Berichte

Wissenschaftsgeschichte: Otto Warburg und die Pharmazie

In einer gemeinsamen Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie am 14. Januar in Würzburg hielt Priv.-Doz. Dr. Frank Leimkugel (Institut für Geschichte der Medizin, Düsseldorf) einen Vortrag über die Bemühungen des Botanikers Otto Warburg, die Pharmazie an der Hebräischen Universität von Jerusalem als Studiengang zu etablieren und den damaligen Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung Dr. Richard Brieger als Hochschullehrer zu gewinnen.

Der aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammende Berliner Tropen- und Kolonialbotaniker Otto Warburg hatte bereits nach Abschluss seiner Ostasien-Expedition (1886 - 1889) enge Beziehungen zur 1890 gegründeten Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und ihrem ersten Präsidenten Hermann Thoms unterhalten. So nimmt es nicht wunder, dass er nach der Installierung von Botanik, Zoologie, Geologie, Chemie und Biochemie an der jungen Hebräischen Universität in Jerusalem (1923 eröffnet) die Einrichtung eines pharmazeutischen Studienganges als dringend notwendig erachtete.

Warburg verstärkte seine Anstrengungen, eine Ausbildungsmöglichkeit für angehende Apotheker zu schaffen, aber erst zehn Jahre später, als er bereits emeritiert war und Gelder für neue Studiengänge an der Hebräischen Universität nicht zuletzt aufgrund der beginnenden Masseneinwanderung aus Mitteleuropa kaum vorhanden waren.

Immerhin erbat der Universitätskanzler Magnes während eines Aufenthaltes in Genf von dem Berliner Privatdozenten Paul Wolff, einem Mitarbeiter an Hermann Thoms' "Handbuch der wissenschaftlichen und praktischen Pharmazie", den Hinweis auf eine geeignete Persönlichkeit für den geplanten Pharmazeutischen Lehrstuhl. Wolff empfahl ihm wenig später den damaligen Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung Richard Brieger. Magnes ließ Brieger ausrichten, sich an der Universität zu bewerben und sich gleichzeitig mit Otto Warburg über die geplante Professur auszutauschen.

Der in Breslau geborene Brieger hatte in seiner Heimatstadt Pharmazie studiert und war dort auch zum Dr. phil. promoviert worden. Nachdem er einige Zeit in einer pharmazeutisch-chemischen Fabrik gearbeitet hatte, trat er 1926 in die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung ein.

Brieger hielt das Grundstudium in den in Jerusalem vorhandenen Räumlichkeiten für möglich, beschränkte sich in seinen Forderungen jedoch nicht auf das Unabdingbare. So reklamierte er drei Laboratorien für pharmazeutisch-chemische Praktika, einen Hörsaal "mit anschliessendem Raum für die Sammlung der Experimentiergeräte, der Chemikalien und der Drogen, die für die Vorlesungen benötigt werden", einen Wägeraum sowie einen Raum für bakteriologische Übungen.

Nicht zuletzt mahnte er einen "unbedingt nötigen Raum für den Dozenten" an. Obwohl unterdessen zahlreiche Empfehlungsschreiben für Brieger in Jerusalem eingetroffen waren - darunter ein umfangreiches "Gutachten über die wissenschaftlichen Leistungen des Herrn Dr. Richard Brieger" des Wiener Pharmakognosten Richard Wasicky - erteilte Magnes ihm umgehend eine Absage.

Warburg erfuhr Ende November 1933, dass Brieger mit Hinweis auf fehlende Finanzressourcen einen negativen Bescheid aus Jerusalem erhalten hatte. Er intervenierte bei Chaim Weizmann, dem designierten Leiter des privat finanzierten Daniel-Sieff-Institutes (heutiges Weizmann-Institut), zugunsten des Projektes und bat ihn, Brieger nach England kommen zu lassen und mit ihm das Budget des Laboratoriums zu besprechen.

Zu einer Zeit, als viele jüdische Akademiker Deutschland nach dem antisemitischen "Gesetz über das Berufsbeamtentum" verlassen wollten, wurden Empfehlungen sehr genau geprüft. So hatte auch Weizmanns Londoner "Bureau for the settlement of German Jews" kritische Anmerkungen zum Personalvorschlag Warburgs.

Weizmann ließ Warburg ausrichten, er wolle alles in seinen Kräften Stehende tun, um Brieger einen neuen Wirkungskreis in Palästina zu ermöglichen, er habe jedoch von anderer Seite keine so hervorragende Auskunft über dessen wissenschaftliche Qualifikation erhalten. So scheiterte der Versuch, Brieger als Dozent für Pharmazie an die Universität zu vermitteln.

An den bislang fruchtlosen Erörterungen zur Installierung der Pharmazie an der Hebräischen Universität beteiligte sich nun auch der ehemalige Görlitzer Apothekenleiter und Gründer des Pharmazeutischen Unternehmens TEVA, Dr. Günther Friedländer (1902 - 1975), der Warburg ein Memorandum für die pharmazeutische Ausbildung übersandte. Warburg beurteilte die Erfolgsaussichten eines zu forsch und ausgeklügelt vorgetragenen Programms jedoch skeptisch. Friedländer sagte zu, das Memorandum zugunsten eines weniger kostspieligen Provisoriums zu überarbeiten, doch ohne Erfolg.

Letztlich führte die Ablehnung eines Pharmazeutischen Studienganges in Jerusalem zur jahrelangen Benachteiligung deutscher Apotheker-Immigranten, deren viersemestrige Ausbildung von der britischen Mandatsregierung als unzureichend angesehen wurde. Da ein Ergänzungsstudium in Palästina nicht möglich war, konnten sie im Gegensatz zu ihren österreichischen Kollegen, die wie die meisten europäischen Apotheker ein sechssemestriges Curriculum absolviert hatten, in "Erez Israel" keine Apotheken leiten und wurden vom Aufbau der Verwaltungspharmazie ausgeschlossen.

Es dauerte weitere 18 Jahre, bis 1953 die Pharmazie als Studiengang in der Medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität installiert wurde und Apothekern mit deutscher Approbation die Berufserlaubnis in Israel erteilt wurde. Dies war das Ergebnis einer von dem deutschsprachigen Pharmazeuten Josua Kohlberg (1905 - 1999) geleiteten Initiative, die von der amerikanischen Jewish Pharmaceutical Society finanziell unterstützt wurde.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.