- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 51/2003
- Indikationserweiterung f...
Arzneimittel und Therapie
Indikationserweiterung für Ibandronat: Wenn Tumorzellen den Knochen zerstören
Wird ein operabler, maligner Tumor diagnostiziert, bevor sich Metastasen gebildet haben, stehen die Chancen auf Heilung gut. Anders, wenn sich bereits Tochtergeschwülste entwickelt haben. Sie entstehen, wenn Tumorzellen über die Blutbahnen oder über die Lymphwege im Organismus verteilt werden und sich in anderen Organen festsetzen.
Wo sie sich letztendlich ansiedeln und proliferieren, hängt davon ab, wo sie sich am "wohlsten" fühlen. Wissenschaftlicher formuliert: Ob sich Tumorzellen in bestimmten Gewebe festsetzen, ist abhängig von ihren Oberflächeneigenschaften und vom Mikromilieu des Gewebes. Knochengewebe scheint für Tumorzellen von Mamma-, Bronchial- und Prostatakarzinomen besonders attraktiv zu sein.
Derzeit wird intensiv daran geforscht, wie Tumorzellen mit dem Knochengewebe interagieren. Denn Knochenmetastasen führen zu Osteolyse und Osteoporose und damit zu erhöhtem Frakturrisiko und Knochenschmerzen. Es kann sich aber auch eine Hypercalcämie entwickeln, die dann Störungen des zentralen Nervensystems, des Herzrhythmus und der Nierenfunktion sowie eine Muskelschwäche nach sich zieht. Dass dies die Lebensqualität massiv beeinträchtigt, liegt auf der Hand. Dies ist von um so größerer Bedeutung als immer mehr Menschen immer länger mit ihrer Krebserkrankung leben.
Osteoblasten und Osteoklasten aus dem Gleichgewicht
Um zu verstehen, wie das Zusammenspiel zwischen Tumorzellen und Knochenzellen funktioniert, ist ein kurzer Blick auf das Knochenremodeling notwendig. Auch wenn der Knochen "knochenhart" ist, wird er im Laufe des Lebens doch mehrfach ab-, um- und wieder aufgebaut. Dabei wird er nicht nur erneuert, sondern auch veränderten Belastungsbedingungen angepasst. Die Bindegewebs-abhängigen Osteoblasten sind für den Knochenaufbau verantwortlich, die Osteoklasten, eine Art modifizierter Fresszellen, bauen Knochengewebe ab.
Physiologisch befinden sich Osteoblasten und Osteoklasten in einer Balance.Dieses Gleichgewicht wird von Tumorzellen empfindlich gestört. Erst kürzlich wurde ein ausgeklügeltes System entdeckt, dass den Knochenstoffwechsel steuert, in das aber auch Tumorzellen eingreifen können: das RANK/RANKL/OPG-System (siehe Kasten und Grafik).
Tumor: Nutznießer physiologischer Signalsysteme
Neben dem RANL/RANK/OPG-System gibt es noch andere Signalsysteme, die die Osteoklastenentwicklung und -funktion bestimmen und die sich Krebszellen zu Nutze machen. TGF-beta beispielsweise befindet sich, wie zahlreiche andere Wachstumsfaktoren, in der Knochenmatrix.
Kommt es zur Osteolyse, werden diese Substanzen freigesetzt. Hohe TGF-beta-Konzentrationen stimulieren wiederum die Produktion von Parathyroidhormon-related peptide (PTHrP) (siehe Kasten) und treiben so die Osteoklastendifferenzierung und -aktivierung voran. Letztlich benutzen Tumorzellen also physiologische Wege der Osteolyse um sich Vorteile zu verschaffen.
Der Trick: Sie produzieren große Mengen Osteoklasten-stimulierender Stoffe und lösen so Knochenweggewebe auf. Damit verschaffen sie sich mehr Platz und nutzen gleichzeitig die damit freigesetzten Wachstumsfaktoren für ihre Zwecke. Die Konsequenzen: ein Überlebensvorteil für die Tumorzellen und eine empfindliche Störung des Knochenmetabolismus.
Bisphosphonate treiben die Werkzeuge der Tumorzellen in den Tod
Für die Therapie beim ossär metastasierten Mammakarzinom kommen als lokale Intervention Strahlentherapie und Operation zum Einsatz. Bei den systemischen Optionen stehen moderne Bisphosphonate im Vordergrund. Sie heften sich spezifisch an das Calciumhydroxylapatit des Knochens, hemmen die Farnesylsynthase im Mevalonatstoffwechsel, und treiben dadurch die Osteoklasten in die Apoptose. Indem sie die Aktivität der Osteoklasten, die Werkzeuge der Tumorzellen, hemmen, bremsen sie auch die Tumorwirkung auf den Knochen.
Das bedeutet: Bisphosphponate reduzieren die Hypercalcämie, lindern den Knochenschmerz, verbessern die Lebensqualität und wirken osteoprotektiv. Im November wurde Ibandronat (Bondronat®) zur Prävention skelettbezogener Komplikationen (pathologische Frakturen und Knochenkomplikationen, die eine Strahlentherapie oder Operation erfordern) bei Patientinnen mit Brustkrebs und Knochenmetastasen zugelassen. Der Unterschied zu anderen Bisphosphonaten für diese Indikation: Es kann nicht nur intravenös, sondern auch oral verabreicht werden und zeigt eine hohe renale Sicherheit.
Ibandronat senkt das Risiko skelettaler Komplikationen
In der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten Zulassungsstudie wurde Ibandronat bei 462 Patientinnen mit ossär metatsasiertem Mammakarzinom in Dosen von monatlich 2 mg i. v. und 6 mg i. v. mit Plazebo über 96 Wochen verglichen. Primärer Wirksamkeitsparameter war die Anzahl der 12-Wochen-Zeiträume mit neuen Knochenkomplikationen.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass die 2-mg-Dosis zu niedrig war. Die damit erzielten Effekte lagen auf Plazeboniveau. Die 6-mg-Dosis war dagegen Plazebo signifikant überlegen und brachte den Patientinnen einen hohen Benefit. So lag die Anzahl der 12-Wochen-Zeiträume mit neuen Knochenkomplikationen bei 1,48 unter Plazebo, dagegen nur bei 1,19 unter Ibandronat.
Insbesondere die Zahl vertebraler Frakturen ging signifikant zurück. Anschaulicher ist der Blick auf die Zeit bis zum Auftreten des ersten Ereignisses. Mit 50,6 Wochen dauerte es unter Ibandronat deutlich länger bis zu einer Fraktur (Plazebo: 33,1 Wochen). Auch die Knochenschmerzen wurden wirksam behandelt. Noch nach 30 Monaten lagen sie unter Ibandronat niedriger als zu Beginn der Therapie, während sie unter Plazebo deutlich an Stärke zunahmen. Entsprechend positiv war auch der Effekt auf die Lebensqualität, in die neben körperlichen Funktionen auch emotionale, kognitive und soziale Aspekte eingingen.
Orale Applikation ist bequem für die Patientin
Besonders spannend war die Frage, ob Ibandronat seine hohe Effektivität auch beibehält, wenn es oral appliziert wird. Die Antwort kann eindeutig mit ja beantwortet werden. Dies zeigt unter anderem eine Phase-III-Studie an 435 Patientinnen mit Mammakarzinom und Knochenmetastasen. Sie erhielten zwei Jahre täglich 20 mg Ibandronat, 50 mg Ibandronat oder Plazebo.
Neue Knochenkomplikationen waren unter 50 mg Ibandronat deutlich seltener. Die Zahl der skelettalen Komplikationen pro Patient reduzierte sich von 2,23 auf 1,43. Der Effekt gilt als vergleichbar mit der monatlichen intravenösen Gabe von 6 mg Ibandronat. Eine i.v.-Applikation ist aber dann zu befürworten, wenn eine akute Therapie notwendig ist, beispielsweise wegen einer Hypercalcämie oder Knochenschmerzen.
Geringe Nephrotoxizität
Neben Akute-Phase-Reaktionen und gastrointestinalen Nebenwirkungen ist die Nierentoxizität bei den unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Bisphosphonate besonders im Visier. Der Hintergrund: Bisphosphonate werden aktiv aus dem Tubulus in das Lumen ausgeschieden. Ist dieser Mechanismus überladen, kommt es zu einer Kumulation und einer möglichen Zerstörung der Nierenzellen mit der Folge von Nephritis und Nierenversagen.
Die Nierentoxizität von Ibandronat ist allerdings gering. Die renalen Komplikationen liegen zwischen 1 und 2,5 Prozent. Als Ursache wird die hohe Plasmaproteinbindung angeführt. Nach dem Motto: Je mehr Bisphosphonat an Plasmaprotein gebunden ist, um so geringer ist die Toxizität an der Niere. Ibandronat hat mit einem Anteil von 85 Prozent eine sehr hohe Plasmaeiweißbindung, während bei Zoledronat und Pamidronat nur etwa 56 bzw. 54 Prozent an Plasmaeiweiß gebunden werden, bei Clodronat sogar nur 36 Prozent.
Auch für die Prävention von Metastasen?
Ob sich Bisphosphonate auch für die Prävention von Knochenmetastasen eignen – und dafür spricht einiges – werden Studien zeigen, deren Ergebnisse in etwa zwei Jahren zu erwarten sind. Damit stellt sich gleichzeitig die Frage, welche Frauen dann präventiv behandelt werden sollten. Zumindest derzeit gibt es keine guten Prognosemarker für die Entwicklung von Knochenmetastasen.
Viele Karzinome metastasieren bevorzugt in Knochengewebe. Für die Patienten bedeutet das Knochenschmerzen, Hypercalcämie und ein erhöhtes Frakturrisiko. Derzeit werden mit Erfolg Bisphosphonate eingesetzt, die das Risiko von Knochenkomplikationen senken. Nun wurde Ibandronat für die Prävention skelettaler Komplikationen bei ossär metastasiertem Mammakarzinom zugelassen. Seine Vorteile: Es steht auch für die orale Applikation zur Verfügung und besitzt eine hohe renale Sicherheit.
Oder, umgekehrt: Können Bisphosphonate gegen Hypercholesterinämie eingesetzt werden? Dass das nicht funktioniert liegt einzig und allein am Wirkort. Während Statine in der Leber bleiben, haften Bisphosphonate am Knochen. Und in jeweils diesen Geweben entfalten sie auch ihre Wirkung.
Natürlicher Gegenspieler ist Osteoprotegerin, ein Schutzeiweiß, das ebenfalls von Osteoblasten produziert wird. Osteoprotegerin reguliert den Knochenabbauprozess, indem es an lösliches RANKL bindet und so einer übermäßigen Wirkung des RANK-Liganden, sprich einem übermäßigen Knochenabbau, entgegenwirkt. Das Verhältnis zwischen Osteoprotegerin und RANK-Ligand bestimmt also das Ausmaß der osteoklastären Aktivität.
Tumorzellen sind nun in der Lage in dieses System einzugreifen, indem sie RANKL oder vorgeschaltete Substanzen wie beispielsweise PTHrP, das Parathyroidhormon-related peptide, freisetzen. Knapp 70 Prozent aller Mammakarzinome exprimieren PTHrP. Bei Metastasen scheint die Expression noch deutlich höher zu sein.
Es greift am Parathormonrezeptor an, der auf den Osteoblasten sitzt, und erhöht ähnlich wie Parathormon die Produktion von RANKL. Damit gerät die Balance zwischen Osteoprotegerin und RANKL aus dem Gleichgewicht. Die Osteoklastenaktivität wird angekurbelt. Es wird vermehrt Knochen abgebaut. Und der Osteoklast setzt Wachstumsfaktoren frei, die die Proliferation des Tumors fördern. Myelomzellen können im Übrigen direkt über RANKL mit Osteoklasten reagieren und ihn zur Freisetzung von Tumorwachstumsfaktoren bewegen.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.