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LAK Hessen: Zur Ausnahmeliste von OTC-Arzneimittel in der GKV-Versorgung
Nachdem bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Listen von verschiedenen Interessensgruppen und Verbänden erarbeitet wurde, hat der Akademievorstand statt einer umfassenden Wirkstoffliste Grundprinzipien formuliert, die der Gemeinsame Bundesausschuss als legitimierte Institution bei der endgültigen Entscheidung berücksichtigen sollte.
Grundlage für die gesetzliche Regelung ist die Verknüpfung von Verschreibungspflicht einerseits und Erstattungsfähigkeit andererseits.
Zur Verdeutlichung: Verschreibungspflichtig sind solche Arzneimittel,
- die entweder so neu sind, dass noch keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen, die eine valide Risikoabschätzung für diese Arzneimittel erlauben, um sie ohne weitere Überwachung durch die ärztliche Verschreibung an einem großen Patientenkollektiv einsetzen zu können,
- oder die bekanntermaßen auch bei bestimmungsgemäßer Anwendung gewisse Risiken beinhalten, so dass eine ärztliche Therapiebegleitung angezeigt erscheint.
Für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel wird entsprechend das Risiko bei bestimmungsgemäßem Gebrauch so eingeschätzt, dass diese Arzneimittel auch ohne permanente ärztliche Überwachung sicher durch den Patienten angewandt werden können.
Aufgrund der vorgesehenen Regelung, bei der nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Erstattung ausgenommen worden sind, ist zu befürchten, dass in verstärktem Maße von solchen nicht verschreibungspflichtigen Präparaten auf verschreibungspflichtige, und damit erstattungsfähige übergegangen wird. Damit wird ggf. eine angemessene Behandlung in eine "Übertherapie" umgewandelt, womit ein erhöhtes Risikopotenzial verbunden sein könnte.
Um eine solche beispielhafte Situation zu vermeiden, wurden die nachfolgenden Kriterien erarbeitet, die bei der Erstellung der Ausnahmeliste durch den Gemeinsamen Bundesausschuss berücksichtigt werden sollten:
1. Grundsätzlich muss sichergestellt sein, dass der Patient eine dem aktuellen Krankheitsstadium adäquate Pharmakotherapie mit einem angemessenen Nutzen/Risiko-Verhältnis erhält. Dies gilt insbesondere für Leiden, die sich graduell von einer therapiebedürftigen Befindlichkeitsstörung zur schweren Krankheit entwickeln.
So wäre es beispielsweise nicht angemessen, Patienten im Frühstadium eines benignen Prostatasyndroms (BPS) ausschließlich mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu therapieren, die erhebliche Nebenwirkungen wie z. B. starken Blutdruckabfall, Impotenz oder Libidoverlust nach sich ziehen können, wenn gleichzeitig nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung stehen, die vielleicht weniger gut in ihrer Wirksamkeit dokumentiert sind, die aber dennoch in diesem frühen Stadium dem Patienten helfen.
Eine analoge Situation ergibt sich bei der Behandlung von Depressionen unterschiedlicher Schweregrade. Ein weiteres Beispiel ist die Behandlung von Mykosen, bei der es durch den Wechsel von einem nicht-verschreibungspflichtigen, topisch anzuwendenden Antimykotikum hin zu einem verschreibungspflichtigen, systemisch wirkenden Antimykotikum zu nicht vertretbaren Risiken hinsichtlich Wechsel- und Nebenwirkungen für den Patienten kommen könnte.
2. Es muss ferner sichergestellt sein, dass nicht auf eine höher dosierte und damit verschreibungspflichtige Handelsform ausgewichen wird, weil die Handelsform mit niedrigerer Wirkstärke als nicht-verschreibungspflichtiges Arzneimittel nicht erstattungsfähig ist.
Auch dies könnte für den Patienten eine Übertherapie mit entsprechenden potenziellen Risiken bedeuten. Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang nicht-steroidale Antirheumatika oder H2-Antihistaminika genannt, die in Abhängigkeit der zugelassenen Indikation, Wirkstärke oder Packungsgröße als nicht verschreibungspflichtige oder aber als verschreibungspflichtige Arzneimittel verfügbar sind.
3. Schließlich muss gewährleistet sein, dass Patienten lebenswichtige Substitutionstherapeutika von der GKV erstattet bekommen wie z. B. Vitamin B12 bei Gefahr des Auftretens einer perniziösen Anämie oder Folsäure während einer Schwangerschaft.
Darüber hinaus sollte auch eine Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Antidoten zu Lasten der GKV möglich sein, wie z. B. mit Mariendistelextrakt bei einer Vergiftung mit Knollenblätterpilzen.
Dem Akademievorstand gehören an: Prof. Dr. Henning Blume (Sprecher), Dr. Gabriele Bojunga, Prof. Dr. Theodor Dingermann, Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler, Ursula Raabe, Dr. Martin Weiser, Dr. Wolfgang Wörner
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