medikamente schränkt z. B. § 11 HWG die Werbemöglichkeiten stark ein, Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist gänzlich verboten (§ 10 HWG).
Die Rechtsprechung ist hier bei der Auslegung des Begriffes "Werbung" sehr rigoros - nicht selten wurde bereits die Nennung des Präparatnamens als bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbotene "Erinnerungswerbung" eingestuft.
Ein Webshop z. B. wäre aber ohne Möglichkeit zur Nennung der Produkte nicht möglich, ganz abgesehen davon, dass es durch § 8 Abs. 1 HWG alte Fassung (a. F.) bislang explizit verboten war, den Bezug apothekenpflichtiger Arzneimittel im Versandwege zu bewerben.
Die Änderung des HWG im GKV-Modernisierungsgesetz war also erforderlich, um den Versandhandel zu ermöglichen. Diese Änderungen bedeuten jedoch nicht unbedingt eine Lockerung der weitreichenden Werbebeschränkungen. Im Folgenden sollen nun die durch das GMG eingeführten Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes erläutert werden.
Die Informationen auf dem Bestellformular
Der in § 1 HWG geregelte Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes wird nach In-Kraft-Treten des GMG durch die neu eingefügten Absätze 5 und 6 zurückgedrängt werden. Für den Versandhandel besonders interessant ist die Regelung in § 1 Abs. 6 HWG n. F., wonach das HWG hier teilweise nicht anwendbar sein soll:
"(6) Das Gesetz findet ferner keine Anwendung beim elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf das Bestellformular und die dort aufgeführten Angaben, soweit diese für eine ordnungsgemäße Bestellung notwendig sind."
Die Freistellung vom HWG bezieht sich also auf die Angaben auf dem Bestellformular, die für eine ordnungsgemäße Bestellung unbedingt notwendig sind.
Es sind damit diejenigen Informationen zulässig, die auch auf Beipackzetteln zu Packungsgröße, Wirkungsweise, Anwendungsgebieten, Nebenwirkungen etc. gegeben werden dürfen, ebenso darf natürlich darauf hingewiesen werden, dass das entsprechende Präparat im Versandwege bezogen werden kann. Dieses Zugeständnis war notwendig, um dem online bestellenden Kunden die richtige Auswahl des Arzneimittels zu ermöglichen.
Nach wie vor bleibt allerdings Werbung - d. h. redundante, auf werbliche Beeinflussung zielende Information - auf dem Beipackzettel wie auch auf dem Bestellformular unzulässig. Um dem Verdacht einer werblichen Beeinflussung vorzubeugen, könnte das Bestellformular z. B. so gestaltet werden, dass dem Verbraucher zunächst nur der Name des Arzneimittels angezeigt wird und er erst in einem weiteren Schritt beispielsweise über einen Link zu dem zugehörigen Beipackzettel gelangt.
Enge Grenzen bei verschreibungspflichtigen Präparaten
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das HWG weiterhin zwischen verschreibungspflichtigen und nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unterscheidet: Für verschreibungspflichtige Arzneimittel muss es bei den oben beschriebenen Bestellformular-Informationen verbleiben - mehr erlaubt die in § 1 Abs. 6 HWG n. F. vorgesehene Ausnahme von der Anwendbarkeit des HWG nicht.
Für darüber hinausgehende Informationen ist das Heilmittelwerbegesetz weiterhin anwendbar, d. h. das Verbot des § 10 HWG greift. Gleiches gilt natürlich für Arzneimittel zur Beseitigung von Schlaflosigkeit, psychischen Störungen oder zur Beeinflussung der Stimmungslage. Es ist daher jegliche werbliche Darstellung - auch die bildliche Darstellung der Verpackung - zu unterlassen.
Für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt § 10 HWG nicht, so dass diese auch mit bildlicher Wiedergabe dargestellt werden dürfen. Bei homöopathischen Arzneimitteln, die nach dem AMG registriert sind, ist jedoch § 5 HWG zu beachten, der die Angabe von Anwendungsgebieten verbietet.
Informationspflicht
Unabhängig von der Rezeptpflichtigkeit des Medikamentes muss der Verbraucher in der Lage sein, sich die notwendigen Informationen zu verschaffen - dies kann er über den Beipackzettel tun, der für jedes auf der Internetseite der Apotheke angebotene Arzneimittel abrufbar sein sollte. Schon aus Gründen der Arzneimittelsicherheit darf der Apotheker dieses Informationsangebot nicht nur auf die Präparate beschränken, die sich durch besonders wenige Nebenwirkungen auszeichnen.
Da der Apotheker auch über aktuelle Risiken eines Arzneimittels informieren muss, die ggf. noch nicht im Beipackzettel enthalten sind, ist ein weiterer Link anzubieten, auf dem neue Informationen zu dem jeweiligen Arzneimittel ständig aktualisiert werden.
Verbraucheranfragen
In Zukunft wird das Beantworten konkreter Anfragen zu einem bestimmten Arzneimittel zulässig sein, ebenso wie das Versenden hierzu notwendiger Unterlagen, § 1 Abs. 5 HWG n. F. Allerdings wird dies durch die Maßgabe eingeschränkt, dass es sich nicht um Unterlagen handeln darf, die Werbezwecken dienen.
Konkret soll damit Verbrauchern die Möglichkeit eröffnet werden, sich mit Fragen zu bestimmten Arzneimitteln an die Hersteller oder Apotheker zu wenden und weitere Informationen anzufordern. In solchen Fällen geht die Anfrage von Verbrauchern aus, die schon vorinformiert sind und sich aus eigener Veranlassung an den Hersteller oder den Apotheker wenden.
Wie schon seit längerem auf europäischer Ebene geht nun auch der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass Verbraucher verständig und aufgeklärt genug sind, selbst Informationen zu beschaffen und diese richtig zu bewerten. Grundsätzlich dürfte es auch zulässig sein, auf solche Anfragen hinzuwirken, wie etwa durch eine Erweiterung der bekannten Aufforderung "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker".
Ein befragter Hersteller muss sich allerdings auf die objektive Information beschränken und auf das konkrete Arzneimittel, auf das sich die Anfrage bezieht. Weitergehende Empfehlungen oder gar Informationen über alternative Arzneimittel dürfen nicht gegeben werden; dies obliegt weiterhin dem Arzt oder Apotheker.
Versandhandel und Preisgestaltung
Die bisher bereits existenten Versandapotheken haben stets nach Möglichkeiten gesucht, Kunden neben dem Lieferservice weitere Vorteile zu bieten. 0800DocMorris beispielsweise hatte mit Zuzahlungserlass geworben.
Mit allgemeiner Freigabe des Versandhandels stellt sich nun für alle Apotheker die Frage, wie Kunden an die eigene Apotheke gebunden werden können. Dass eine solche Bindung nicht allein über die übliche Packung Taschentücher zur Winterzeit gelingen kann, liegt auf der Hand. Gerade im Hinblick auf die geplanten Änderungen durch die Gesundheitsreform werden Apotheker über Modelle nachdenken, durch die sich eine Bindung der Kunden realisieren lässt.
§ 7 HWG verbietet Zuwendungen und Werbegaben, die mehr als nur geringwertig sind. Zu beachten ist jedoch, dass das Heilmittelwerbegesetz grundsätzlich nur anwendbar ist, wenn durch die Zuwendung oder sonstigen Werbegaben für ein konkretes Heilmittel geworben wird, also wenn beispielsweise Beigaben abgegeben werden, auf denen die Marke eines Heilmittels deutlich und dauerhaft aufgedruckt ist.
Andere Werbemittel ohne konkreten Bezug zu einem Heilmittel fielen bisher unter die Zugabeverordnung, so etwa das kostenlose Abgeben von Stofftragetaschen. Man könnte also argumentieren, dass das Versprechen des Zuzahlungserlasses regelmäßig nicht auf ein konkretes Heilmittel abzielt, so dass § 7 HWG hier nicht anwendbar wäre.
Seit der Aufhebung der Zugabeverordnung im August 2001 stellt sich allerdings die Frage, ob überhaupt eine Begrenzung für Werbegaben ohne Bezug zum Heilmittel existiert. Dabei ist festzustellen, dass mit dem Wegfall zwar die Möglichkeit eröffnet worden ist, in weiterem Umfang als zuvor Zugaben zu gewähren, die Möglichkeiten sind jedoch keineswegs unbegrenzt.
Nach wie vor fordert das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dass Ware und Werbegabe nicht in einem Missverhältnis zueinander stehen dürfen. Ein Missverhältnis zwischen Ware und Werbegabe besteht, wenn der Kunde durch die Beigabe unsachlich beeinflusst wird und eine Entscheidung nicht mehr im Hinblick auf Preiswürdigkeit der Ware, sondern den in Aussicht gestellten Vorteil trifft.
Ein genauer Wert, wann ein Missverhältnis entsteht, lässt sich nicht festsetzen. Allerdings hat der BGH das Überschreiten der Geringwertigkeitsgrenze schon bei verschenkten Stofftragetaschen im Wert von DM 1,50 bejaht.
Selbst wenn nun die Grenze nicht mehr ganz so eng gezogen wird, kann der Erlass der Zuzahlung im Einzelfall deutlich über diese Geringwertigkeitsgrenze hinausgehen und damit ein Missverhältnis begründen. Letztlich dürfte der Zuzahlungserlass einen nicht unerheblichen Anreiz darstellen, sodass Kunden dazu tendieren werden, eher solche Apotheken aufzusuchen, in denen die Zuzahlung erlassen wird.
Dadurch würden andere Apotheker gezwungen, gleichzuziehen. Es ist daher davon auszugehen, dass der breite Erlass der Zuzahlung als wettbewerbswidrig einzustufen ist - letztendliche Klarheit wird jedoch erst die Entwicklung der Rechtsprechung bringen.
Nicht alle Versandformen sind erlaubt
Der Apotheker darf grundsätzlich für sein Versandangebot werben - zumindest dann, wenn sein Versand dem gesetzlichen Leitbild entspricht. Das allgemeine Werbeverbot für den Arzneimittelversand in § 8 Abs. 1 HWG a. F. wurde daher gestrichen. In der früheren Form erhalten bleibt jedoch das Verbot der Bewerbung des Arzneimittelbezugs im Wege des Teleshopping und der Einzeleinfuhr nach § 73 AMG.
Fazit
Insgesamt betreffen die Änderungen des HWG fast ausschließlich den Versandhandel. Über die Bestellformular-Informationen hinaus ist eine wesentliche Lockerung der strengen Werbevorschriften im GMG jedoch nicht vorgesehen, sodass auch weiterhin Werbung nur sehr eingeschränkt betrieben werden darf.
Allerdings sollte die Werbewirkung eines ansprechenden und benutzerfreundlichen Internet-Auftritts nicht unterschätzt werden. Kunden, die das Angebot "ihrer" Apotheke im Internet attraktiv finden, werden eher geneigt sein, diese auch in Zukunft aufzusuchen.
Der Internet-Auftritt kann insbesondere durch Werbung für solche Angebote, die nicht dem Werbeverbot unterfallen, deutlich aufgewertet werden, etwa auch durch Hinweise auf Produkte zur Nahrungsergänzung, Schönheitspflege und sonstigen Wellnessprodukten.
Im nachfolgenden Beitrag wird die Sicherung der Arzneimittelversorgung im Mittelpunkt stehen.
In dem vorangegangenen Beitrag dieser Serie waren die Grundstrukturen des Arzneimittelversandes dargestellt worden. Der Apotheker tritt dabei mit seinem Versandhandelsangebot automatisch in Kontakt mit Kunden – Werbeeffekte sind dabei nicht auszuschließen, wenn nicht gar erwünscht. Soweit von diesen Werbeeffekten auch die zum Versand angebotenen Arzneimittel erfasst sind, muss sich das Versandhandelsangebot auch am Heilmittelwerbegesetz messen lassen.
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