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Protestveranstaltung in Bayern: Der Großhandelsabschlag kann von den Apotheken
Vor mehreren hundert Kollegen erinnerte Präsident Metzger daran, dass die jetzige Bundesregierung schon vor vier Jahren systematisch begonnen habe, die bestehende Arzneimittelversorgungsstruktur grundlegend zu verändern. Um ihr aktuelles Sparziel, nämlich im Gesundheitswesen jährlich 1,5 Mrd. Euro einzusparen, zu erreichen, wurde, so Metzger, in einer noch nie da gewesenen Art und Weise das Vorschaltgesetz "durchgepeitscht".
Die Chronologie der Gesetzesentstehung beweist, dass es die klare Absicht der Politiker war, jeglichen Einfluss von Verbänden auf dieses Gesetz zu verhindern. Die überproportionale Belastung der Apotheken sei, so beide Referenten, nach wie vor verfassungsrechtlich bedenklich. Ob allerdings das von Baden-Württemberg und Saarland eingereichte Normenkontrollverfahren erfolgreich sein werde, bleibe abzuwarten.
Die große Gesundheitsreform
Den weiteren Fahrplan der großen Gesundheitsreform wird Ministerin Ulla Schmidt voraussichtlich am 4. 2. 2003 – nach den beiden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen – vorstellen. Themen diesbezüglich werden hierbei auch unter anderem die Aufhebung der Arzneimittelpreisbindung im OTC-Bereich, das Abschöpfen der Naturalrabatte sowie die Möglichkeit des Abschlusses von Einzelverträgen zwischen Apothekern und Krankenkassen sein.
Die Apothekenpflicht für Arzneimittel soll nach neuesten Informationen allerdings nicht angetastet werden. Die Strategie der ABDA und Bundesapothekerkammer beschrieb Metzger so: "Man wolle erstens in allen Bereichen durch konstruktive Gegenvorschläge (z. B. Homeservice) die Position der Bundesregierung (z. B. bei Versandhandel) entkräften und somit den Gesetzgeber von seinen geplanten Vorhaben abbringen.
Des Weiteren werde man intensive Gespräche mit der Opposition führen. Zum zweiten werde man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln um den Erhalt der Individualapotheke kämpfen und drittens versuchen, im Fall der Fälle den Schaden für den Berufsstand so gering wie möglich zu halten.
Großer Gewinnrückgang
Der 1. Vorsitzende des BAV, Gerhard Reichert, erläuterte die konkreten Auswirkungen des Vorschaltgesetzes für die Apotheken. Wie schon vor vier Wochen legte er den Anwesenden seine persönliche Steuererklärung vor und veranschaulichte den zu erwartenden Gewinnrückgang bei "seiner Rohrberg-Apotheke" (entspricht exakt einer deutschen Durchschnittsapotheke) von ca. 90 000 Euro auf 40 000 Euro.
Ob aber zum Beispiel eine Münchner Durchschnittsapotheke bei einer wesentlich ungünstigeren Kostenstruktur (u. a. Miete, Löhne. usw.) genauso gut wegkommt, war nicht zu erfahren. Ebenso gab es keine Informationen, wie viele Apotheken, die durch Pacht, Umbauten oder Neugründung wirtschaftlich wesentlich schlechter als die oben genannte Rohrberg-Apotheke stehen, überhaupt noch Gewinn erwirtschaften können.
Erfolgsmeldungen gab es dennoch. So konnte Gerhard Reichert den Kollegen bestätigen, dass – sollte ein Apotheker bezüglich der Abwicklung des Herstellerrabattes mit der VSA zusammen arbeiten – hier Liquiditätsengpässe für die Apotheke vermieden werden. Auch konnte durch erfolgreiche Verhandlungen des BAV eine Übergangslösung bezüglich der neuen Anforderungen an das Rezeptformblatt erreicht werden. So ist laut Reichert gesichert, dass den Apotheken die im Monat Januar 2003 eingereichten Rezepte am 14. 2. 2003 von den Krankenkassen erstattet werden.
Das eigentliche Problem des BSSichG
Beide Referenten beantworteten kompetent weitere Anfragen der Kollegen bezüglich der neuen Abrechnungsmodalitäten mit dem Großhandel und stimmten darin überein, dass die Abwälzung des Großhandelsabschlages auf die Apotheke das eigentliche Problem des BSSichG sei.
Der von den Apotheken zu gewährende Kassenrabatt dürfte sich im Jahr 2003 auf durchschnittlich 8 % erhöhen, doch könnte diese Belastung nach Auffassung von Metzger möglicherweise durch die zu erwartenden Umsatzsteigerungen annähernd kompensiert werden.
Die komplette Weiterreichung des vom Großhandel an die Krankenkassen zu gewährenden Rabattes (3 %), könne aber von den öffentlichen Apotheken keinesfalls auf Dauer getragen werden. Hier müssen alle Kollegen bei der Politik und insbesondere bei einzelnen Abgeordneten weiterhin Aufklärung betreiben, da nach wie vor in vielen Gremien die Meinung vorherrscht, der Großhandel würde den ihm aufgebürdeten Beitrag selbst "schultern".
Honorarmodell noch nicht spruchreif
Seitens der ABDA erstellte Honorarmodelle (Fixzuschläge) oder konkrete Alternativvorschläge, die die Vergütung der Apotheker auf eine andere Grundlage stellten, seien noch nicht vorhanden. Obwohl seit knapp zwei Jahren eine entsprechende Empfehlung des Europarates vorliege, scheine ein vom Berufsstand selbst erstelltes Konzept noch nicht präsentiert werden zu können.
Eine Anfrage, ob man mögliche alternative Vergütungsmodelle mit den Zahlen seiner Apotheke durchrechnen lassen könnte, wurde verneint. Laut Metzger sei erst seit kurzem bekannt, dass die Regierung ein solches Vergütungssystem in Erwägung ziehe und man arbeite seitens der ABDA jetzt mit Hochdruck daran.
Nicht alle wollen streiken
Auch das Thema Streik wurde wieder angesprochen. Gerhard Reichert wies erneut darauf hin, dass dies schon alleine deshalb nicht in Erwägung gezogen werden kann, da nicht einmal 50 % der Kollegen dazu bereit wären. Urabstimmungen in Hessen und Baden-Württemberg haben dies vor Kurzem bewiesen.
Metzger reklamierte in der abschließenden Diskussion zwar für sich, allein durch sein rhetorisches Können die 100%ige Streikbereitschaft der Kollegenschaft sehr wohl herstellen zu können, aber dies sei in der jetzigen Situation gar nicht sinnvoll und eventuell sogar gefährlich. Folge eines Streiks könnten überzogene Reaktionen der Politiker – wie z. B. Einführung des Dispensierrechtes für Ärzte, Öffnung der Krankenhausapotheken oder der Abschluss von Einzelverträgen mit nicht streikenden Kollegen – sein.
Metzger und Reichert beteuerten, hoch motiviert zu sein, um weiter für den Berufsstand zu kämpfen – und dies mit all ihren zur Verfügung stehenden Kräften.
Durch die von der Regierungskoalition geplante Liberalisierung der Arzneimittelversorgung könnte sich die deutsche Apothekenlandschaft in einem bisher nie da gewesenen Ausmaß verändern, so der Tenor von Präsident Johannes Metzger und dem 1. Vorsitzenden Gerhard Reichert auf einer Großveranstaltung der Bayerischen Landesapothekerkammer und des Bayerischen Apotheker Verbands (BAV) am 23. Januar 2003 in München. Das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) sei nur der Anfang. Unter Verfassungsrichtern und Politikern herrsche zur Zeit die Ansicht, dass auch mit zwei Dritteln der bestehenden Apotheken die ordnungsgemäße und flächendeckende Arzneimittelversorgung gesichert sei.
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