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Phytotherapie: Pflanzliche Erkrankungen gegen Stoffwechselerkrankungen

Müssen bei Stoffwechselentgleisungen immer gleich "chemische (und meist teure) Keulen" eingesetzt werden? Was hier die Natur - im weitesten Sinne - bereithält, war Thema der 18. Tagung der Schweizerischen medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) am 13. November in Baden bei Zürich, das mehr als 250, auch internationale Teilnehmer anlockte.

Viele Heilpflanzen sind auch Nahrungsmittel, viele Nahrungspflanzen wirken wie Heilmittel. Für die alten Medizintraditionen Asiens waren diese Zusammenhänge immer eine Säule ihrer Heilpraktiken, bei uns geriet ähnliches, sicher auch vorhandenes Wissen weitgehend in Vergessenheit.

Fundiert durch moderne biochemische und molekularbiologische Forschungsergebnisse, rückt es nun wieder neu ins allgemeine Interesse. Mit dem diesjährigen Tagungsthema "Phytotherapie und Stoffwechsel" wolle man die enge Verbindung zwischen Medikation und Lebensweise, zwischen Phytotherapie und Nahrung aufdecken, verkündete SMGP-Präsident, Prof. Beat Meier, Zürich.

Die Schweizerische medizinische Gesellschaft für Phytotherapie ist die größte ihrer Art in Europa.

Radikalfang als Wirkprinzip

Eine Reihe von Krankheiten - etwa Arteriosklerose, Krebs, Polyarthritis, ischämische Perfusionskrankheiten oder auch Parkinson - werden durch freie Radikale ausgelöst oder beschleunigt. Dementsprechend werden Radikalfängern und Antioxidanzien solchen Krankheitsentwicklungen und Alterungsprozessen entgegen gesetzt.

Pflanzen besitzen - zu ihrem eigenen Schutz - ein reiches Spektrum an Sekundärstoffen mit Radikalfängereigenschaften (Polyphenole wie Flavonoide, Tannine, Anthocyane). Schon mit ausgewählter pflanzlicher Nahrung kann daher Prävention geleistet werden, bestätigte wieder einmal Prof. K. Hostettmann, Lausanne.

Und nach diesem Prinzip wirken viele der heute etablierten Phytopharmaka: Crataegus mit herzwirksamen Anthocyanen und Flavonoiden, Mariendistel mit hepatoprotektiven Flavonolignanen, Grüntee mit den kanzeropräventiv wirksamen Epigallocatechingallaten (EGCG).

Ebenso Ginkgo-Extrakte, die neben den PAF-hemmenden Ginkgoliden eine Flavonoidfraktion mit 24 beschriebenen, aber, so Hostettmann, "sicher noch 100 weiteren unbeschriebenen Flavonoiden" enthalten.

Der Ginkgobaum gehört zu den resistentesten Pflanzen und war in Hiroshima nach der Atombombenexplosion der erste Baum, der wieder austrieb. Auf Grund ihrer erwiesenen neuroprotektiven Effekte werden Ginkgo-Extrakte von der WHO bei Alzheimer empfohlen.

Cremes und Gele mit Edelweißextrakten sind der neue Hit gegen Hautalterung und Falten. Im Wallis werden Edelweißarten aus dem Himalaja bereits feldmäßig angebaut. Hostettmann erklärt den auffallend hohen Gehalt an antioxidativen Phenylpropanoiden, Tanninen und Flavonoiden als einen natürlichen UV-Schutz von Alpenpflanzen.

Mediterrane Diät

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zählen in den Industrieländern zu den häufigsten Todesursachen. Hier wurden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, dieser Bedrohung zu begegnen. Primär wichtig und unumgänglich ist nach wie vor eine "Lifestyle-Modifikation" mit mehr Bewegung, Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion und Diät. Das fordert viel vom Patienten.

Demgegenüber erscheint die mediterrane Diät, die als kardioprotektive Ernährungsform nach zahlreichen vielversprechenden Studien inzwischen international anerkannt ist, geradezu angenehm. Ihre genaue Definition wird zwar teilweise noch kontrovers diskutiert, als wichtigste Bestandteile gelten jedoch:

  • hoher Gehalt an bunten Früchten und Gemüse,
  • viel Getreideprodukte,
  • reichlich pflanzliche Öle, speziell Olivenöl,
  • reichlich Fisch und
  • mäßiger (Rot-)Weinkonsum.

Neben den ungesättigten Fettsäuren aus Olivenöl und Fisch und dem Vitamin E aus Cerealien sind die Anthocyane und Lycopene der Gemüse- und Obst-Farbpigmente und das Resveratrol des Rotweins wichtige wirkungstragende Antioxidanzien, die schädigende ROS (reaktive Sauerstoff-Spezies) im Stoffwechsel abfangen.

Die kontrollierte, prospektive "Lyon-Herzstudie" konnte zeigen, dass eine α-Linolensäure-reiche mediterrane Ernährung nach einem ersten Herzinfarkt hoch wirksam ist und sowohl die Mortalität als auch die Herzinfarktrate massiv reduzierte. Im Winterthurer Kantonsspital, wo der Referent Prof. P. Ballmer Chefarzt ist, wird mit Erfolg und zur Zufriedenheit der Patienten nach dieser Diät gekocht.

Ausgewählte Fettsäuren

Mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA), insbesondere mit C-18-Säuren, kann bestimmten Krankheiten vorgebeugt werden. Nicht, wie lange Zeit angenommen, die Fettreduktion, sondern die Zusammensetzung der aufgenommenen Fette ist maßgeblich, bestätigte Prof. W. Richter, Institut für Fettstoffwechsel und Hämorrheologie, Windach.

Risikoreicheres LDL-Cholesterin wird am effektivsten durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren, etwa Linolsäure, reduziert. ω-3-Fettsäuren, deren wichtigste Vertreter Eicosapentaensäure (EPA), Docosahexaensäure (DHA) und α-Linolensäure sind, senken bei entsprechend hoher Zufuhr deutlich die Triglyceridspiegel.

Bedeutsamer scheint aber zu sein, dass sie in der Lage sind, das Membranpotenzial der Herzmuskelzellen zu stabilisieren und damit das Risiko für tödliche Herzrhythmusstörungen zu verringern. Ihr entzündungshemmendes Potenzial wirkt sich günstig auf das chronisch entzündliche Geschehen arteriosklerotischer Prozesse aus; zudem fördern sie ein "Aufweichen" rupturgefährdeter stabiler arterieller Plaques, die die Hauptverursacher von Herzinfarkt und Thrombosen sind.

Nach Richters Meinung sollte jeder Patient mit KHK-Verdacht von vornherein ω-3-Fettsäuren einnehmen, die, wie Studien belegen, in der Wirkung mit CSE-Hemmern (Statinen) vergleichbar, aber wesentlich kostengünstiger sind. Sie stellen ein hochwirksames natürliches Mittel zur Vorbeugung von kardialen Ereignissen dar.

Nach neueren Beobachtungsstudien soll mäßig erhöhter Genuss von Linolsäure und anderen PUFA auch das Risiko für Typ-2-Diabetes reduzieren. Am Zungengrund und im Dünndarm befinden sich Rezeptoren, die von diesen Säuren aktiviert werden und zu verminderter Appetenz und folgerichtig zum Rückgang eines metabolischen Syndroms führen können.

Phytos bei Fettstoffwechselstörungen ...

Eine medikamentöse Intervention mit Phytos ist nur bei leichteren Fettstoffwechselstörungen indiziert, meinte Prof. R. Bauer, Graz. Zu den altbekanntesten "Arteriosklerosemitteln" zählen Knoblauch, Zwiebel und Bärlauch. In ca. 40 klinischen Studien ist die Cholesterin- und Triglycerid-senkende Wirkung des Knoblauchs (im Mittel 9 bzw. 13% gegen Plazebo) in allen möglichen Darreichungsformen hinreichend belegt.

Dagegen ist diese Wirkung bei der Artischocke und Gelbwurzel erst seit jüngerer Zeit bekannt und durch Studien fundiert. Sie wird dem antioxidativen Effekt der Caffeoylchinasäuren bzw. des Curcumins zugeschrieben, die die Cholesterinsynthese und die Oxidation von LDL-Cholesterin hemmen können.

... und zur Arteriosklerose-Prophylaxe

Die Vorbeugung der Arteriosklerose durch grünen oder schwarzen Tee beruht auf einer Inhibition der Lipidperoxidation durch die im Tee enthaltenen phenolischen Inhaltsstoffe.

Die lipidsenkende Wirkung von Flohsamen (Plantago psyllium) oder Haferkleie (Avena sativa) dürfte auf die Bindung von LDL-Cholesterin an die Schleimpolysaccharide und die damit verbundene Entfernung aus dem enterohepatischen Kreislauf zurückgehen. Die Senkungsraten von LDL- und Gesamtcholesterin liegen damit bei 10 bis 20%. Studien, die dies belegen, stehen jedoch noch aus.

Arzneipflanzen bei Diabetes mellitus?

Über die Erfahrungen der naturheilkundlichen Abteilung des Universitätsspitals Zürich mit pflanzlichen Diabetespräparaten referierte Dr. M. Melzer, Zürich.

Nach ethnobotanischen Forschungen kennt man derzeit etwa 800 Spezies aus allen Erdteilen, die traditionell zur Behandlung von Diabetes verwendet werden. Entwicklungsländer sind darauf oft angewiesen, aber auch in Mitteleuropa wollen viele Patienten auf "Pflanzliches" ausweichen. Von nur sehr wenigen Präparaten sind tatsächliche Wirkungen klinisch bestätigt.

In Zürich wurde mit Extrakten von Gymnema montanum und G. sylvestre (Asclepiadaceae) nach 6-monatiger Einnahme eine akzeptable generelle Blutzuckersenkung beobachtet, und die signifikante Blutzuckerabnahme (nüchtern und postprandial) bei Einnahme eines Konzentrats von Momordica charantia wurde bestätigt. Pilotstudien werden mit Aloe vera, Trigonella foenum-graecum, amerikanischem Ginseng und Flohsamen durchgeführt. Als Wirkstoffe werden Flavone oder lösliche Faserstoffe diskutiert.

Fest steht allerdings, dass keine der bisher untersuchten Pflanzen zur Monotherapie ausreicht, sondern nur ergänzend zu einer etablierten medikamentösen Therapie eingesetzt werden kann.

Eindringlich warnte der Referent vor Importpräparaten z. B. aus China, die nicht selten mit undeklarierten Sulfonylharnstoffen angereichert sind.

Latente Azidose - Ursache für chronische Krankheiten

Noch einmal ging es ums Essen: In der Regel wird mit der gegenwärtig üblichen Ernährung - viel Fleischproteine, viel Kohlenhydrate - ein Überschuss an Säureprotonen im Körper produziert, die normalerweise über die Niere ausgeschieden werden.

Der Körper ist zwar mit einem ausgeklügelten Puffersystem ausgestattet, um intra- und extrazellulär eine Konstanz des Säure-Basen-Verhältnisses zu garantieren - dies ist eine unerlässliche Vorraussetzung für das Funktionieren von enzymatischen Stoffwechselvorgängen und aller mit Elektrolyten zusammenhängenden Prozesse sowie für die Bindegewebsfunktionen.

Das Puffersystem kann jedoch überstrapaziert werden, z. B. durch zu eiweißreiche falsche Ernährung, bei Reduktionsdiäten und Fastenkuren (wo sich Ketosäuren bilden), bei mangelnder oder zu hoher körperlicher Aktivität (in beiden Fällen Milchsäureproduktion) oder bei schweren und chronischen Erkrankungen.

Zudem nimmt mit zunehmendem Alter (etwa ab 50 J.) die Fähigkeit zur Säureausscheidung über die Nieren ab, bei gleichbleibender Ernährung kommt es zu einer latenten Übersäuerung. Der Körper kompensiert dies durch Freisetzung von Mineralstoffen aus dem Knochen und durch Speicherung von Protonen im Bindegewebe mit einer dadurch verminderten Wasserbindungsfähigkeit. In der Folge kommt es zu Funktionsbeeinträchtigungen im Knorpelgewebe, in Sehnen und Bändern.

An isolierten Knochenzellen konnte man Veränderungen im Calciumgehalt bereits bei geringfügigen pH-Wert-Änderungen nachweisen, berichtete Prof. J. Vormann vom Institut für Prävention und Ernährung, Ismaning bei München. Gleichzeitig korrelierte ein höherer Basengehalt in der Nahrung mit einer höheren Knochendichte. Pflanzliche Lebensmittel enthalten organische Anionen, die zur Entlastung des Säure-Basen-Haushaltes beitragen.

Zur Vorbeugung Azidose-bedingter Erkrankungen und speziell zur Osteoporoseprävention empfahl daher auch Vormann eine Ernährung mit hohem Anteil an Obst, Gemüse und Salaten. In Zeiten hoher Säurebelastung, wie beim Fasten oder durch Sport, müsse, um einem massiven Ca-Verlust entgegenzuwirken, unbedingt mit basischen organischen Mineralsalzen (empfehlenswert: Mg-Citrat), Natron oder entsprechenden Fertigpräparaten gepuffert werden.

Wolfstrapp als Thyreostatikum?

Die seit langem bekannte antithyreotrope Wirkung von Wolfstrapp-Zubereitungen (Lycopus europaeus und L. virginicus) konnte in einer offenen, nicht kontrollierten Studie an 51 Patienten mit leichter Hyperthyreose bestätigt werden.

In allen Fällen kam es zu einem starken Rückgang der Hyperthyreose-Symptome wie Globusgefühl, Tachykardien sowie diversen vegetativen und psychovegetativen Beschwerden wie Schwitzen, Nervosität, Unruhe und Herzklopfen, obwohl die Schilddrüsenparameter unverändert blieben.

Neue pharmakologische Untersuchungen an hyperthyreoten Ratten bestätigten eine signifikante Antagonisierung einzelner Hyperthyreose-Symptome ohne nennenswerte Senkung der künstlich erhöhten Schilddrüsenhormonspiegel. Bereits geringe Lycopusdosen zeigten eine mit einem selektiven Betablocker vergleichbare Wirkung.

Dr. A. Biller, Winsen, berichtete, dass Patienten häufig an einer ausgeprägten kardialen Hyperthyreose-Symptomatik, bis hin zur absoluten Arrhythmie mit Vorhofflimmern leiden, ohne dass auffällige Hormonwerte nachgewiesen werden können. Dafür wurde der Begriff "Organhyperthyreose" geprägt. Man nimmt an, dass bestimmte Organe, wie z. B. das Herz, selektiv sensitiver auf die Hormone wirken.

Die moderne Diagnostik widerspiegelt aber primär nur ihre Wirkung auf die Hypophyse. Für solche Fälle bewähren sich die sehr gut verträglichen Lycopus-Zubereitungen, die "ansonsten keinen Ersatz, aber eine hervorragende Ergänzung zu synthetischen Thyreostatika darstellen".

Gute Aussichten für Nahrungsmittelallergiker

Für einen Spezialextrakt aus den Blättern einer Pestwurz-Sorte (Ze 339) wurde in vitro eine signifikante Hemmung der Synthese von Leukotrienen - entscheidenden Entzündungsmediatoren - in eosino- und neutrophilen Granulozyten beobachtet.

Bei Überprüfung des Wirkmechanismus an Patienten mit allergischer Rhinitis konnte die Abnahme von Leukotrienen und Histamin in der Nasenspülflüssigkeit bestätigt werden. In der Schweiz ist ein Präparat mit diesem Extrakt (Tesalin®) bereits bei allergischer Indikation zugelassen.

Für Pestwurzextrakte ist auch eine relaxierende Wirkung auf die glatte Muskulatur pharmakologisch anerkannt. Daher könne, so Prof. A. Brattström, Romanshorn, der zusätzliche Nachweis einer signifikanten antiinflammatorischen Aktion den Einsatz von Ze 339 auch bei entzündlichen Erscheinungen im Magen-Darm-Trakt, beispielsweise bei Nahrungsmittelallergien, als sinnvoll erscheinen lassen.

Alle Vorträge der Tagung und eines Parallel-Workshops über "Pflanzliche Lebertherapeutika" sind auf der Website der SMGP dokumentiert: www.smpg.ch

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