- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 8/2003
- Beitragssatzsicherungsges...
DAZ aktuell
Beitragssatzsicherungsgesetz: Noweda reicht Verfassungsbeschwerde ein
Die Beschwerde, die von der Rechtsanwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer, Köln, in den letzten zwei Monaten erstellt wurde, richtet sich einerseits gegen die fehlende Zustimmung des Bundesrates und stützt sich andererseits auf das so genannte Übermaß-Verbot. Folgende Fehler des Gesetzes stellt die Noweda eG in ihrer Beschwerde besonders heraus:
1. In dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) muss man davon ausgehen, dass der Gesetzgeber die Begriffe "Handelsspanne" und "Gewinn" verwechselt hat. In der Begründung zum Gesetzentwurf spricht man von einer Handelsspanne des pharmazeutischen Großhandels in Höhe von 2 Mrd. Euro pro Jahr, von der man rund ein Drittel - also 600 Mio. Euro - abschöpfen könnte.
Tatsächlich beträgt der Gewinn des pharmazeutischen Großhandels vor Steuern - also nach Abzug von Personal-, Sach- und Zinskosten - in Deutschland 237 Mio. Euro. Der Gewinn, der derzeit im Großhandel erwirtschaftet wird, beträgt damit nur ca. ein Drittel des Betrages, den der Großhandel gemäß BSSichG zugunsten der GKV leisten soll. Dies ist wirtschaftlich nicht realisierbar.
Die Noweda eG - mit einem Marktanteil von über 8% in Deutschland - müsste nach diesen gesetzlichen Vorgaben einen Anteil von über 50 Mio. Euro erbringen. Bei einem Gewinn vor Steuern in Höhe von ca. 13 Mio. Euro - bezogen auf den vom Gesetz erfassten Umsatz mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln - ist dies schlicht nicht möglich.
2. Das Beitragssatzsicherungsgesetz verstößt gegen Art. 78 Grundgesetz, da der Bundesrat seine Zustimmung nicht erteilt hat. Das BSSichG enthält verfahrensrechtliche Regelungen über die Erstattung der Abschläge auf Arzneimittel und regelt damit ein Verwaltungsverfahren der Landesbehörden. Außerdem erhält das Fünfte Sozialgesetzbuch durch das Beitragssatzsicherungsgesetz eine völlig neue Prägung. Die Zustimmung des Bundesrates war daher zwingend erforderlich.
3. Der vom Großhandel abzuführende Zwangsrabatt ist eine unzulässige Sonderabgabe. Er kommt weder dem allgemeinen Haushalt des Bundes, eines Landes oder den Kommunen zugute, und der Geldleistung steht auch keine unmittelbare Gegenleistung gegenüber. Vielmehr fließt der Zwangsrabatt den GKVen direkt zu. Eine besondere Verantwortung des Großhandels für die finanzielle Stabilität der GKVen lässt sich nicht begründen. Die Sonderabgabe wird auch nicht zum Nutzen des Großhandels verwendet.
4. Der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Abschlag in Höhe von 3% auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel (auf Basis des Apothekenverkaufspreises), den der Großhandel tragen soll, wird erhoben, ohne dabei zu berücksichtigen, ob das Arzneimittel im Ergebnis zu Lasten der GKV verschrieben oder privat abgerechnet wird. Der Gesetzgeber greift damit über das BSSichG in einen Bereich ein, der von ihm jedenfalls so nicht geregelt werden darf; er schränkt damit die Berufsfreiheit der Noweda eG ein.
Der pharmazeutische Großhandel wird damit gegenüber den Herstellern ungleich behandelt. Im Gegensatz zum Großhandel ist die pharmazeutische Industrie nur verpflichtet, den gesetzlich vorgeschriebenen Abschlag in Höhe von 6% auf die Arzneimittel zu entrichten, die zu Lasten der GKV abgegeben werden. Die Erklärung des Gesetzgebers, es sei unmöglich, die gelieferten Arzneimittel den verschiedenen Großhändlern zuzuordnen, ist jedoch kein ausreichender Grund für diese Ungleichbehandlung.
Die Noweda eG hat bereits vor der Entscheidung des Bundestages am 20. Dezember 2002 alle Bundestagsabgeordneten der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Schreiben auf die falschen Datenbasen und auf die unrealistischen Annahmen hingewiesen. Kein Abgeordneter kann nach Angaben der Noweda eG für sich in Anspruch nehmen, er hätte die Marktrealitäten nicht gekannt.
Aus vielen Schreiben von Bundestagsabgeordneten, die mehr oder weniger jeweils den gleichen Wortlaut hatten, würde deutlich werden, dass Informationen zu den wahren Marktgegebenheiten nicht zur Kenntnis genommen wurden.
Die apothekereigene Noweda eG, Essen, hat am 14. Februar 2003 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde zum Beitragssatzsicherungsgesetz eingereicht. Die Verfassungsbeschwerde war bereits anlässlich der Noweda-Generalversammlung am 27. November 2002 vom Vorstandsvorsitzenden, Dr. Dietrich L. Meyer, für den Fall angekündigt worden, dass der damalige Gesetzentwurf in unveränderter Form Gesetzeskraft erlangen würde.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.