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DAZ aktuell
Arzneimittelfälschungen: Neue Testmethoden für AIDS-Medikamente
Der GPHF ist eine Initiative der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland, die sich insbesondere der Qualitätskontrolle und -sicherung der Arzneimittelversorgung in Entwicklungsländern angenommen hat. Arzneimittelfälschungen sind dabei ein besonderes Problem.
Dr. Carola Fink-Anthe, stellvertretende Vorsitzende des GPHF, mangelt es nicht an Beispielen: So starben 1995 in Niger 2500 Menschen, weil bei einer Meningitis-Epidemie ein verfälschter Impfstoff eingesetzt wurde. 1999 kamen in Kambodscha mindestens 30 Menschen durch gefälschte Anti-Malaria-Mittel ums Leben. 2002 schlossen die Behörden in China 1300 illegale Arzneimittelbetriebe.
Infolge der gefälschten Präparate können viele Patienten nicht richtig behandelt werden – das lässt das Vertrauen in die Arzneimitteltherapie schwinden und Resistenzen wachsen, so Fink-Anthe. Zudem werden Ressourcen für Wirkungsloses verschwendet und nicht zuletzt auch die Pharmaindustrie geschädigt.
Die Fälscher sind kaum zu finden. Doch das sollte nicht davon abhalten, weiter gegen sie zu kämpfen. Nötig sei unter anderem die Schaffung eines Problembewusstseins, eine intensivere internationale Zusammenarbeit und eine konsequente polizeiliche und strafrechtliche Verfolgung, so die GPHF-Vize-Vorsitzende. Auch müssten Arzneimittel möglichst fälschungssicher gemacht und die Kontrollen verbessert werden.
Fälschungsquoten zuweilen über 70 Prozent
Seit fünf Jahren hilft der GPHF mit seinen "Minilabs" (kleine mobile Laborausrüstungen) Arzneimittelfälschungen zu identifizieren. Die GPHF-Vorsitzende Dr. Gabriele Küsters zieht eine positive Zwischenbilanz: Mit dem mobilen und tropentauglichen Kompaktlabor können nunmehr 36 der in Entwicklungsländern am häufigsten eingesetzten Arzneimittelwirkstoffe untersucht werden.
Küsters berichtet von ernüchternden Fallstudien: In Indien seien etwa 167 Arzneimittelproben getestet worden – fünf Fälschungen wurden entdeckt. In Mali fanden sich unter 250 Proben 14 Fälschungen und 12 Substandards. Bei einer Untersuchung der Qualität von Malaria-Medikamenten in acht Ländern der Sub-Sahara war der Wirkstoff in bis zu 67 Prozent der Arzneimittel in nicht ausreichender Qualität und/oder Quantität vorhanden.
Bei einzelnen Mitteln setzten gar bis zu 100 Prozent gar keinen Wirkstoff frei. In Kamerun wurden bei der Untersuchung von 70 Proben eines Malaria-Präparates 52 Fälschungen und Substandards entdeckt.
Neue Tests für sechs AIDS-Medikamente
Durch die Unterstützung einer Vielzahl von Projektpartnern im In- und Ausland sind mittlerweile mehr als 130 Minilabs weltweit im Einsatz. Sie sollen vor allem staatlichen Aufsichtsbehörden, Krankenhäusern und Gesundheitsprojekten die Möglichkeit bieten, Patienten vor der Gabe gefälschter und damit gesundheitsgefährdender Medikamente zu schützen.
Die Materialkosten für eine Probe belaufen sich auf zwei US-Dollar – in einem qualitätskontrollierten Labor würden hierfür leicht 500 US-Dollar fällig, erklärte Küsters. Mithilfe des Minilab können u. a. Malariamittel, TB-Medikamente, Antibiotika, Antiasthmatika, Antiallergika und Analgetika geprüft werden. Neu dazu gekommen sind in diesem Jahr Tests für Didanosin, Indinavir, Lamivudin, Nevirapin, Stavudin und Zidovudin.
Der größte anzunehmende Unfall
Dr. Richard Jähnke, Apotheker und Projektleiter des GPHF-Minilabs, erläuterte die Möglichkeiten des mobilen Labors im Kofferformat: Neben einer Sichtprüfung können eine Zerfallsprüfung, ein Farbreaktionstest und eine Dünnschichtchromatographie durchgeführt werden.
Das Minilab enthält alle nötigen Laborgeräte, Referenzstandards, Reagenzien und Handbücher und es benötigt keine externen Energiequellen. Ein Einsatz ist daher innerhalb kurzer Zeit an nahezu jedem Ort der Welt möglich. Die zukünftigen Nutzer werden durch Trainingskurse innerhalb weniger Tage in die Handhabung der Tests eingeführt.
Jähnke sieht sich als Apotheker besonders berufen, die Arzneimittelversorgung in Entwicklungsländern zu verbessern. Denn Aufgabe des Apothekers sei es schließlich, die Arzneimittelqualität sicherzustellen. Fälschungsraten von bis zu 70 Prozent seien der "größte anzunehmende Unfall", so Jähnke: "Stellen Sie sich vor, ein Apotheker in Deutschland würde in 70 Prozent aller Fälle die falsche Schublade ziehen"..
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