Recht

T. Graefe et. al.Arzneimittelversand nach neuem Rech

Die Sicherung des Zugangs zu Arzneimitteln, die qualitative und quantitative Sicherung der Arzneimittelbereitstellung und -abgabe sind Komponenten der Arzneimittelversorgung. Während der Vorbereitung des GKV-Modernisierungsgesetzes waren es insbesondere Bedenken hinsichtlich der Gefährdung der Arzneimittelversorgung, die gegen den Versandhandel ins Feld geführt wurden. Zu Recht hat die Volksgesundheit beim Gesetzgeber einen hohen Stellenwert und darf auch bei der Versendung von Arzneimitteln nicht in Frage gestellt werden. Der Arzneimittelversand ist daher strengen Richtlinien unterworfen, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Sicherung der Arzneimittelversorgung in der Offizin-Apotheke

Die Arzneimittelversorgung in einer Offizin-Apotheke wird insbesondere durch folgende gesetzliche Vorgaben gesichert:

  • Zugang zur Apotheke für jedermann,
  • Verpflichtung des Apothekers zum Führen des Vollsortimentes,
  • persönliche Beratung des Kunden,
  • Verpflichtung zur Aufrechterhaltung eines Meldesystems,
  • unmittelbare Einschätzung des Kunden durch persönlichen Kontakt.

Die Offizin-Apotheke ist während der Öffnungszeiten jedermann zugänglich. Die Vielzahl bestehender Apotheken sichert flächendeckend den Zugang eines jeden Einzelnen zu den von ihm benötigten Arzneimitteln.

Die Beratungspflicht des Apothekers ist wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung der Arzneimittelversorgung.

Gleichzeitig ist die Apotheke neben dem Arzt Anlaufstelle für Rückmeldungen. Sie nimmt insbesondere Hinweise auf nicht in der Packungsbeilage enthaltene Nebenwirkungen oder Risiken von Arzneimitteln entgegen. Die Mitteilung gegenüber dem Apotheker bewirkt, dass diese Informationen auch den Hersteller des Arzneimittels erreichen. Gleichzeitig ist der Apotheker durch diese Rückmeldungen stets über aktuelle Risiken zu einem Arzneimittel informiert.

Die Verpflichtung des Apothekers, ein Vollsortiment zu führen, führt dazu, dass jedes Arzneimittel innerhalb kürzester Zeit an den Kunden abgegeben werden kann.

Die Apotheke stellt sicher, dass das Medikament den Bedürftigen erreicht. Reicht der Kunde ein Rezept ein, ist offenkundig, dass er das Präparat selbst benötigt oder als empfangsberechtigte Person für den Patienten auftritt.

Sicherung der Arzneimittelversorgung in der Internet-Apotheke

Der bloße Internet-Shop kann die Anforderungen an die Sicherung der Arzneimittelversorgung nicht in allen Punkten erfüllen. Das Internet ist zwar für jedermann von jedem Ort und zu jeder Zeit zugänglich, der fehlende persönliche Kontakt kann jedoch die Qualitätssicherung beeinträchtigen und zu Missbräuchen führen.

Die Gegenüberstellung von Offline- und Online-Apotheke zeigt, dass der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Apotheker ein wesentliches Merkmal der Qualitätssicherung darstellt.

Lässt der Gesetzgeber Versandapotheken, insbesondere Internetapotheken zu, so muss er durch geeignete Maßnahmen sicher stellen, dass die Maßgaben zur Qualitätssicherung, die eine Offizin-Apotheke nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Kontaktes mit dem Kunden erfüllt, in gleicher Weise eingehalten werden. Abstriche an der Sicherung der Arzneimittelversorgung darf es allein wegen der Besonderheiten des Mediums Internet nicht geben.

Sicherung des Zugangs zu Arzneimitteln

In § 11a Nr. 1 Apothekengesetz in der neuen Fassung (ApoG n. F.) schreibt der Gesetzgeber vor, dass der Arzneimittelversand aus der Offizin-Apotheke heraus neben dem üblichen Apothekenbetrieb stattzufinden hat.

Die Apothekenbetriebsordnung gibt vor, dass die Räume, in denen die Arzneimittel gelagert und geprüft werden, so eingerichtet und technisch ausgestattet sein müssen, dass der ordnungsgemäße Apothekenbetrieb gewährleistet ist (§ 4 Abs. 1 ApoBetrO n. F.). Die Anforderungen an den ordnungsgemäßen Betrieb einer Internet-Apotheke unterscheiden sich von denen für eine Offizin-Apotheke nicht.

Um den Zugang zu Arzneimitteln zu sichern, schreibt der Gesetzgeber vor, dass eine Internet-Apotheke in der Lage sein muss, jedes bestellte Arzneimittel zu versenden, soweit dies in Deutschland zugelassen und in Verkehr gebracht ist, § 11a Nr. 3b ApoG n. F. und § 17 Abs. 2a Nr. 4 ApoBetrO.

Dies bedeutet nicht, dass der Apotheker sämtliche Arzneimittel, die in Deutschland zugelassen und in Verkehr gebracht worden sind, auf seiner Website anbieten muss. Aber er muss gewährleisten, dass der Kunde die nicht aufgeführten Medikamente des Vollsortimentes außerhalb des ausführlichen Produktkataloges per Einzelanforderung bestellen kann.

Der Verweis auf die Offizin-Apotheke kann kein Argument sein, die Pflicht zur Bereithaltung des Vollsortimentes im Versandwege abzulehnen. Die Internet-Apotheke ist gerade für jene Personen bedeutsam, die keine Möglichkeit haben, eine Offizin-Apotheke aufzusuchen und deshalb im Vertrauen auf die Lieferung des Arzneimittels durch die Internet-Apotheke auch keine andere Person mit der Besorgung des Arzneimittels beauftragen.

Zu den Maßnahmen zur Sicherung des Zugangs zu Arzneimitteln gehört es, dass das ApoG n.F. den Apotheker verpflichtet, das bestellte Arzneimittel an den Kunden oder an eine von dem Kunden benannte empfangsberechtigte Person zu versenden. Der Apotheker muss also auf seiner Website dem Kunden die Möglichkeit geben, empfangsberechtigte Personen zu benennen. Die Lieferung hat dann an diese Person zu erfolgen.

Der Gesetzgeber geht aber noch darüber hinaus. Er verpflichtet den Apotheker, ein Sendungsverfolgungssystem vorzusehen (§§ 11a Nr. 3e ApoG n.F.). Damit wird gewährleistet, dass die Arzneimittel den Kunden bzw. die empfangsberechtigten Personen nachweislich erreichen. Diese Vorgabe dient nicht nur dem Kunden, sie entlastet auch den Apotheker, wenn der Kunde behauptet, ein Arzneimittel nicht erhalten zu haben.

Der Apotheker muss dieses Sendungsverfolgungssystem nicht selbst vorhalten. Er kann sich dritter Unternehmen bedienen, die ein solches System anbieten; es ist bei den meisten Lieferunternehmen Standard. Die Sendungsverfolgung ist notwendig, weil die Übergabe des Arzneimittels in der Offizin-Apotheke, die der Apotheker unmittelbar kontrolliert, im Internet nicht entfallen kann.

Vielmehr verbleibt auch hier die Kontrolle über die Versendung zum Kunden beim Apotheker. Der Apotheker kann und soll in bestimmten Fällen vorsehen, dass der Empfang des Arzneimittels bestätigt wird. Aus Beweislastgründen sollte der Apotheker immer eine Empfangsbestätigung vorsehen. Auch dies ist heute Standard.

Der Apotheker ist auch verpflichtet, Arzneimittel nach deren Bestellung innerhalb von zwei Tagen zu versenden, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Es soll sicher gestellt werden, dass der Kunde in einer überschaubaren Zeit das von im benötigte Arzneimittel erhält. Werden Verzögerungen erkennbar, ist der Apotheker verpflichtet, den Kunden in geeigneter Form zu unterrichten.

Zur Sicherung des Arzneimittelzugangs gehört schließlich auch die gesetzlich geforderte kostenlose Zweitzustellung, auf die der Apotheker auf seiner Website hinweisen sollte.

Beratung

Während die Qualität der Beratung bei der persönlichen Übergabe in den Apothekenräumen durch das Gespräch mit dem Apotheker vor Ort gewährleistet ist, bedarf es im Internet bestimmter Vorgaben, die ein gleiches Maß an Qualitätssicherung gewährleisten. Der Apotheker muss deshalb auch hier eine unmittelbare Beratungsmöglichkeit für den Kunden vorsehen.

Der Gesetzgeber verpflichtet den Apotheker, die Beratung durch pharmazeutisches Personal im Rahmen seiner Geschäftszeiten zu ermöglichen (§ 11a Nr. 2c ApoG n.F.). Gleichzeitig ist ein Meldesystem bereitzuhalten für Arzneimittelrisiken, die die Packungsbeilage nicht erwähnt (§ 11a Nr. 3c ApoG n.F.).

In der Internet-Apotheke kann hierfür ein eigener Bereich eingerichtet werden. Ob der Apotheker ein telefonisches Beratungsangebot auf seiner Website anbietet, wird davon abhängen, ob das pharmazeutische Personal neben dem Betrieb der Offizin-Apotheke in der Lage ist, die Telefonate fachgerecht und mit der notwendigen Eindringtiefe zu beantworten.

Die E-Mail wird als Anfragemedium zu bevorzugen sein. In diesem Fall hat der Apotheker die Möglichkeit, Anfragen nach Ende der Geschäftszeiten der Offizin-Apotheke zu beantworten.

Von besonderer Bedeutung für die Qualitätssicherung ist das Recht der Apothekers, die Versendung eines Arzneimittels abzulehnen, wenn er erkennt, dass zur sicheren Anwendung eines Arzneimittels ein Informations- oder Beratungsbedarf besteht, der nur im persönlichen Gespräch erfüllt werden kann. Der Gesetzgeber stellt also den Arzneimittelversand unter den Vorbehalt der persönlichen Beratung durch den Apotheker. Hier wird die Bedeutung des Apothekers als Vertreter eines Heilberufes deutlich.

Produktinformationen

Wesentliche Produktinformationen über ein Arzneimittel erhält der Kunde durch die im Internet dargestellte Packungsbeilage, die bereits im vorhergehenden Beitrag angesprochen worden war. Die Wiedergabe der Packungsbeilage ist für den Kunden wesentlich, um zu entscheiden, ob ihn Gegenanzeigen, Nebenwirkungen oder besondere Warenhinweise betreffen.

Detaillierte Informationen dürfen nach dem neuen Heilmittelwerbegesetz auf konkrete Anfrage hin ausgegeben werden. Wir meinen, dass eine solche Anfrage vorliegt, wenn der Kunde hierfür einen besonderen Link anklicken muss. Die Packungsbeilage darf dann dem Kunden zugänglich gemacht werden.

Zusammenfassung

Erfüllt der Apotheker die Anforderungen des Gesetzgebers, die an die Internet-Apotheke gestellt werden, so zeigt sich, dass der Versand von Arzneimitteln nicht mit Abstrichen bei der Qualität der Arzneimittelversorgung einhergehen muss. Vielmehr zeigen Anforderungen an die Arzneimittelversorgung, dass das Internet und die Offizin-Apotheke zwei gleichwertige und nebeneinander bestehende Absatzwege für Arzneimittel sein sollen.

Im nächsten Beitrag werden die datenschutzrechtlichen Fragestellungen einer Internet-Apotheke im Mittelpunkt stehen.

Während der Vorbereitung des GKV-Modernisierungsgesetzes waren es insbesondere Bedenken hinsichtlich der Gefährdung der Arzneimittelversorgung, die gegen den Versandhandel ins Feld geführt wurden. Zu Recht hat die Volksgesundheit beim Gesetzgeber einen hohen Stellenwert und darf auch bei der Versendung von Arzneimitteln nicht in Frage gestellt werden. Der Arzneimittelversand ist daher strengen Richtlinien unterworfen, die in dieser Folge näher beleuchtet werden sollen.

Arzneimittelversand nach neuem Recht Bisher erschienene Folgen: Teil 1: Bestandsaufnahme (DAZ Nr. 46, S. 68) Teil 2: Grundlage zur Umsetzung einer Internetapotheke – Strukturen und Abläufe (DAZ Nr. 47 S. 77) Teil 3: Arzneimittelversand und Heilmittelwerbegesetz (DAZ Nr. 48, S. 70)

Begleitend zur Artikelserie finden Sie unter www.apobase.net ein Modell eines Internet-Versandshops für Apotheken. Der Mustershop bietet eine rechtlich kommentierte, vor allem aber visualisierte Auseinandersetzung mit den Regelungen über den Arzneimittelversand

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