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- DAZ 49/2003
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Die Seite 3
Sie witterten schon Morgenluft – die falschen Propheten. Eigentlich hatten sie darauf gehofft, dass ihnen die Apothekerinnen und Apotheker zuströmen und nachlaufen würden, wie die putzigen nachtaktiven Nager und die Kinder dem flötenden Rattenfänger von Hameln. Dann kam es erstens anders und zweitens als man denkt: kein Fremdbesitz – und Mehrbesitz auch nur sehr eingeschränkt, unter stark eingegrenzten Bedingungen.
Was tun mit all den schönen "Kooperationskonzepten"? Sie einfach in den Schubladen liegen lassen – in der Hoffnung auf bessere (?) Zeiten? Oder trotzdem an den Markt mit den Konzepten, so richtig Gas geben? Manches in den Köpfen der cleveren Unternehmensberater, mancher Großhändler und vieler Kooperationsmanager sprach ja wirklich für die letzte Alternative.
Immerhin hatte man schon viel investiert – nicht nur Grips, schlimmer noch: auch Geld. Und: durfte man nicht hoffen, dass die vom Beitragssatzsicherungsgesetz gebeutelten und vom GKV-Modernisierungsgesetz verunsicherten Apothekerinnen und Apotheker in großer Zahl ansteuern würden, was ihnen vielleicht wie ein sicherer Hafen erschien – die Flucht in die eine und/oder andere Kooperation? Eine Zeitlang schien es (oder wurde von interessierter Seite nur der Eindruck erweckt?), als würde dieses Kalkül aufgehen. Inzwischen hat sich der Rummel beruhigt, Nüchternheit macht sich breit. Nach dem Kooperationen-Hype der Kooperationen-Kater?
Es wäre verständlich. Dazu muss man sich nur anschauen, mit welcher Dreistigkeit manche der Kooperationen und einige der Kooperationsmanager ihren Schützlingen in die Tasche greifen. Da werden zum Teil für lächerliche Leistungen abenteuerliche Monatsbeiträge abgegriffen – das gleiche Geld reicht, um ein halbes oder ein Jahr Mitglied im Verband zu sein, nur dass man dort in aller Regel eine ordentliche Gegenleistung erwarten darf.
Brauchen die deutschen Apotheken endlich Dachmarken, damit sie nicht mehr so im Regen stehen? Ich sehe dazu keinerlei Notwendigkeit, ich sehe sogar eher Risiken. Jeder von uns hat das Apotheken-A – und den guten Namen seiner Apotheke. Da lohnt es zu investieren – mit Einsatz und auch Geld.
Sofern die Kooperationen auch am Warengeschäft mit ihren Apotheken beteiligt sind, sollten wir auch einen leicht zu übersehenden Interessenskonflikt im Auge haben: Manche Kooperationsmanager, die mit entsprechenden Verträgen im Rücken vor allem auf hohe Absatzmengen schielen, werden versucht sein, "ihre" Apotheken zu Preiszugeständnissen zu bewegen. Eine Falle: denn die Apotheker müssen vor allem auf Rendite achten; relevante Preiszugeständnisse renditemäßig durch Ausweitung der Absätze auszugleichen, ist jedoch extrem schwer – ganz abgesehen davon, dass damit eine Preisspirale in Gang kommen könnte, die am Ende nur Verlierer kennt.
Worauf können die Kooperationen und Dachmarken noch hoffen? Am ehestens noch darauf, dass wir Pharmazeuten in ökonomischen Fragen manchmal etwas blauäugig, noch wenig aufgeklärt sind. Aufklärung, sagt Kant in einem seiner schönsten Texte, sei "der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Unmündigkeit sei das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet sei die Unmündigkeit, wenn ihre Ursache nicht an einem Mangel an Verstand, sondern an dem Mangel an Entschlusskraft und Mut liege, sich des eigenen Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Trifft doch mehr oder weniger alles für uns zu – oder?
"Sapere aude! Habe den Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" Das ist, so Kant, der Wahlspruch der Aufklärung. Es könnte auch unser Wahlspruch sein. Dem süßen Gift so mancher Kooperation würden wir damit sicher weniger leicht auf den Leim gehen.
Klaus G. Brauer
Falsche Propheten
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